Bevor man sich einen italienischen Film anschaut, sollte man mit äußerster Vorsicht an die Sache herangehen. Handelt es sich dabei dann auch noch um einen italienischen Horrorfilm, der auf der durch Spielberg losgetretenen „Jaws“-Welle mitschwimmen möchte, erst recht.
Zwar hat dieser Heuler ein erstaunliches Angebot amerikanischer Stars aufzubieten (Henry Fonda, Shelley Winters, Top-Regisseur John Huston und die im B-Film-Bereich zuverlässigen Bo Hopkins und Claude Akins), doch davon sollte man sich vorab auf keinen Fall täuschen lassen. Italienisch bleibt italienisch, daran kann selbst der Hauptdarsteller von „Spiel mir das Lied vom Tod“ nichts ändern. Vielmehr stellt man sich die Frage, was diese Leute dazu bewegt haben könnte, hier mitzumischen. Andererseits relativiert sich die Verwunderung gleich wieder, sobald man sich vor Augen führt, daß bis auf Bo Hopkins keiner der berühmten Amis auch nur in die Nähe der titelgebenden Kreatur kommt, sondern man geschlossen immer schön auf dem Festland bleibt. Fonda hat, obgleich an erster Stelle genannt, gar nur drei kurze Szenen, während die Winters und vor allem Huston zwar für die ersten drei Viertel streng genommen die Hauptrollen bekleiden, aber außer reichlich Ermittlungsarbeit (Huston/Akins) und Babysitten (Winters) praktisch nichts zu tun haben, ehe sie rechtzeitig vor dem Finale auf Nimmerwiedersehen aus der Handlung verschwinden. Na ja, sie waren während der Dreharbeiten ja auch nicht mehr die Jüngsten. Actionszenen hätten sie wohl nur noch schwerlich mitmachen können.
Ansonsten ist „Der Polyp“ nicht der Rede wert, sondern einfach nur eine sturztrunkenlangweilige Angelegenheit.
Beim Inhalt brauche ich, glaube ich, nicht ins Detail zu gehen, denn das Storygerüst seit „Der weiße Hai“ ist - wem erzähle ich da was Neues? - ohnehin das immergleiche. Also auch hier wieder die ganze Palette: Mysteriöse Todesfälle, ratlose Bullen, einen Meeresbiologen, eine dubiose Firma mit Dreck am Stecken und das obligatorische, gigantomatische Sommerereignis, in diesem Fall eine Junioren-Segelregatta, die kurz bevorsteht und von der Bestie mit den Todesarmen (also ein riesiger Tintenfisch, nicht Bruce, der große Weiße) zwecks fleißiger Randale aufgesucht wird. Das ist der Stoff, aus dem Meeresungeheuerfilme gemacht sind, inklusive abschließender Monsterjagd.
Belang- und endlose Dialoge mit hanebüchenen (und im Kontext dieses Films auch noch korrekten) Erklärungsansätzen, was den Kraken dazu bringen könnte, solch schauerliche Dinge anzustellen, wechseln ab mit furchtbar ausgedehnten Unterwasser- und uninspiriert abgefilmten Killsequenzen, die so unspektakulär sind, daß ich spontan vergessen habe, daß nach den zwei zügig weggekescherten Opfern (darunter sogar ein Baby) zum Auftakt in der ersten Hälfte noch zwei Taucher dran glauben müssen. Zudem entpuppen sich unsere „Helden“ als grenzdebile Volldeppen, indem sie zunächst die überall vollmundig angekündigte Regatta komplett verschwitzen, obwohl sie längst wissen, wer oder besser was auf dem offenen Meer sein Unwesen treibt, und als Sahnehäubchen oben drauf der Küstenwache erst Bescheid geben, als es eh schon zu spät ist, und folglich eine gehörige Mitschuld an der sich unmittelbar anschließenden Katastrophe tragen. Ich befürchte, das war eigentlich nicht die Absicht der vier (!!! Ach, nehmen wir noch eins: !) Drehbuchautoren.
Hinzu kommen die erwartet grauenvollen Effekte (die beiden Tintenfischangriffe aus der Froschperspektive sind zum schreiend Davonlaufen), wobei der Unterschied zwischen schlampig hergestelltem Modell und dem größtenteils eingesetzten echten Seepolypen aus dem Aquarium jederzeit ersichtlich ist, gänzlich fehlendes Blut (FSK-12!) und ein manchmal ohrenbetäubender (Abspann!!!), manchmal schlicht unpassender Soundtrack, bei dem ein Cembalo das am häufigsten verwendete Instrument darstellt - fertig ist der Murks.
Symptomatisch für die Qualität des Films ist die offenbar als großer Höhepunkt gedachte Regatta-Attacke: Während das Ungetüm auf dem Meer unter den Kindern wütet, nimmt Regisseur Ovidio Assonitis (meinetwegen auch Oliver Hellman, wenn dem das besser gefällt) immer wieder Zwischenschaltungen auf die Insel vor, wo ein Typ im Uncle-Sam-Kostüm eine Menschenmenge mit unglaublich miesen Witzen - wie auch immer - zum Lachen bringt. Der Kontrast zwischen Freude auf der einen und Entsetzen auf der anderen Seite sollte wohl mit dieser Szene ausgedrückt werden. So wie diese allerdings aneinandermontiert ist (selbst vor Stand- bzw. einfrierenden Bildern schreckt Assonitis nicht zurück - ja, hier wollte sich wohl einer echt beweisen), versprüht das Ganze lediglich allgemeine Heiterkeit.
Der funktionierende Schockeffekt gleich zu Beginn, die eine oder andere italotypisch belustigende und nicht so leicht zu vergessende Kuriosität (ich sag’ nur: Beine) sowie ganz einfach die Tatsache, daß es fürwahr noch viel Schlimmeres gibt, bewahren „Der Polyp“ vor dem Sturz in die absolute Bodenlosigkeit. Trotzdem: Allenfalls was für Genre-Komplettisten, und selbst die dürften wenig zu lachen haben. Doppel-Gähn. 2/10.