- ACHTUNG! IN DIESEM REVIEW WIRD AUF EIN HANDLUNGSELEMENT HINGEWIESEN, DAS DER ZUSCHAUER IM VORAUS NICHT ERFAHREN SOLLTE. DOCH ICH MUSS ES HIER EINBEZIEHEN, UM MEINE KRITIK VERVOLLSTÄNDIGEN ZU KÖNNEN. -
Dieser Film wird - meiner Ansicht nach - zu Unrecht von vielen als nur mittelmässig eingestuft. Der Film hat zwar Mängel, doch ist er meines Erachtens eine der besseren Verfilmungen des Romans von Robert Louis Stevenson.
Der Film ist so aufgebaut, dass Utterson zu Beginn Sara besucht und sie sich gemeinsam an Mr Hyde erinnern, von dem nur Sara weiß, dass es sich dabei ebenfalls um Jekyll handelte.
Die Verfilmung folgt grösstenteils dem Roman. Etwas zu dramatisch scheint daher die Liebesgeschichte, die sich zwischen Dr. Jekyll und Lanyons Tochter Sara entwickelt. Dieses Handlungselement wird am Schluss ausgenutzt, um die Spannung auf eine dramatische Art und Weise hochzusteigern. Denn Sara bekommt vor der Türe zum Labor mit, wie sich ihr Geliebter Dr. Jekyll erschießt.
Als am Schluss die Kamera wieder zu Utterson und Sara zurückkehrt, erfahren wir, dass Sara einen Sohn geboren hat - Henry - und der gleicht - Mr Hyde! Für einige Sekunden kann man ganz am Ende das missgestaltete Gesicht des Jungen erkennen und mag nicht entscheiden, ob es sich hierbei um einen nicht ganz ernst gemeinten Gag, um eine Parodie auf Filme wie "Das Omen" (1976) handelt, oder ob man es mit einem effekthascherischen Billig-Horrorfilm-Schluss zu tun hat.
Die Darsteller wirken überzeugend, insbesondere Michael Caine ragt heraus (GoldenGlobe- und Emmy-Nominierung).
Der ganze Film ist opulent in Szene gesetzt - und was die Darstellung von London angeht - doch ziemlich klischeehaft (Nebel, Regen, düstere Straßen, etc.). Die Kameraführung ist überaus lobenswert, alles ist schön fotografiert. Die Musik ist zwar spärlich, hinterlegt aber effektvoll die gruseligen Filmszenen.
Mr Hyde hat ein doch sehr unangenehmes Äußeres. Er gleicht ein wenig der Verkörperung von Robert DeNiros Frankenstein (1994). Anders als im berühmten Film von Ruben Mamoulian mit Frederic March (1931) ist Jekyll nicht zurückgebildet (Frederic March gleicht als Hyde einem Affen), sondern hat sich in ein Monster verwandelt, das alles Böse in Jekyll ausdrücken soll. Beides ist sinnvoll. Einerseits verwendet Jekyll in seinem Trunk ja das Medikament Reflux ("Rückfluss"), was dann für Mamoulians Version spräche, andrerseits ist Hyde die böse Hälfte von Jekyll, was wiederum diese Version von 1990 befürworten würde.
Alles in allem doch ein lohnendes Fernsehereignis - leider noch nie im deutschen FreeTV -, eine im Allgemeinen gelungene Romanverfilmung mit Spannung, Dramatik und leiser Kritik am Wahn der Wissenschaft, Gott spielen zu können.