Review

Bei der Vermarktung von "R-Point" haben die Koreaner einen entscheidenden Fehler gemacht ; dieser Film ist kein reiner Horrorfilm und will es auch nicht sein. Hier wird ein Eindruck vermittelt und damit eine Erwartung aufgebaut, die der Film nicht halten kann. Somit sei allen Gore- und Horrorfans von "R-Point" abgeraten, doch wer sich schon öfter gefragt hat, welches der schlimmste Feind des Soldaten im Krieg eigentlich ist, der sollte unbedingt einen Blick riskieren.
Er wird mit einem optisch gelungenen und schaudrig schönen Psychospiel unter Soldaten belohnt werden ; und er wird nachher wissen, dass es das eigene Gewissen eines jeden Soldaten ist, was zum schlimmsten Feind werden kann.

Der Film spielt im Vietnamkrieg im Jahre 1972. Der schweigsame und introvertierte koreanische Lieutenant Choi Tae-in ( gespielt von Kam Woo-seong ) gerät bei einem Bordellbesuch in einen Hinterhalt. Die Täterin kann er zwar erschiessen, doch sein Kamerad verstirbt an seinen Schussverletzungen. Lieutenant Choi ist berühmt berüchtigt für seine Führungsqualitäten und hat wohl schon mehr Männer auch im Einsatz verloren. Wohl auch deshalb wird er von seinem Vorgesetzten quasi erpresst ein Himmelfahrtskommando zu übernehmen.
Ein koreanischer Trupp ist schon 6 Monate auf einer kleinen Insel verschollen. Längst gelten die Söldaten als tot als ein unerwarteter Funkspruch dieser Einheit das Hauptquartier erreicht. Lieutenant Choi soll jetzt mit einer wild zusammengestellten Truppe 7 Tage lang die Gegend absuchen und das Schicksal der Kameraden klären. Grotesk ist allerdings, dass der scheinbar einzig Überlebende dieser Einheit den Tod aller anderen beschwören würde.
Wer war am Funkgerät und warum werden die Männer gerufen?
Dann gehts also los und alles sieht wie einer dieser unzähligen Vietnamschinken der Amerikaner aus. Die unterschiedlichsten Männer werden zu einer Gruppe vereinigt und auf ein Schiff gepackt, dann die Landung auf der Insel und der Marsch durch den Dschungel. Das erste Feuergefecht offenbahrt aber schon die Wende im Film. Das natürlich weibliche Opfer wird schwer verletzt nicht final getötet sondern sich selber überlassen.
Danach wird im schaudrig nebeligen Schilf ein Stein gefunden, der eine merkwürdige Inschrift trägt. Es heisst, dass jeder mit Blut an seinen Händen nicht mehr zurückkehren wird. Am nächsten Morgen stehen die Männer urplötzlich vor einem aus dem Nebel auftauchenden unheimlichen Gemäuer. Nach der Sicherung des Hauses wird dort das Hauptquartier aufgeschlagen und die Uhr beginnt zu ticken... R-Point... erster Tag.

Was wie ein normaler Kriegsfilm beginnt, mausert sich im Verlauf zu einer intelligenten Symbiose aus Psychoterror und Geisterhorror mit antikriegsmässiger Botschaft. Jeder der Männer hat Blut an den Händen und im Krieg ist jeder einzelne so schuldig wie er nur sein kann. Und jeder lernt nun langsam aber sicher sein eigenes Gewissen kennen und fürchtet sich vor Dingen die überhaupt nicht nachvollziehbar sind.
Da rufen Franzosen am Funkgerät die schon längst gestorben und begraben sind, da kommen Amerikaner die ebenfalls schon nicht mehr leben. Am Ende wird klar, dass die gesamte Truppe im R-Point auf einem Massengrab mit den unterschiedlichsten Opfern aus den unterschiedlichsten Kriegen sitzt. Die Schuld ist vielfältig, sei es die nicht erlöste weibliche Gegenerin aus dem ersten Schusswechsel oder aber der um eine Kamera betrogene Kamerad. Das Gewissen meldet sich und die Schuld beginnt die Sinne zu vernebeln, man misstraut sich gegenseitig und es bilden sich Gruppen. Man läuft in seine eigenen Fallen oder kommt durch sogenanntes "friendly fire" ums Leben, alles nebulös und eigentlich sinnlos erzählt und doch mit der unterschwelligen Aussagekraft eines Antikriegsfilms ausgestattet.
"R-Point" ist anders und er ist gut, er bedient sich der tollen Bilderkraft eines guten Regisseurs und vermischt die Genres auf interessante Art und Weise. Das Finale treibt die Botschaft und die Handlung auf die absolute Spitze und ist wahrlich ein Finale, der Wahnsinn fordert seine Opfer unbarmherzig und ohne Entkommen. Der Krieg ist halt Wahnsinn.
Nichts wird endgültig und schlüssig erklärt, die Toten, die Geister, die Rufe, alles bleibt unaufgeklärt und doch weiss man wie es zu verstehen ist. Ich mag dieses Kino, das von seinem Zuschauer eine Portion Fantasie abverlangt und ihm nicht jede Botschaft offen und direkt zugänglich offenbahrt. "R-Point" ist verschlüsseltes und nebulöses Kino, durchgehend solide gespielt und absolut gekonnt mit tollen Bildern inszeniert. Das sind starke und überdurchschnittliche 8 Punkte.

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