Review
von Alex Kiensch
Eine ominöse Ärztin für außergewöhnliche Krankheiten begrüßt den Zuschauer und stellt eine Reihe seltsamer Patienten vor: eine Familie, die sich nicht aufregen darf, weil sonst ihre Köpfe explodieren; ein Mann, dessen Bauchtumor ein eigenes Gesicht hat und wesentlich höflicher ist als der Patient selbst; ein junger Mann, dessen Tätowierung ein Eigenleben entwickelt hat und über seinen ganzen Körper wandert und den sie beim Versuch, das Tattoo zu entfernen, versehentlich häutet. Das sind nur einige Beispiele der völlig absurden Ideen, mit denen "Guinea Pig: Devil woman doctor" aufwartet.
Trotz der an sich sympathisch hemmungslosen Verrücktheit, mit der die Filmemacher selbst die lächerlichsten Vorstellungen durchziehen, dürfte es diesem Streifen schwer fallen, über wirklich standfeste Trash-Fans hinaus irgendjemanden zu begeistern. Dass "Guinea Pig: Devil woman doctor" keinerlei zusammenhängende Story erzählt, sondern nur eine Episode an die andere reiht, ist bei einer Laufzeit von knapp 50 Minuten noch zu verschmerzen, auch wenn sich bereits hier der eine oder andere Moment des Leerlaufs einschleicht.
Wesentlich schwerer wiegt die dilettantische Inszenierung: Sämtliche Schauspieler bieten unterirdische Leistungen, die meist völlig überdreht irgendwelche schrillen Typen darstellen wollen, dabei aber nur übertrieben herum kreischen oder gewollt mystischen Blödsinn erzählen. Die Spezialeffekte sind - abgesehen von der Tattoo-Szene - ebenfalls unterstes Niveau: Wenn der gefährdeten Familie die Köpfe explodieren, sind sie nicht nur als Puppen erkennbar, nein, die Mini-Sprengsätze, mit denen die Szenen realisiert wurden, lassen diese Puppen sogar teilweise brennen. Hier wurde sich nicht einmal bemüht, die Effekte echt wirken zu lassen. Auch die unappetitlichen Körperteile bei einem Menü aus Menschenfleisch sind leicht als Gummirequisiten erkennbar. So bleibt am Ende nur reichlich Kunstblut, das bei jeder Gelegenheit durch die Gegend gespritzt wird - von solcherlei Tricks dürfte sich wirklich kaum jemand ernsthaft schockieren lassen.
Dass es dem vierten Teil der berüchtigten "Guinea Pig"-Reihe nicht um Schock, sondern um völlig irren Gewalt-Slapstick geht, wird dabei natürlich schon ab der ersten Szene deutlich. Und so wird hier die Humor-Schraube mit jeder neuen Szene weiter ins Groteske gedreht. Da wird eine junge Frau kreischend durch die nächtliche Stadt von "ausgesetzten inneren Organen" gejagt; und am Schluss zeigen sich vier Patienten voller Stolz ihre skurrilen Krankheiten und stimmen ein außerirdischer Parasit in der Kotze eines Mannes und der sprechende Kot eines anderen ein kleines Liedchen an. Das alles ist so verrückt und hemmungslos trashig, dass es durchaus unterhalten könnte, wenn nicht alles so dermaßen billig und ungelenk herunter gekurbelt wäre. Und immerhin brechen in ein, zwei Szenen sogar Ansätze von Ironie durch: wenn etwa die Ärztin mit einem Mann, der an der fortschreitenden Zombie-Krankheit leidet, im Lokal sitzt und darüber diskutiert, dass finanzieller Wohlstand in der japanischen Gesellschaft so wichtig ist.
Überhaupt kann man diesen Trash-Streifen durchaus als Sinnbild der japanischen Angst vor (nicht nur) körperlichen Deformationen und der individuellen Hilflosigkeit verstehen - immer wieder betonen die Patienten, sie wollten gern ein gewöhnliches Leben führen. Aber dieses kurze metaphorische Aufblitzen kann kaum die stümperhafte Inszenierung und das Fehlen einer Story wett machen. So bleibt der vierte Teil der trashige, allzu verkrampft irrsinnige Tiefpunkt der Reihe.