Review

"Zusammen wichsen ist okay, aber bei nem kleinen Kuss gibts gleich ein Riesendrama... da soll man sich noch auskennen!" Tobias


Jetzt hat auch Deutschland einen gelungenen mainstreamkompatiblen Film zum Thema Coming Out. Nun gut es hat nur rund 20 Jahre länger gedauert als in den meisten anderen Ländern, bis man kapiert hat, dass das Thema Schwulsein nicht immer in freudlosen, uninspirierten Depressionsskizzen a la "Westler", "Coming Out" oder "Die Konsequenz" abgehandelt werden muß.

Von den Erfolgsproduzenten Claussen & Wöbke kommt ein Film der sehr deutlich in Anlehnung an "Crazy" vermarktet wird. Mit dem Film teilt "Sommersturm" nicht nur den Hauptdarsteller Robert Stadlober sondern auch die Thematik des "Coming-of-age".

Die Grundhandlung ist simpel. Der Junge Tobi, Anführer des dörflichen Ruderteams ist in seinen besten Freund Achim verliebt. Dieser hat aber nur Augen für seine Freundin. Als alle zusammen zu einem Ruderturnier fahren und dort unerwart auf ein Team schwuler Ruderer treffen, beginnt für Tobi eine rasante Selbstfindungsphase.

Beachtlich an dem Film ist nicht die Geschichte, sondern die leichtfüssige Erzählweise. Fast unverschämt offen fängt die Kamera Tobis verklemmtes Begehren ein. Zärtlich und bittersüß die Momente versteckten Anhimmelns. Die Doppeldeutigkeiten freundschaftlichen Körperkontaktes. Was für den überzeugten Hetero Achim lediglich Ausdruck inniger Kumpelhaftigkeit ist, ist für Tobi ein ständiger Balanceakt zwischen Sehnsucht und Zurückweisung.

Wunderbar die Szenen in denen allein Tobis Blicke Bände sprechen. Wenn er kurz davor war Achim zu gestehen das er schwul ist und im letzten Moment einen Rückzieher macht und vorgibt mit einem Mädchen geschlafen zu haben.

Kurz darauf tanzt Achim mit seiner Freundin, Tobi wird von der seinen auf die Tanzfläche gezwungen und knutscht pflichtschuldig mit ihr... den Blick die ganze Zeit auf den unerreichbaren Freund gerichtet.

Die Ankunft im Rudercamp und das Zusammentreffen mit der jungen schwulen Rudermanschaft "Queerschlag" wirkt für Tobi natürlich als Katalysator um sich endlich seinen Gefühlen zu stellen. Natürlich gibts Tuntengags doch der Humor schafft es Klischees auf beiden Seiten weitgehend zu vermeiden. Schwuppen wie Heten werden mit feiner Ironie gezeichnet ohne zur Karikatur zu verkommen. Die Stärke des Films sind jedoch die stillen Szenen. Wie schon in Crazy gibt es lange, nur mit Musik unterlegte Momente, die mehr über die Figuren aussagen als die bisweilen etwas hölzernen Dialoge.

Kein perfekter Film. Ein-zweimal merkt man aufdringliche Bildsymbolik, etwa wenn Tobis Gefühl Aussenseiter zu sein auch optisch durch einen umgestürzten Baum betont wird, der ihn von der Gruppe seiner Hetenfreunde trennt. Oder wenn sich einer der schwulen Ruderjungs, etwas aufgesagt klingend, fragt "Warum man als schwuler denn immer so deutlich zeigen müsste, das man schwul sei. Und warum man dauernd über Sex reden muß" Das klingt arg bemüht und didaktisch und verkorkst für einen Moment, die ansonsten gelungene Darstellung der schwulen Jugendlichen. Wer auch immer der Verfasser dieser Zeilen war, hat vermutlich nie längere Zeit mit pubertierenden Hetero-Jungen zusammen gesessen und deren Gesprächen gelauscht. Über Sex wird geredet, weil es Kerle sind, nicht weil sie schwul sind.

Ab davon - und das sind wirklich Kleinigkeiten - bleibt ein sehr gelungener Film, dem nicht nur deswegen der gerechte Erfolg zu wünschen ist, weil er vergnügliche, anrührende und witzige Feelgood-Unterhaltung liefert - sondern auch weil damit bewiesen wäre, das professionell gemacht und vermarktete Filme zu Schwuppen-Themen einen Markt haben in Deutschland. Und das es auch in Mainstreamfilmen schwule Hauptfiguren gibt, die jenseits von "Traumschiff Surprise" und dem "Bewegten Mann" liegen.

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