Review

Eine waghalsige, aber mehr als geglückte Gratwanderung ist Toshiya Fujitas „Shurayukihime“. Der Film balanciert nämlich irgendwo zwischen purem, bluttriefendem Pulp, polithistorischem Statement und wunderschöner Ästhetik, kommt dabei nicht mal ins Wanken und bekommt durch Fujitas enormen Einfallsreichtum noch eine ganz besondere Note verpasst.
Meiko Kaji ist Yuki, die von ihrer Mutter Sayo nur in dem Gedanken an Rache für ihren Mann und ihren Sohn gezeugt wurde. Der Hass ihrer Mutter ist es, den sie geerbt hat und der es ihre Bestimmung werden lässt, jenes Rachebegehren zu erfüllen. Zu einer eiskalten Mörderin ausgebildet, macht sie sich daran, die Peiniger ihrer Mutter aufzuspüren um sie auf wahrlich unsanfte Weise ins Jenseits zu befördern, sie wird zu Shurayuki-hime – der Blutschneeprinzessin.
Basierend auf den Manga von Kazuo Koike, der auch schon Vorlagenlieferant für „Crying Freeman“ und die „Okami“-Filme war, kann man sich also auf ein bluttriefendes Gewaltepos einstellen, in dem Gliedmaßen fliegen und Arterien zu Springbrunnen umfunktioniert werden. Doch trotz den gewaltigen Blutfontänen ist der Film weit vom Trash-Faktor eines beliebigen B-Movie entfernt, da Fujita durch seine Inszenierung, die wunderschönen Bildkompositionen und wunderbare Farbsymbolik für eine geradezu poetische Stimmung sorgt. Yuki ist stets bleich geschminkt, in weiße Kleider gehüllt, geboren in einer verschneiten Nacht – weiß, nicht als Farbe der Unschuld, sondern als japanische Trauerfarbe, sinnbildhaft für den Tod stehend, verleiht Yuki die Aura eines geheimnisvollen Todesengels, der sich leichtfüßig und selbstsicher bewegt – und nicht zuletzt sollte man erwähnen, dass sogar ihr Name übersetzt „Schnee“ bedeutet. Und mal ganz abgesehen von dieser Farbsymbolik sind die Rot-Weiß-Kontraste – seien es die Blutspritzer im Schnee oder Yukis blutdurchtränkte Gewänder – einfach mehr als stylish. Jawohl, optisch ist dieser Film der reinste Leckerbissen, an dem man sich nur schwer satt sehen kann.
Hinzu kommen die politischen Untertöne, da die Geschichte etwa zwanzig Jahre nach Beginn der Meiji-Ära angesiedelt ist. Die von der neuen Regierung angestrebten Reformen und die damit einhergehende Adaption an westliche Systeme und Werte werden von der Bevölkerung mit gewalttätigen Aufständen erwidert, die auch erst den Hintergrund der Bluttat an Sayos Mann und Sohn liefern. Und so kann man Yuki, von ihrer Mutter bei der Geburt „Kind der Vergeltung“ genannt, auch als ein Kind dieserr Zeit sehen, deren Hass - aber auch deren Zweifel, die sie im Laufe des Films immer wieder plagen - auch gleichzeitig den Hass der japanischen Bevölkerung widerspiegelt.
Einer der wichtigsten Bestandteile bei Rachefilmen ist allerdings bei aller Action und visuellen Raffinesse noch immer die Hauptperson, welche mit Meiko Kaji nun wirklich nicht besser besetzt sein könnte. Überhaupt schon revolutionär für einen Chambrafilm der 70er Jahre, dass eine Frau hier das Schert schwingen darf, verleiht sie ihrer Rolle eine gewisse Anmut und Eleganz, durchbohrt aber gleichzeitig sowohl ihre Gegner als auch den Zuschauer mit ihren tödlichen Blicken. Und wer von ihren Blicken noch nicht elektrisiert ist, bekommt noch den wundervollen, ebenfalls von ihr gesungen Titelsong „Shura no hana“ – was übersetzt in etwa „Blume der Verwüstung“ bedeutet – dazu.
„Shurayukihime“ ist ein großartiger Klassiker des japanischen Kinos, voller beeindruckender Aufnahmen und morbid-ästhetisierter Gewaltszenen, der auch nach mehr als dreißig Jahren nichts von seiner Brillanz eingebüßt hat. Definitiv ein Muss.

Details
Ähnliche Filme