Zwei Kleinkriminelle und ein begabter, wenn auch leicht perverser Hacker aus Mexiko City haben einen Deal mit der russischen Mafia: Sie sollen die Zugangscodes für die Konten einer großen Schweizer Bank beschaffen, dafür winkt ihnen ein Haufen Diamanten. Eigentlich kein Problem für das Computergenie Lolo, wenn der nicht gleichzeitig seiner hübschen Nachbarin mit versteckten Kameras und einer ausgefeilten Telefonüberwachung nachstellen würde. Als die gute nämlich herausfindet, daß ihr netter junger Nachbar eine ausgeprägt voyeuristische Ader besitzt, dreht sie durch und verwüstet dessen Arbeitszimmer. Als dann der Zeitpunkt der Übergabe gekommen ist, greift Lolo die falsche CD-ROM und statt der erhofften Zugangsdaten erhalten die Russen nur ein paar Nahaufnahmen aus dem Alltagsleben von Lolos Nachbarin. Beide Seiten wittern Verrat und stürzen sich ins Gefecht. Doch bald interessiert sich auch die geldgierige Frau des örtlichen Friseurs für die Diamanten, und ein Apothekerpärchen wird auch noch in die Sache reingezogen. Und Lolo kann nichts weiter tun, als mit anzusehen, wie seine kleine Schusseligkeit immer blutigere Ausmaße annimmt...
Wenn in Filmbesprechungen derartig oft der Name Quentin Tarantino fällt, wie im Falle von "Nicotina", sollte man sich eigentlich auf das schlimmste gefasst machen - schon wieder ein Versuch, mit coolen Sprüchen, coolen Gangstern und Gewaltexzessen auf den (längst abgefahrenen) Pulp Fiction-Zug aufzuspringen. Wie erfreut war ich da, als ich in "Nicotina" zwar all das wiederfand, doch zu mehr als einer leichten Verneigung in Richtung Tarantino (dessen Werk ja ohnehin zum Bildungskanon des zeitgenössischen Kinos gehört) ließ sich Hugo Rodriguez nicht hinreißen.
Zum einen sind seine Charaktere dazu viel zu unsicher in ihrem Auftreten: hier gibt es keine durchgestylten Gangster a la Vincent Vega oder Bill, hier finden sich nur ein paar Möchtegern-Kriminelle zusammen, die in alle möglichen und unmöglichen Fettnäpfchen treten und dabei eher überfordert und deplatziert wirken, als cool und überlegen. Zu dieser angenehmen Normalität der Charaktere gesellt sich zum anderen die anarchische Lust am Scheitern, an der Verkettung unglücklicher Umstände, die Rodriguez hier zelebriert, und die in einem Tarantino-Film in dieser Form gar nicht funktionieren würde. Eher drängen sich hier Vergleiche zu Klassikern wie "Ladykillers", oder aber zu dem (in dieser Hinsicht nach wie vor unerreichten) französischen Meisterstück "Delicatessen" auf. Es macht einfach Spaß, mit anzusehen, wie sich diese Lawine von Mißgeschicken langsam in Gang setzt und im Verlauf des Filmes immer größere Ausmaße annimmt, immer mehr Opfer fordert und am Ende einfach alle Charaktere unter sich begräbt.
Natürlich setzt "Nicotina" oft auf altbewährtes, und daß Rodriguez seine Hausaufgaben in puncto raschen Schnitten und Kamerafahrten manchmal etwas zu brav gemacht hat, läßt sich auch nicht leugnen, doch das tut in meinen Augen dem Unterhaltungswert dieses Filmes keinen Abbruch.
Für einen amüsanten Filmabend bestens geeignet!