US-Präsident Evans muss das Amt des Vize-Präsidenten neu besetzen, und eigentlich(!) kommt dafür nur Gouverneur Hathaway in Frage. Der hat vor kurzem versucht, bei einem Autounfall einer jungen Frau das Leben zu retten, und wird jetzt als Held gefeiert, auch wenn er tatsächlich hilflos zuschauen musste wie die Frau starb. Aber wegen eben genau dieser Hilflosigkeit entscheidet Evans sich gegen Hathaway und für die demokratische Senatorin Laine Hanson. Man könnte nun annehmen, dass dies keine große Sache ist: Hanson wird vor einen Kongressausschuss geladen, wird bezüglich ihrer politischen Meinung ordentlich ins Kreuzverhör genommen, und anschließend bestätigt. Aber der Vorsitzende des Ausschusses, der republikanische Senator Runyon, hasst Evans – Er wäre selber gerne Präsident anstelle von Evans geworden, und jetzt ist die Stunde der Rache gekommen: Evans‘ Schützling Hanson wird dem Fleischwolf übergeben. Runyon findet eine wilde Sex-Story aus Collegezeiten, und anstatt Hanson mit Fragen zu ihrer liberalen Einstellung zu bedrängen, schüttet er einen Kübel Scheiße auf Basis eines angeblich wilden Pornolebens über ihr aus. Und als der Präsident trotzdem noch zu ihr hält, läuft er erst richtig zu Hochform auf, und aus Scheiße wird Gift.
Ein Lehrstück darüber wie (nicht nur amerikanische) Politik gemacht wird. Oder anders ausgedrückt: Es gab da in Deutschland mal einen Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Thema NSU. Dessen Vorsitzender, Sebastian Edathy, begann recht früh, unangenehme Frage zu stellen und die Kompetenz der ermittelnden Behörden sehr ernsthaft und in aller Öffentlichkeit zu bezweifeln. Seine Fragen bezüglich des NSU waren erheblich klüger und durchdachter als die damalige gesamte Ermittlungsarbeit der Polizei und des Verfassungsschutzes. Welch Wunder, dass sein Name urplötzlich im Zusammenhang mit Kinderpornografie fiel, und dass er über seinen Bundestags-Laptop angeblich pädophile Bilder im Internet bestellt haben soll. Edathy konnte seine Unschuld zwar beweisen, doch seine politische Karriere war zerstört, von seinem Leben mal ganz zu schweigen. Und das mit dem NSU-Ausschuss war natürlich auch vorbei, harmlosere und willfährigere Leute konnten die Aufgabe übernehmen: https://de.wikipedia.org/wiki/Edathy-Aff%C3%A4re.
Rufmord also. Auch wenn vor allem gegen Ende entsetzlich viel Pathos durchs Bild weht. Auch wenn Jeff Bridges den Präsidenten sehr hemdsärmelig als eine Art kultivierten Donald Trump mit Hang zum Käsebrot gibt. Und auch wenn Kenntnisse amerikanischer Politik und Verwaltung zum Verständnis des Films hilfreich sind. Trotz dieser Kritikpunkte ist der Film vor allem eines: Bitter, aber nicht moralinsauer. Gary Oldman gibt den hasszerfressenen Senator mit einem unglaublichen Hang zur Jauchegrube, und Joan Allen positioniert sich ihm gegenüber als Frau(!) die nicht bereit ist ihre Prinzipien zu verraten. Das Entsetzen darüber, wie wir “regiert“ werden, bleibt einem öfters einmal quer im Halse stecken. Dass es solche Menschen wie Laine Hanson gibt kann mit ziemlicher Sicherheit belegt werden, aber solche Typen wie Runyon, die eine Abtreibung allen Ernstes mit dem Wort Holocaust belegen, sind wahrscheinlich eher die Regel als die Ausnahme. Von daher ist RUFMORD trotz seiner Schwachpunkte (wenig Dynamik, schwache Spannungskurve) durchaus sehenswert. Ein, mit gigantisch aufspielenden Darstellern garniertes, bitter-trauriges Stückchen Realität in Filmform.