Review

Oh, ein Experiment. Seit Moritz Bleibtreu's Knastexperiment und verschiedenen medizinischen Versuchskaninchen-B-Movies bin ich bei solchen Plots immer sehr zurückhaltend. Mehrfach habe ich daher überlegt: greif ich zu und hol mir die DVD oder nicht? Der Plot klingt irgendie doof, aber Ray Liotta und Willem Dafoe sind halt schon zwei gute Argumente. Und mindestens zwei weitere gute Argumente hat Michelle Rodriguez. Wupps. Und da hat der Schlafzimmerbett mal wieder zugegriffen. Fehlgriff?

Um es gleich vorwegzunehmen: NEIN. Nein! Im Gegenteil. "Control" ist packend, fesselnd, wartet mit einer gelungenen Story auf, tollen Schauspielern und einem ergreifenden Score. Der Plot ist geradlinig und bietet trotzdem genau die richtige Menge an Überraschungen um die Spannung auf Trab zu halten.

Lee Ray Oliver (Ray Liotta) ist ein durchgeknallter Psychopath der auf alles schießt was ihm im Weg steht. Doch irgendwann macht jeder Fehler. Ein Blutstropfen eines unbeteiligten Opfers überführt ihn - ihm wird die Todesstrafe verhängt. Doch nach der Giftspritze, oh wunder, wacht er nicht in der Hölle auf sondern in einem medizinischen Labor. Er ist auserwählt bei einem Experiment teilzunehmen: Ein Medikament das die Psyche positiv verändert soll an ihm getestet werden. Der Behandlungserfolg stellt sich zur Überraschung der Beteiligten tatsächlich ein. Und bald schon darf sich der Mörder wieder frei bewegen und unter "Realbedingungen" seinen veränderten Charakter unter Beweis stellen.

Nun, mehr möchte ich gar nicht verraten. Denn das darüber hinausgehende ist genau das, was überrascht und tatsächlich neu ist in diesem Genre. Doc Copeland (Willem Dafoe) ist ein super Gegenpart zu Lee Ray und wurde als Charakter sehr gut eingeführt. Glaubhaft verkörpert Dafoe seine Rolle und wird dem Anspruch mehr als gerecht. Überhaupt auffallend: auch die Nebenrollen werden schön eingeführt und entwickelt, hier haben sich die Damen und Herren Drehbuchschreiber endlich einmal wieder richtig Mühe gemacht sauber und ruhig Charaktere zusammen zu basteln. Ray Liotta selbstredend kann genauso überzeugen und begeistern, sowohl als brutaler Mörder zu Beginn wie auch später als veränderter Charakter. Doch auch die Nebenrollen wie Copelands Ehefrau Barbara oder dessen Geliebte Eden Ross, Vorstandschef Stephen Rea und das hauseigene Sicherheitspersonal sind Figuren die nicht nur gut geschauspielert werden sondern auch die nötigen Grundvoraussetzungen mitbringen um viel aus diesen Rollen heraus holen zu können. Und danke, an alle: es funktioniert.

Auch viele Details im Film sind schön eingearbeitet. Ob die Anordnung der Überwachungskameras, die vorsichtige Annäherung zwischen Lee Ray und Teresa die doch überzeugender ist als diese völlige Liebe auf den ersten Blick und wildes übereinander Herfallen nach kurzem Blickkontakt, die kurze Kamerasequenz am Schluß des Drama's als die Polizei sichtbar das Sicherheitspersonal festnimmt - das sind nette Goodies die sehr feinfühlig ausgearbeitet wurden und sich schlüssig ins Gesamtbild integrieren. Besonders lobenswert weil es einfach auch ganz anders hätte laufen können wie bei so vielen plumpen und doch erfolgreichen Hollywoodproduktionen. Oh nein, trotz hartem Anfang herrschen hier die sanften Töne, lebt der Film durch einen ergreifenden Plot.

Ein Film der zwar nicht die Welt verändert aber zum Nachdenken anregt, gut unterhalten kann, spannend ist und hoch dramatisch, nicht zuletzt weil in jeder Sekunde nachvollziehbar. Achja: Und ein bißchen wohldosierte nicht übertriebene Action in genau dem richtigen Maß ist auch nicht verkehrt.

(10/10)

Details
Ähnliche Filme