Review

„Das ist die letzte Gelegenheit, etwas Gutes in Ihrem Leben zu tun, Mr. Oliver – die Chance, der Gesellschaft etwas zurückzugeben.“

Von US-Regisseur Tim Hunter („Das Messer am Ufer“) stammt die Thriller/Drama-Mischung „Control – Du darfst nicht töten“, eine US-amerikanisch-deutsche Produktion aus dem Jahre 2004.

„Scheiß auf die Gesellschaft!“

Lee Ray Oliver (Ray Liotta, „GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia“) ist wegen Mordes zum Tode verurteilt, erhält aber die Möglichkeit, am Leben zu bleiben, wenn er sich einem Experiment zur Verfügung stellt: Lässt er sich das von Dr. Michael Copeland (Willem Dafoe, „Der blutige Pfad Gottes“) neuentwickelte Präparat „Anagress“ injizieren, soll dieses bewirken, dass aus dem Gewalttäter und Kapitalverbrecher ein friedliebendes Mitglied der Gesellschaft wird. Lee Ray willigt ein und das Medikament scheint tatsächlich anzuschlagen. Oder macht Lee Ray nur allen etwas vor…?

„Der Typ ist ein Bilderbuch-Soziopath!“

Die fingierte Hinrichtung per Giftspritze zu Beginn ist starker Tobak, die Lee Rays Tätowierungen abfahrende Kamera hingegen wühlt tief im Klischee: Tattoos – gefährlich – Knacki. Als er die Spritze bekommt, läuft sein Leben in Form visualisierter Flashbacks vor ihm ab, nicht frei vom nächsten Klischee: eine (später im Dialog vertiefte) schwere Kindheit, die in zahlreiche brutale Straftaten inklusive Morde mündet. Zwischenzeitlich scheint auch Dr. Copeland ein Gewaltproblem zu haben, was der Film aber zunächst nicht mehr aufgreift. Man verändert Lee Rays Aussehen und entfernt seine Tattoos. Und tatsächlich scheint er erstmals Reue zu zeigen, als er an sein Opfer Gary Caputo (Mark Pickard, „Gothic“) denkt, der „zur falschen Zeit am falschen Ort“ war. Ein auf seine Schulter fallender Bluttropfen Caputos ist ein wiederkehrendes Bild, das ihn verfolgt. Man legt Lee Ray elektronische Fußfesseln an und entlässt ihn unter neuer Identität und unter ständiger Überwachung in ein normales Leben.

Lee Ray findet sofort einen ersten Aushilfsjob, scheint aber ein falsches Spiel zu spielen und etwas im Schilde zu führen: Er bunkert seine Pillen und besorgt sich eine Waffe. Während man sich noch wundert, hält die Handlung eine Überraschung parat: Gary Caputo ist gar nicht tot, er wurde seinerzeit lediglich angeschossen. Der Film hatte einen bewusst aufs Glatteis geführt, zumindest ein bisschen, denn Folgeschäden hat Caputo in jedem Falle davongetragen: Seit dem Kopfschuss ist er ein geistig behinderter Simpel. Lee Ray, der jetzt Joe heißt, besucht ihn und ist überaus nett zu ihm. Die sich noch rätselhaft entwickelnde Dramaturgie wird urplötzlich von einer Charakterisierung Doc Copelands unterbrochen, der, wie wir jetzt erfahren, geschieden ist und seinen kleinen Sohn durch eine Revolverkugel verlor.

Dies zögert aber lediglich die eigentliche Essenz des Films hinaus: Gary Caputos Bruder Bill (Tim DeKay, „Passwort: Swordfish“) sinnt auf Rache, sucht Lee Ray alias Joe und findet ihn schließlich. Auf eine leichte Actioneinlage auf einem Rummelplatz folgt eine deftige Actionsequenz, in der Joe von Bill Caputo entführt wird. Bill erschießt dabei einen Wächter und nimmt Joe die Fußfesseln ab. Da alles danach aussieht, als habe Joe den Wächter erschossen, wird er zum Abschuss freigegeben, Nun ist der Film in seinem Element, setzt verstärkt auf Action, die sich in Schießereien, Kfz-Verfolgungsjagden, Crashs und Unterwasser-Stunts bahnbricht.

„Control – Du darfst nicht töten“ ist ganz gut getimt, wird nicht langweilig und wartet mit einer überraschenden Wendung im Finale auf. Auf dieses folgen ein dramatischer, tragischer Ausgang und ein kitschiger Epilog. Das Erscheinungsbild ist rau; das namhafte Schauspielensemble weiß, was es zu tun hat, und gibt sich kaum eine Blöße. Ein Film über Resozialisierung, wenn man es so nennen will, der bewusst zahlreiche Finten legt und sich bierernst gibt, mit seinen Nebenfiguren aber in erster Linie Zeit zu schinden scheint und dessen Prämisse – Läuterung durch Medikamente – ziemlicher Humbug ist. So etwas kann man in einer Satire à la „A Clockwork Orange“ anbringen, nicht aber in einem Action-Thriller, der ernstgenommen werden will und zuweilen eher unbeholfen wirkend zum Drama umschwenkt. Ein etwaiger Subtext um Aussöhnung und die Fähigkeit zu verzeihen geht dabei völlig unter.

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