Review

Eine ordentliche Bewertung zu Singapore Sling zu verfassen, ist in der Tat nicht ganz einfach. Zu konträr stehen sich die Aspekte, anhand derer man gemeinhin Qualität zu bewerten trachtet, gegenüber.
So ist der Aspekt der Kohärenz und der Tiefgründigkeit hier doch eher schwach vertreten.
Die Mixtur aus verschiedenen Stilrichtungen wird nämlich auch bei diesem Film mal wieder zu einem Problem: Für einen Thriller ist Singapore Sling zu unspannend, zu handlungsarm und psychologisch nicht sonderlich ausgearbeitet (auch wenn er das mit aller Macht zu sein versucht). Für einen Sexploitationfilm scheint er mir, trotz aller Explizität und Extremität, doch zu zaghafter Natur zu sein und die sexuelle Komponente hat – obgleich sie einen Großteil des Zeitrahmens einnimmt – doch eher nebensächlichen Charakter. Darüber hinaus stört die gespenstergleiche Passivität des misshandelten Mannes ganz gewaltig. Allein horrorfilmtypische Elemente sind aufgrund der (wirklich ekelhaften) Ekelszenen, des (nahezu ins Ästhetische hinein ausgearbeiteten) Eingeweidematsches, den man hier zu Gesicht bekommt, sowie auch des gut gelungenen aber durch eine übertrieben lange melodramatische Sterbeszene wieder ins Lächerliche gezogenen Endes recht angemessen vetreten. Dafür fehlen eigentliche Schreckeffekte. Als Kriminalfilm kann Singapore Sling überhaupt nicht durchgehen, auch wenn es hier einen Detektiv und eine verschwundene Frau und einen Mordfall im Haus am See gibt. Ein wenig albern ist auch die Tatsache zu nennen, dass die beiden augenscheinlich gleichaltrigen Protagonistinnen Mutter und Tochter darstellen sollen. Hier kommt das seit der Antike bekannte, über die Nibelungensage weitergereichte und auch von Freud noch nicht als solches erkannte idealisierte Konstruktum der Frau als ewigem Geschlechtsträger ohne Alterungserscheinungen zu tragen, um damit einen weiteren (nämlich einen inzestbasiert-ödipalen) Schockeffekt zu erzielen.
Die Filmhandlung zieht sich träge und schwerfällig dahin, was sich allerdings damit rechtfertigen lässt, dass sich die Werke aus der Film-Noir-Zeit, denen Nikolaidis hier nachzueifern trachtet, im Allgemeinen mehr Ruhe mit der Geschehensentwicklung lassen, und die Langatmigkeit dem Werk dann doch zu einer höheren Authentizität verhilft. Das bedeutet allerdings nicht, dass manche Szenen – insbesondere die Essszenen – nicht doch besser etwas kürzer hätten ausfallen sollen.

Hinsichtlich seiner visuellen Ausgestaltung, seiner musikalischen Untermalung und seiner Kameraführung ist Singapore Sling freilich einen Wucht. Gleiches gilt für die Leistungen der Schauspieler, insbesondere der beiden Hauptdarstellerinnen. Kulisse und Maske sind absolut stimmungsvoll und überzeugend. Dies sind allerdings Gesichtspunkte, die Tiefgründigkeit und Kohärenz entstehen lassen und damit die obgenannten Defizite wieder ausgleichen.

Fazit:
Man sollte diesem Film nicht aus einer bestimmten Erwartungshaltung heraus begegnen, sollte sämtliche Einordnungen außer der des Film-Noir-Stils außer Acht lassen; also keinen Thriller, keinen Krimi, keinen Horror- o. Exploitation-Streifen erwarten, ebensowenig ein Drama, sondern Singapore Sling eher als antibürgerlich-dekadentes Kammerspiel ohne eigentliche Zuordnung ansehen. Und als ein solches hat er durchaus eine hohe Punktzahl verdient.

("hohe Punktzahl" heißt allerdings nicht, dass ich diesen Film empfehlen möchte. Dazu ist er insgesamt doch zu affreux, bedarf einer sehr hohen Differenzierungsfähigkeit).

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