Fast zwei Stunden (Erzählzeit) lang foltern zwei Frauen einen vor Schreck verstummten Privatdetektiv, der seine einstige Geliebte namens Laura sucht. Als er in einem heruntergekommenen, dekadenten Haus ankommt, in dem eine Mutter, ihre Tochter und der mumifizierte Vater wohnen, wird er gefesselt und für die bizarren Spielchen der beiden Frauen in Beschlag genommen. In diesen Folterspielchen besteht fast die gesamte Filmhandlung. Dass die Tochter sich ab und zu als Laura ausgibt, ist Teil eines absurden Rollenspiels, von dem nicht klar wird, ob die beiden vielleicht zeitweise selbst daran glauben.
Die Verbindung zwischen dem Fall und den beiden Frauen scheint darin zu bestehen, dass die echte Laura offenbar von ihnen als Hausmädchen eingestellt, dann getötet und ausgeweidet wurde. Diese Szene wird auch nachgestellt, wobei die Rolle der Laura, wie auch im weiteren, von der Tochter übernommen wird. Im einem Moment wird sie als "Laura" von der Mutter getötet, im nächsten ist sie bereits wieder die Tochter und beteiligt sich an der Ausweidung (die darin besteht, dass vermutlich echte Tiereingeweide nacheinander auf einen Tisch gelegt werden. "Splatter" oder "Gore" ist das definitiv nicht und in diesem Film auch nicht vorhanden, was keine Kritik, sondern nur eine Feststellung sein soll).
"Singapore Sling" ist ein Verwirrspiel, das durchgehend an lediglich drei Schauspielern ausgerichtet ist. Den mumifizierten Vater zähle ich jetzt mal nicht dazu, obwohl auch in diesem Zustand seiner Tochter noch einigen Spaß bereitet. Besonders bei der Tochter, der komplexesten der drei Persönlichkeiten, weiß man nie, ob sie eine Rolle für sich, für den Detektiv oder im eigentlichen Sinne spielt. Ich scheue mich allerdings davor, dieser Frage allzuviel Bedeutung beizumessen, da ich mich frage, ob man das Werk von Nikos Nikolaidis damit nicht schon überbewertet. 112 Minuten lang verschnüren sich wenige Leute gegenseitig in sadomasochistischer Weise, stopfen sich Essen in den Mund, um es wieder auszuspucken, zeitweise wirkt das etwas peinlich und der Schockcharakter bleibt bei mehrmaliger Wiederholung des Schnürens und Ausspuckens auch auf der Strecke. Daneben ist der Film auch sehr freizügig, gewährt aber geschickterweise immer nur kurze Einblicke.
Jedoch hat der Film auch Vorzüge, die zumindest in der sehr ansehnlichen Aufbereitung von "Synapse Films" voll zur Geltung kommen. Das Haus zusammen mit seinen Bewohnerinnen schwelgt gewissermaßen in Verkommenheit und ist in dieser Hinsicht durch hochartifizielle Schwarzweißfotografie vorzüglich in Szene gesetzt. Auch was die klassisch-dezente musikalische Untermalung angeht, blamiert man sich nicht. Dass aber letztlich eine Handlung im vordergründigen Sinne nicht stattfindet und man im Grunde alle Szenen auch nach Belieben neu anordnen könnte, wirft die Frage auf, ob Herr Nikolaidis nicht einfach einen schönen Bildband anstelle eines Films daraus hätte machen sollen.
Auch die Unverbindlichkeit, die sich aus dem Rollenspielcharakter der Handlungsdarstellung ergibt, wirkt sich so aus, dass man als Zuschauer dem ganzen Zirkus gegenüber auch irgendwann recht gleichgültig wird. Es ist den Figuren egal, wenn ihnen ins Gesicht uriniert wird, es berührt sie nicht, wenn sie erstochen werden. Nichts ist echt, alles ist austauschbar - emotionale Beteiligung lässt sich da nur sehr schwer aufbringen. Der Off-Monolog des Detektivs reiht Phrasen aneinander, die mit der morbiden Wucht der Bilder nicht mithalten können. Die Dialoge zwischen Mutter und Tochter geraten durch das mühsam artikulierte Englisch und durch sinnlose Extravaganzen - die Tochter scheint generell ein Problem mit flüssigem Sprechen zu haben, die Mutter wiederholt viele Sätze noch mal auf Französisch - zur Nervenprobe.
Ich rate zur Vorsicht vor diesem Film. Er hat keine Geschichte zu erzählen, sondern ergötzt sich an morbiden Fetischen. Zwar in Bildern, die sich sehen lassen können, doch ich war auch ein bisschen froh, als er dann irgendwann mal zu Ende war.