Review

Zwei Brüder kehren nach Jahre langer Abstinenz in ihr verschlafenes englisches Heimatnest zurück. Bald wird jedoch klar, dass sich die beiden nicht der guten, alten Zeiten wegen zu diesem Rückschritt entschlossen haben. Die Beiden haben nämlich mit ein paar zwielichtigen Gestalten noch ein Hühnchen zu rupfen…

Zwei Brüder – der eine ein robuster, bärtiger Griesgram, der andere ein scheuer und untersetzter Spastiker – kurieren schlimme Erinnerungen, alte Traumatas und vernebelte Drogendealer und Dorfschläger mittels Hackebeil und Küchenmesser:
Klingt doch nach einem grundsoliden Rache-Thriller, oder!?
Doch DEAD MAN’S SHOES ist sogar mehr als das:
Was auf den ersten Blick wie eine etwas bessere Low-Budget-Produktion artet, entpuppt sich nämlich nach und nach als kluger, gekonnter und überaus stimmiger Hate & Revenge-Thriller, welcher sowohl mit einem rigoros kompromisslos vorgehenden Racheengel, als auch mit Klangtäler voll ruhiger Momente aufwarten kann. Nicht schlecht, Herr Specht…

Oh ja, hier hat man sich ausnahmsweise mal tatsächlich auf das konzentriert und beschränkt, auf was es, wenn’s drum geht einen sehenswerten und anspruchsvollen Film hin zu kleistern, wirklich ankommt und zwar:
- glaubwürdige Darsteller, die in ihre Rollen passen
- ein gut ausgeklügelte Story mit Pfiff
- und einen Schuss Tiefgang und Emotion, aber bloß nicht zuviel…

Mehr hat DEAD SHOES in der Tat nicht zu bieten… und das ist auch verdammt gut so!
Von Kitsch, Knutsch und Tratsch bleibt man hier genauso verschont wie vor aufgeblasener „TADAA!!! Hier bin ich!!!“-Heroik, nerviger Effekthascherei, blitzigen Schnitten, bluttriefenden Morden und porno-mäßigen Sexorgien.
„Ohhh!“ werden da jetzt zwar die Podolski-Fans grunzen, wer den Streifen jedoch mit dem Herzen eines sich vom Rudel losgelösten Steppenwolfes guckt, dem wird der „Vibe“ des Streifens bestimmt Flügel verleihen (…? – hm, das Bier schien doch noch gut zu sein!?).
Mit was der Film punktet, sind nämlich ganz klar die feinfühligen Momente zwischen unserem Rächer und seinem geistig leicht minderbemittelten Bruder,
die brachial aufs Gemüt schlagende Tristesse, die mit jedem Atemzug des kleinen Rachefeldzugs einhergeht
und die Kulisse in der jener sich zuträgt.
Schauplatz des Thriller-Dramas ist nämlich die karge, raue, wenngleich auch saftige, urtümliche und verwilderte Hügel- und Wiesenlandschaft der Englischen Pampa.
Ich weiß nicht, vielleicht muss man speziell geartet sein, um sich von solcher Schlichtheit derartig beflügeln lassen zu können, bei mir für meinen Teil entspannt sich jedenfalls, wenn unsere beiden sympathischen Heimkehrer über diese „Kerrygold-Wiesen“ (ups, die sind ja eigentlich irisch…) schlendern, jeder einzelne Muskel und mein Hirnwasser plätschert nur mehr halb so laut (…).

Egal! Was ich mit diesem Konglomerat an kaputten Verbildlichungen zu sagen versuche, ist just, dass es sich bei DEAD MAN’S SHOES um ein wahrlich überaus geglücktes Low-Budget-Movie handelt, dass allerdings in so ziemlich jeder Hinsicht sämtliche A-Movies mit links in die Tasche steckt. Sein Erzählstil, der mit eben jener düsteren Gelassenheit ans Werk geht, sieht so aus, dass während des eigentlichen Geschehens immer wieder in Flashbacks abgetaucht und Stück für Stück der Grund für den Rachefeldzug preisgegeben wird.
Den ganzen Film hadert man, ob es wirklich gerechtfertigt ist, dass unser Protagonist eine Horde widerwärtige, im Griunde aber relativ harmlose Kleinkriminelle niedermetzelt.
Lasst mich aber, der das alles ans Tageslicht der Erkenntnis fördernde Finale mit der 180°-Wendung bereits gesehen hat, sagen: Dieser Kerl hat seine Rache verdient...

Ein echter Chiller-Thriller also. Wo andere in Make Up ersaufen, paddelt dieser herbe Naturbursche lässig mit geschlossenen Augen auf dem Rücken treiben in einem eisig kalten Gebirgssee, was uns alte Finnen jedoch nur abhärtet…
…wo ich, da das Schlagwort gerade gefallen ist, noch mal kurz vorm Zieleinlauf in den Boxenstopp einbiegen und das Thema „Gewalt“ zur Sprache bringen möchte:
Wie hoch spritzt hier der Zirbeldrüsensaft also?
Ich will’s mal folgendermaßen ausdrücken: Allzu zart besaiteten Gemütern könnte durchaus ein-zwei Mal die Futterluke offen stehen bleiben, ansonsten wird sich hier aber eher human gerächt und die Morde, von denen sich viele im Off abspielen, und ihr Gore-Pegel stehen nicht wirklich im Zentrum des Geschehens, im Gegenteil…

So, somit müsste so ziemlich alles gesagt sein. Mein Urteil daher:
Sehr dezenter, fast schon minimalistischer Thriller, auf der andern Seite aber so pessimistisch, drastisch und kompromisslos, dass er dem Englischen Wetter alle Ehre macht. Mit Köpfchen und Herz und in seiner Schlichtheit wahrlich brachial…
Fazit:
Der Englische „Oldboy“? – Nein. Aber es fehlt nicht viel…

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