In Zeiten in denen US Pay-TV-Sender wie HBO für dreistellige Millionenbeträge Fernsehserien produzieren, die vom Aufwand her manch einen Kinoblockbuster in den Schatten stellen, muss man sich fragen, welche Aussagekraft die Etikettierung als TV-Produktion noch hat. 1991 war das noch anders. 1991 erhielt der Autor Stephen Gallagher eine Anfrage von Anglia TV, zwecks einer TV-Adaption seines 1982 erschienenen Romans "Chimera" und egal als wie gelungen man das Resultat im Endeffekt betrachtet, das TV-Format sieht man der Literaturverfilmung jedenfalls jederzeit an. In der ofdb ist die Miniserie unter dem Genre Horror eingetragen, zutreffender wäre die Kategorisierung als Science-Fiction-Thriller mit gelegentlichen Ausflügen in den Horror-Bereich.
Sowohl der englische Alternativtitel als auch der reißerische deutsche Titel liefern bereits Anspielungen wohin die Reise geht, die größte Spoilerwirkung entfaltet jedoch das Cover der UK DVD von Revelation Films, welches effekthascherisch das Geheimnis um die mysteriöse Jenner Klinik visualisiert, eine Enthüllung, die in der insgesamt vierteiligen Serie erst in der dritten Episode vorgesehen war. Allerdings musste die ursprünglich ausgestrahlte Fassung einige Kürzungen hinnehmen und erst die DVD Veröffentlichung erlaubte es, die Serie wie ursprünglich vorgesehen in voller Länge zu präsentieren.
Tracy Pickford findet eine Anstellung als Krankenschwester in der Jenner Clinic, einer Anlaufstelle für Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch. Schon bald wird jedoch augenscheinlich, dass dies nicht der einzige Zweck der Einrichtung ist, sondern dass dort auch noch geheime Forschungen durchgeführt werden. Als es zu einem schrecklichen Zwischenfall in der Klinik kommt, beginnt der Journalist Peter Carson Nachforschungen anzustellen, die erst nach und nach die ganze Tragweite der geheimen Forschungen enthüllen.
Wie bereits erwähnt sieht man "Chimera" quasi jederzeit an, dass es sich um eine Fernsehproduktion handelt. Als puristisch könnte man die Ausstattung bezeichnen oder aber weniger wohlwollend als spartanisch, typisch britisch auf jeden Fall. Exemplarisch könnte man auf die Ausgestaltung des geheimen Forschungstraktes der Klinik verweisen. Angesichts der Tatsache, dass selbst höchste Regierungskreise in das Projekt verwickelt sind, darf man sich ein wenig über die Laboreinrichtung wundern, die eher an die Praxis eines Landarztes erinnert. Überhaupt fällt auf, dass durch das Budget der Rahmen des Machbaren klar abgesteckt wurde. Die Anzahl an Drehorten ist sehr überschaubar, so dass selbst bei den Außenszenen immer wieder auf die gleichen Locations zurückgegriffen wurde. Auch sollte man kein Feuerwerk an Spezialeffekten erwarten, was durch eine interessante Kameraführung und gelungenes Pacing jedoch aufgefangen wird. Alleine die dramatischen (und blutigen) Ereignisse am Ende des ersten Teiles lassen die Spannungskurve steil ansteigen, so gelungen wurden diese in Szene gesetzt.
Positiv zu bewerten sind auch die glaubwürdigen Charakterentwürfe und auch die entsprechenden Schauspielerleistungen, sowie die bis weit ins zweite Drittel der Serie überzeugende Dramaturgie. Nach jeweils gut einer Dreiviertelstunde endet die jeweilige Episode mit einem ordentlichen Cliffhanger und erst in der letzten Episode fällt die Spannungskurve allmählich ab. Die letzte Episode ist zugleich auch die schwächste, denn die anfangs kleinschrittige Erzählweise wird nun aufgegeben und die Handlung entwickelt sich kaum noch weiter und wirkt recht sprunghaft. So erscheint das Ende der Serie dann auch wie ein Flickenteppich aus Einzelszenen, was der sehr dichten Atmosphäre des Vierteilers leider zum Nachteil gereicht. Ein wenig entsteht gar der Eindruck, als hätte man das Filmprojekt überstürzt zu Ende bringen müssen. Keine Kompromisse in Hinblick auf die mögliche Erwartungshaltung des Publikums macht immerhin das düstere Finale, welches ein gewollt pessimistisches Bild zeichnet.
Die Thematik die Stephen Gallagher Ende der 70er Jahre in seinem Roman aufgegriffen hat, bewegt auch heute noch ungemein. Gen-Debatten, insbesondere über Fragen des ethisch richtigen und verantwortungsvollen Umgangs mit menschlichem Erbgut, polarisieren die Gesellschaft wie kaum ein anderes Thema. Antworten auf diese Fragen gibt "Chimera" eigentlich keine, sondern sensibilisiert das Publikum bestenfalls, indem die Serie auf nicht gerade objektive Weise Ängste vor diesem Zweig der Wissenschaft schürt. Unterhaltungstechnisch ist das legitim, wenn auch nach fast 30 Jahren nur noch halb so wirkungsvoll und überzeugend wie nach der Erstveröffentlichung des Romans. Die Wirklichkeit hat die Fiktion da sicher schon ein Stück weit eingeholt und dennoch bleibt ein leichtes Grausen...