Ohne übertreiben zu wollen - "Shadows of the dead" ist das vielleicht anspruchsvollste Werk, das das Zombiegenre bisher hervorgebracht hat. Aber weit weg von den Betrachtungen des menschlichen Verhaltens in Extremsituationen und gesellschaftskritischen Ansätzen eines George A. Romeros inszenierte Carl Lindberg die persönliche Tragik zweier sich liebender Menschen, Jennifer und John, die zu lebenden Toten mutieren, an ihren Körpern den unaufhaltsamen Prozess der Verwesung verfolgen und unweigerlich mit Fragen über ihre weitere Existenz konfrontiert werden.
Dass Lindberg seinen Film in Gefilde jenseits des Horrors und Splatters driften lässt, ist anfangs nicht zu erahnen, schickt er Jennifer und John, zwei absolute Durchschnittstypen, nächtens doch in ein klassisch nebliges Wäldchen mit schaurigem Ambiente, das verlockend wie Sirenengesang zu einer 08/15-Story einlädt: Das Auto hat einen Platten, die Zivilisation ist nirgends in Sicht und im Unterholz liegt plötzlich ein augenscheinlich lebloser Körper. Da Jennifer eh nie Ruhe geben würde, entschließt sich John mit verständlicherweise nicht wirklich glücklicher Miene nachzusehen und glaubt daraufhin festzustellen, dass es sich um einen Toten handele. Von Angst oder Panik bei John aber keine Spur, als wäre es fast alltäglich, eine Leiche zu finden.
Doch der für tot Geglaubte ist ein Zombie, der John beißt. Danach ändert sich alles: Pusteln bilden sich, der Herzschlag ist verschwunden und ständig fühlt John nur Kälte. Als Jennifer ebenfalls infiziert wird, sind wir bereits mitten in der Tragödie, denn das Philosophieren über den nun verbleibenden Sinn der eigenen Existenz hat längst begonnen. Was geht im Inneren eines Zombies vor? - Lindberg versucht dies zu beantworten. Dass das auf den ersten Blick äußerst obskur, gar lächerlich klingt, lässt sich nicht verschweigen, ist letztendlich aber als eine Parabel zu verstehen, die sich zunächst scheinbar nur dem populären Zombiegenre bedient, um etwas Aufmerksamkeit zu gewinnen, im Kerne jedoch einfach Menschen zeigt, die infolge einer verheerenden Krankheit ohne Aussicht auf Heilung elendig dahinsiechen.
Der Verzweifelung folgen einige wenige Lichtblicke und annähernd glückliche Momente, die noch einmal durch die Flamme der Liebe aufflackern - doch am Ende steht unweigerlich wieder die Verzweifelung, die Verwesung des Körpers. Das darin befindliche Leben verwelkt mit jeder Sekunde. Der Geist ist unüblicherweise nicht vom Verfall betroffen - wie übrigens seltsamerweise auch nicht alle Körperpartien -, bildet allerdings die Prämisse, um überhaupt auf einem anspruchsvollen Niveau sinnieren zu können. Hierbei stellt sich heraus, dass Lindberg das Genre und dessen Beliebtheit eben doch nicht einfach nur populistisch nutzt, sondern daraus auch nahrhafte Konflikte zu entwickeln versteht.
Denn wenn Jennifer und John auch nicht am klassischen Intelligenzschwund leiden, so können sie sich einem mit dem Zombiemythos unweigerlich einhergehenden Gelüst schließlich nicht entziehen: dem Hunger nach Fleisch. Und dass der Gaumen eines lebenden Toten gerade beim Anblick eines saftigen Menschen in höchste Verzückung gerät, ist nun beileibe kein Geheimnis. Im Gegensatz zu John zeigt Jennifer aber nicht die generelle Bereitschaft, dem Trieb Folge zu leisten und ein menschliches Individuum zu töten, um das eigene Wohlbefinden zu verbessern. Die unterschiedlichen Charaktereigenschaften der beiden werden folglich sichtbar: Sie lässt sich von ethischen Grundsätzen leiten, folgt ihrem Gewissen, während er über den eigenen Schatten springt und ein Pragmatiker ist - getreu dem Motto: Der Hunger treibt’s rein.
Inhaltlich ist Lindbergs Film definitiv eine Seltenheit auf seinem Gebiet, wenngleich auch nicht gänzlich frei von kleinen logischen Schwächen (denn ob man angesichts der unaufhaltsamen Verwesung des eigenen Körpers der Medizin tatsächlich den Rücken kehren sollte, bleibt mitunter fraglich). Das schwerwiegendste Problem des Regisseurs ist allerdings sein fehlendes Gespür für die aufreibende Erzählung. "Shadows of the dead" ist ein Budgetminimalist; mit handelsüblicher Schminke realisierte man simple Make-up-Effekte oder umging sie ganz einfach, indem man Johns Gesicht schlicht bandagierte. Das Aushängeschild ist lediglich die Thematik. Lindberg verlangt dem Zuschauer jedoch viel Geduld ab und erschwert ihm erheblich das Zusehen.
Da Beverly Hynds und Jonathan Flanigan nicht unbedingt die schillerndsten Gestalten sind - obgleich sie ihre kammerspielartige Aufgabe zufriedenstellend lösen -, ist die behäbige Inszenierung auch jederzeit spürbar. Sie ist kontraproduktiv und lässt die Faszination fast so wie ein Feuer ersticken, dem der Sauerstoffhahn zugedreht wird. Und das ist äußerst bedauerlich, denn "Shadows of the dead" hätte viel aufregender sein können. So bleibt am Ende der fürs Milieu überdurchschnittliche Anspruch in Erinnerung, mehr dann aber leider nicht.