Das anspruchloseste TV-Genre überhaupt ist die Soap. Und es ist das erfolgreichste. Denn hier geht es um das alltägliche Leben irgendwelcher Figuren, mit denen sich der Zuschauer charakterlich identifizieren und bei denen er sich geborgen fühlen kann. Und so ist auch O.C. im Prinzip eine stinknormale Soap. Verschiedene Charaktere erleben das, was jeder Zuschauer auch so durchmacht: Familienleben und Freundschaften, Liebe und Trennung, Krankheit und Unfälle, Anfeindungen und unerwartete Begegnungen, die den Trott durcheinander bringen. Klar, dass in einer Soap darüber hinaus noch mehr passieren muss – und so gibt es hier noch Exzesse aller Art, Schlägereien, Nötigung und Erpressung.
Jede Soap braucht natürlich eine bestimmten Ort und ein bestimmtes Milieu, in denen sich alles abspielt. Bei O.C. gab es eine interessante Anfangskonstellation mit Potenzial: Ryan, jugendlicher Krimineller aus einer White-Trash-Familie wird von seinem Pflichtverteidiger Sandy Cohen und dessen Familie adoptiert. Dazu gehört neben der arbeitenden Ehefrau vor allem deren Sohn Seth. Wohnhaft sind sie in einem spießigen Nobelviertel an der kalifornischen Küste. Ryan ist damit krasser Außenseiter in diesem Umfeld, Seth aber auch: Als Comicfan und Anti-Sportler gehört er zu den Nerds am Ende der Schul-Hackordnung.
Stoff genug also für Zoff und Reibereien. Am Anfang versucht sich O.C. durchaus an etwas ernster Kritik an der hierarchiebewussten Schuljugend und der hochnäsigen Luxusgesellschaft, gegen deren Vorurteile Ryan und seine neue Familie ankämpfen müssen. Der Gegensatz zwischen Reichenviertel und Armenghetto wird herausgearbeitet, ohne betroffen zu wirken. Dieser Ansatz verschwindet aber schon langsam während der ersten Staffel und ist ab der zweiten kaum noch vorhanden. Seth und Ryan verlieren mehr oder weniger ihren Außenseiter-Status, die Abgründe hinter der Luxusfassade und die Schulprobleme interessieren nicht mehr so. Jetzt stehen endgültig Soap-typische Handlungsstränge, die jeweils über ein paar Folgen reichen, im Vordergrund. Das ist aber gar nicht ungewöhnlich: Auch die beiden Spelling-Machwerke „Beverly Hills 90210“ und „Melrose Place“ starteten als nicht unkritische California-Serien und endeten in Seichtheit.
Aber O.C. bleibt trotzdem eine gute Serie. Denn im Bewusstsein, dass im Soapgenre ohnehin schon alles mehrmals gelaufen ist, nimmt sie sich nicht allzu ernst und bewahrt stets ein gerüttelt Maß an Selbstironie. Da werden eigentliche Probleme heruntergebrochen auf spritzige Einzeiler-Duelle und witzig geschnittene Szenen. Teilweise wirken Episoden wie aus einer Sitcom entnommen. Für trockene Sprüche sorgen besonders Sandy und sein Sohn. Dabei spottet Sandy vor allem über die Erwachsenenwelt, Seth über die der Jugendlichen. Auch das ist recht außergewöhnlich für eine Soap dieser Art: Sie spielt zu einem Teil unter Pubertierenden, zum anderen Teil unter Erwachsenen und ist daher schön abwechslungsreich. O.C. gelingt es dabei, trotz der vielen lustigen Szenen glaubhaft ernst zu werden, wenn es darauf ankommt.
Dass dabei einige wenige Handlungsstränge arg an den Haaren herbeigezogen wirken oder sogar nerven können, ist Soap-typisch. Durch die andauernd aufblitzende Selbstironie wird das jedoch wieder großteils relativiert. Auch die Schauspieler besitzen allesamt nicht gerade Oscar-Niveau. Was soll’s. Die Guten sind sympathisch, die Unguten reichlich unsympathisch getroffen. Wobei man sagen muss, dass ein ganz simples Gut-Böse-Schema vermieden wird. Die Charaktere haben fast alle Format und Profil. Technisch allerdings fallen negativ in den Schnitten immer wieder Anschlussfehler in Mimik und Gestik auf.
Für stetig neue visuelle Annehmlichkeiten sorgen überdurchschnittlich hübsche Schauspielerinnen (Ja, sorry, hier schreibt ein Mann!). Und akustisch ist die ungewöhnlich gute Musik hervorzuheben. Statt bloßem schmalzigen Geklimper oder Gestreiche gibt es aktuelle Alternativ-Popmucke. Nach dem faktischen Ende des Musikfernsehens reißen sich aus Werbezwecken inzwischen alle möglichen Popacts aus dieser Ecke, bei O.C. aufzutreten. Und es lohnt sich für sie – bei dem Erfolg, den O.C. hat. Zu Recht hat.
Für das oberflächliche Genre der Soap somit die Höchstwertung: 7 von 10 Punkten.