Unglaublich und auch sehr aussagekräftig, dass noch nicht eine Person KRAJOBRAZ PO BITWIE in irgendeiner Weise bewertet hat. Vielleicht stehe ich mit meiner Meinung auch allein da, doch halte ich den Film, den Andrzej Wajda 1970 inszeniert, für einen der großartigsten, die je gedreht wurden. Großartig natürlich im subjektiven Sinne. Es gibt sicher bessere Filme als ihn, er ist weit weg von Perfektion, und damit von Langeweile und dem Konformen. Fehler hat der Film durchaus, doch adeln sie ihn, so wie jedes großes Kunstwerk gerade durch seine unreinen Stellen den Ritterschlag bekommt.
Der Protagonist des Films, dargestellt von Daniel Olbrychski, eines Lieblingsschauspieler Wajdas und zudem außerordentlich attraktiv, mit seinen zerzausten Haaren und Brille, ist süchtig nach Büchern, schleppt sie ständig mit sich herum, denn mit ihnen und den Gedichten, die er schreibt, schafft er es, eine Flucht nach innen anzutreten, sich emotional aus einer grausamen Welt zu lösen, die dafür sorgte, dass er fünf Jahre lang in einem KZ inhaftiert war. Der Film beginnt damit, dass amerikanische Truppen besagtes KZ befreien: zur Musik von Vivaldi (später im Film hört man auch noch Chopin) laufen die befreiten Insassen über Schneefelder, springen herum, machen sich über Blechbüchsen mit Lebensmitteln her, deren Inhalt sie so lange in sich hineinstopfen bis sie erbrechen. Nur Tadeusz, unser Protagonist, freut sich nicht überschwänglich. Er hat gelernt, seine Gefühle abzustellen, sie nicht zuzulassen, und irrt mit einem Stapel Bücher, lesend und unaufmerksam, durch das herrschende Chaos. Wajda inszeniert schon die ersten Filmminuten der Befreiung wie ein Ballett der Ausgelassenheit und Freude ohne das Leid und die Schicksale der ausgehungerten, jedoch tanzenden Menschen eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Schon hier macht er den Zuschauer darauf aufmerksam, was ihn in den kommenden eineinhalb Stunden erwartet: eine tragische, traurige Geschichte, die sich ihrem Humor nicht verschließt, und feinsinnigen, ehrlich amüsanten Witz, der sich nie von der Tragik und Traurigkeit löst, aus der er stammt. Wajdas Humor ist von einer skurrilen Art. In vielen seiner anderen Filmen blitzt er nur ab und zu auf, in KRAJOBRAZ PO BITWIE spielt er ihn vollends aus. Im Gegensatz zu den auflockernd wirken sollenden Scherzen in Mainstream-Filmen, die sich mit ähnlichen schwierigen Themen wie dem Holocaust befassen oder zu der theatralischen Betroffenheit und ins Kitschige abgleitenden Dramatik diverser Hollywood-Werke mit derartigen Inhalten, ist Wajdas Witz nie ein aufgesetzter, nie ein plakativer, keiner, der aus Selbstzweck entsteht. Er entwickelt seinen Humor aus der Geschichte selbst und aus den Figuren, die er akribisch charakterisiert.
Nachdem die Alliierten das Lager eingenommen haben, werden die Häftlinge in einer Art von Semi-Freiheit in einer ehemaligen SS-Kaserne untergebracht. Dort lernt unser Held eine junge Jüdin kennen, die aus dem kommunistischen Polen geflohen ist, und die ihm seinen Lebenswillen zurückgeben will, indem sie ihn dazu überredet, mit ihm ein neues Leben zu beginnen, in Frankreich, als Studenten, oder irgendwo sonst, doch Tadeusz verweigert sich dem, versteckt sich hinter seinem Zynismus und sagt, dass er nach Polen zurückgehen oder erstmal unter der Aufsicht der Alliierten bleiben wolle. Sein Zynismus ist eine andere Waffe neben seiner Obsession für Bücher, mit der er verhindert, dass seine eigenen Emotionen befreit werden. Auf einer Wiese liegend küsst das Mädchen seinen Arm dort, wo ihm die obligatorische Tätowierung der KZ-Häftlinge eingebrannt worden ist, und er sagt: Das kann man nicht wegküssen, das ist fachmännische, deutsche Arbeit. Ein weiterer Satz von ihm ist: der Wert der Dinge lässt sich daran ermessen, inwieweit sie imstande sind, Schönheit hervorzurufen. Als die junge Jüdin Tadeusz dazu bringen will, dass er mit ihr zusammen wenigstens für einen Nachmittag das Lager verlässt, lockt sie ihn mit einem Buch, das sie über die Grenze wirft und dem er, scheinbar unbewusst, hinterher springt, um es zu retten. In diesem Nachmittag entfaltet der Film seine ganze poetische Pracht. Das Pärchen spaziert durch einen Wald, führt Gespräche, tauscht Zärtlichkeiten aus. Die Wirklichkeit scheint weit weg zu sein, kommt aber schneller und härter zurück als ich erwartete. Das Ende muss ich, ohne zu viel zu verraten, als eines der traurigsten bezeichnen, die ich jemals gesehen habe. Der finale Gefühlsausbruch von Tadeusz, das Zusammenbrechen seiner äußeren Mauer, ist so intensiv, dass ich selbst nicht mit meinen Tränen zurückhalten konnte. Selten ist es vorgekommen, dass ich den Protagonisten eines Films so lieb gewonnen habe wie ihn. Stark dazu beigetragen hat sicherlich auch Olbrychskis geniale Darstellung der Figur. Einerseits ist Tadeusz ein abgestumpfter, verschlossener, innerlich gestorbener junger Mann, der mehr erlebte als er ertragen konnte, andererseits schreibt er berührende Verse, zeigt sich an dem Nachmittag mit dem Mädchen von seiner zärtlichen Seite, und erheitert einen mit seiner Unbeholfenheit, wenn er, was ein running gag des Films ist, ständig seine Brille verliert.
KRAJOBRAZ PO BITWIE ist eines der wenigen Werke, das ich eine gelungene Tragikomödie nennen würde. Der Spagat zwischen Komik und Ernsthaftigkeit ist kein leichter. Ich kann mich jedenfalls an keinen Film erinnern, bei dem ich gleichzeitig lächelnd und weinend vor dem Bildschirm saß. Der Film hat mir gut gefallen, weil er auf so vielen Ebenen funktioniert und so viel aussagt. Jeder Blick, jeder Satz, jede Geste scheint eine eigene Welt zu sein. Die Landschaft nach der Schlacht. Einen besseren Titel hätte es nicht geben können. Obwohl die Schlacht vorüber ist und der Friede sich wieder zeigt, wird die Landschaft nie wieder dieselbe sein. Die Narben sind unauslöschbar. Die Fehler können nie wieder gutgemacht werden. Mit nichts. Doch ein Kunstwerk wie dieses hilft zumindest dabei, den Kummer zu akzeptieren.