Review
von Pyri
Pointless Lifestyle, oder: der 60. Geburtstag von Michael Nyman
"9 Songs" handelt von der Affäre eines Londoner Antarktisforschers mit einer jungen Amerikanerin Mitte der Nullerjahre. Der Film ist dabei wirklich mehr ein (Un-)Zeitportrait und ein Essay über Erinnerung und Musik als ein Werk über Sexualität. Diese findet die ganze Stunde welche das Treiben dauert eher beiläufig statt und ist ausdrücklich nur scheinbar seine Attraktion. Margo Stilley ist dafür tatsächlich sehr spektakulär, und Kieran O'Brien's Charakter füllt zumindest seinen Beruf als Naturwissenschafter mehr als aus. "9 Songs" besticht nämlich vor allem durch seine Analogie von Antarktis und Zwischenmenschlichkeit: schon früh wird deutlich gemacht, dass das was geboten wird nicht von Dauer sein wird. Der Film trägt diesen Umstand jedoch völlig kritiklos vor - ohne Reue und ohne jedes Bedauern: nur einmal, als der Mann aus dem Off das Alter der Frau nennt, wird auf die Tränendrüse gedrückt. Diese Kritiklosigkeit wird es dann auch sein dass es dem Film, der einem deutlich männlichen Blick folgt, gelingt die flüchtige junge Frau weder zu mystifizieren noch ihr misogyn zu begegnen: Winterbottom nimmt die Dinge wohl einfach so wie sie sind, oder zu der Zeit besser waren -
Schade dass dem Film, welcher eigentlich eine Oberflächenwelt tranceartiger Dekadenz beschreibt, meist auch nur mit oberflächlichen Floskeln über Natürlichkeit begegnet wird. In Deutschland mitunter auch mit Ressentiments gegen Gewaltdarstellungen als positives Beispiel für einen Umgang mit Körpern: anstatt "Rock'n Roll & sexuelle Leidenschaft pur" draufzuschreiben, wie es auf meiner deutschen DVD steht, hätte ich auch eher "Weder noch" als Werbezeile raufgeschrieben. Ebenfalls abseits von Sexualität wird "9 Songs" für manche Leute sicher mehr als ärgerlich sein. Der Streifen ist aus meiner Sicht auch weniger ein "Liebesfilm" als ein gelungener "Anti-Liebesfilm" - bei aller Bitterkeit ausgestattet mit jeder Menge Trost.
Rating 9.0