Review

GODZILLA No. 16

GODZILLA – DIE RÜCKKEHR DES MONSTERS

(GOJIRA)

Koji Hashimoto, Japan 1984

Vorsicht – das folgende Review enthält SPOILER!

Als sich Godzilla am Ende seines fünfzehnten Leinwandauftritts im Licht der Abendsonne ins Meer zurückzog, hat wohl kein Mensch ernsthaft daran geglaubt, dass er auf immer und ewig dort verschwunden bleibt. Neun lange Jahre gingen dann aber doch ins Land, bis er sich endlich wieder blicken ließ und Koji Hashimotos Godzilla – Die Rückkehr des Monsters eine neue Filmreihe des Großen Grünen, der gar nicht so richtig grün ist, einleitete. Insgesamt handelt es sich dabei um sieben Spielfilme, die heute gemeinhin der Heisei-Ära Godzillas zugerechnet werden, obwohl die Heisei-Zeit in Japan offiziell erst am 8. Januar 1989 mit der Thronbesteigung des Kaisers Akihito begann. Sei’s drum – irgendwie und irgendwo muss man diese Filme ja einordnen (muss man?), und den japanischen Riesenmonstern ist so etwas ohnehin schnuppe.

Anlass der Wiederbelebung Godzillas war sein 30. Geburtstag – das bot sich an, nachdem man schon ungebührlich lange damit gezögert hatte, ihn aus der Versenkung zu holen. Um sich von den Mängeln seiner vielerorts heftig kritisierten mittleren und späten Shōwa-Filme zu distanzieren, erklärte man nunmehr alles, was nach Ishirô Hondas Ur-Godzilla von 1954 geschehen war, für null und nichtig und knüpfte unmittelbar an diesen an – mit der Maßgabe, die Reihe ernsthaft, also auf ein erwachsenes Publikum ausgerichtet und im Geist des düsteren Erstlings fortzuführen. Godzilla – Die Rückkehr des Monsters (im Original kurz und humorlos wieder Gojira) sollte ein echter Neustart sein.

Von wegen alles neu ... wie viele seiner Vorgänger beginnt auch dieser Godzilla-Streifen auf hoher See – der Trawler „Yahata Maru“ gerät in ein Unwetter und droht zu sinken. An Bord ist auch der Biologiestudent Hiroshi Okumura, der nicht mit der Besatzung gegen die Wellen kämpfen muss und daher einen Blick in die Ferne werfen kann. Dort sieht er die kleine Insel Daikoku, auf der gerade ein Vulkan ausbricht. Aber nicht nur das: Allem Anschein nach entsteigt ein riesiges Monster dem Feuerberg! Okumura hat allerdings erst einmal andere Sorgen, und die werden bald noch größer ...

Tags darauf (es können auch zwei sein), die See ist nun ruhig und friedlich, segelt der Journalist Goro Maki mit seinem kleinen Boot in der betreffenden Gegend herum und stößt auf die führerlos dahintreibende und scheinbar menschenverlassene Yahata Maru. Als er an Bord klettert und sich umschaut, entdeckt er im Unterdeck des Trawlers doch noch ein paar Menschen, aber die sind (Horror ahead ...!) mumifiziert! Alle bis auf einen: Zusammengekauert in einem Blechspind hockt der einzige Überlebende dessen, was sich noch nicht erklären lässt – es ist, na klar, Okumura. Im Hintergrund braut sich indes bereits Unheil zusammen (noch mehr Horror!) ... etwas Gruseliges und Ekliges krabbelt aus einer Ecke hervor – und greift Goro per Flug an! Es ist eine Art Riesenkakerlakenskorpion von gut einem Meter Länge, der sich anschickt, den Journalisten zu töten und auszusaugen, wie er es offenkundig auch mit der Besatzung getan hat (daher die Mumifizierung). Zum Glück kann sich Okumura noch von hinten ein- und das Monsterungeziefer per Axthieb ausschalten. Das war knapp. Kurz darauf flattert auch schon ein Rettungshubschrauber an, um den ziemlich ramponierten Okumura aufzusammeln und ins Krankenhaus zu befördern. Seinem Bericht begegnet man dort mit Skepsis, bis sich mit Doktor Hayashida ein „Godzilla-Experte“ einschaltet und es sehr wohl für möglich hält, dass der Große Grüne wieder aufgekreuzt ist – der Riesenkakerlakenskorpion sei in diesem Fall ein Parasit gewesen, den er mit sich herumgeschleppt hat. Der berühmte Oxygen-Zerstörer Doktor Serizawas war dann wohl doch nicht so wirksam, wie man dreißig Jahre lang gedacht hat ...

Goro, Journalist, der er nun einmal ist, möchte natürlich sofort eine tolle Story über Okumuras Erlebnisse schreiben, wird aber von seinem Chefredakteur gebremst: Es herrsche absolute Geheimhaltungspflicht in dieser Sache, um die Bevölkerung nicht zu beunruhigen beziehungsweise eine Massenpanik zu verhindern. Weiterhin recherchieren dürfe er jedoch. Und so recherchiert Goro weiter, hält sich oft bei Doktor Hayashida auf und lernt dort auch Okumuras Schwester Naoko kennen, die ebenfalls studiert und dem großen Wissenschaftler darüber hinaus als Assistentin dient. Und Godzilla? Was macht eigentlich Godzilla? Der kommt kurz an Land, zerkloppt ein Atomkraftwerk und „absorbiert die gesamte Radioaktivität“, die es dort zu absorbieren gibt – er „ernährt“ sich also von ihr. Kurz darauf haut er auch noch, ohne dass man dabei viel von ihm sieht, ein sowjetisches Atom-U-Boot zu Klump und stößt damit die folgenden dramatischen Ereignisse an.

Die Sowjets glauben natürlich, dass die Amerikaner für den Angriff verantwortlich sind und drohen ganz unverhohlen mit einem Atomschlag gegen die Vereinigten Staaten. Das kommt nicht von irgendwoher – schließlich befinden wir uns gerade in der Hochphase des Kalten Krieges. Sicherheitshalber rücken die Japaner nun mit der Sprache heraus und weisen auf den vermutlich wahren Hintergrund des U-Boot-Vorfalls hin. Die beiden Großmächte beruhigen sich daraufhin wieder und bieten Japan großzügige Hilfe an – wie die aussieht, war zu erwarten: Man will Godzilla einfach mit Nuklearwaffen zu Leibe rücken. Die Japaner haben aber erst einmal eigene Ideen. So soll die neue Geheimwaffe „Super X“ zum Einsatz kommen, ein UFO-artiger bemannter Flugkörper, der von Godzillas Atem-Strahl nicht zerstört werden kann und über hoch wirksame Cadmium-Granaten verfügt, die dafür sorgen sollen, dass die Kernspaltung im Inneren des Monsters aufgehalten wird (man will uns also scheinbar wirklich einreden, dass der Große Grüne durch Atomkraft „betrieben“ wird).

Doktor Hayashida entwickelt sogar noch einen weiteren Plan: Er hat entdeckt, dass Godzilla ein „Magnetorgan“ besitzt und Ultraschall-Signalen folgt, sodass man ihn mit ebensolchen Signalen zum Mihara-Vulkan locken und mithilfe einiger Sprengladungen in dessen Krater beziehungsweise die darin brodelnde Lava befördern könnte. Klingt nicht übel, und so darf er von seinen Leuten schon mal ein paar Geräte am Vulkan aufbauen lassen. Nach langen Beratungen werden Sowjets und Amerikaner nun auch offiziell gebeten, doch bitte die Finger von ihren Atomwaffen zu lassen – Japan möchte verständlicherweise keine weitere Nuklearexplosion auf seinem Territorium.

Leider gibt es doch eine, aber wenigstens in sehr großer Höhe, und zwar deshalb: Godzilla geht in der Bucht von Tokio an Land und rammelt dabei ein sowjetisches Schiff vor die Hafenmauer. An Bord des Schiffes befindet sich jedoch unglücklicherweise die Kontrollzentrale für einen Satelliten, auf dem eine Atomrakete stationiert ist (auf einem Satelliten?). Durch den Aufprall wird das System beschädigt und der Start der Rakete ausgelöst. Und die fliegt nun genau auf Tokio zu, als hätte die Stadt nicht schon genug Sorgen, denn in ihr geht gerade das japanische Militär mit massiver Waffengewalt gegen die unerwünschte Riesenechse vor. Raketen, Panzer, Düsenjets und Laserkanonen können zunächst traditionell nichts gegen Godzilla ausrichten, aber die Cadmium-Granaten, die hernach von Super X eingesetzt werden, zeigen Wirkung: Das Monster sinkt ohnmächtig in ein Hochhaus. Was bleibt, ist freilich die unangenehme Sache mit der Atomrakete ...

Nachdem die Sowjets einräumen müssen, sie nicht mehr stoppen zu können, sind die Amerikaner so nett, eine Abfangrakete loszuschicken. Derweil arbeiten Doktor Hayashida, Goro und Naoko in Hayashidas Institut noch am Ultraschall-Plan und können die Geräte am Mihara-Vulkan wie vorgesehen in Einsatzbereitschaft versetzen. Nach getaner Arbeit wollen sie sich schleunigst zurückziehen, doch es bleibt beim Wollen – das Hochhaus, in dessen oberem Bereich sie sich befinden, wurde durch die vergangenen Kämpfe so schwer in Mitleidenschaft gezogen, dass sie nicht mehr nach unten gelangen. Es kommt zu einer aufwendigen Hubschrauber-Rettungsaktion, bei der sie durch ein Fenster aus dem Haus geholt werden sollen. Das gelingt allerdings nur bei Doktor Hayashida – Goro und Naoko müssen letztlich doch durch das halb zerstörte Treppenhaus hinab zur Straße.

Derweil tut sich draußen Entscheidendes: Die amerikanische Abfangrakete erwischt ihre sowjetische Nuklearkollegin noch rechtzeitig und es kommt etwa 70 Kilometer oberhalb von Tokio zur Atomexplosion. Der Himmel färbt sich rot, ein paar Blitze zucken ... und einige von ihnen treffen auch den schlummernden Godzilla, der durch sie wieder „aufgeladen“ wird, erwacht und sein Zerstörungswerk in der japanischen Metropole fortführt – just in dem Moment, in dem Goro und Naoko glücklich das Institutshochhaus verlassen. Sie befinden sich nun also erst recht in Lebensgefahr, aber der Krawall währt nicht lange, denn Godzilla reagiert tatsächlich auf Doktor Hayashidas Signale, dreht um und marschiert zum Mihara-Vulkan, um dort aus dem Gleichgewicht gesprengt zu werden und in den mit hell glühender Lava gefüllten Krater zu stürzen.

Tatsache: Godzilla – Die Rückkehr des Monsters nimmt seine Sache ernst. Sehr ernst. Mit neunmalklugen Grundschülern, unfähigen Alien-Invasoren, lächerlichen Gastmonstern, Studio-Südsee-Exotik oder singenden Mini-Mädchen aus dem Märchenland hat der Streifen nichts am Hut und wagt sich stattdessen sogar an eine politische Ebene heran – das führt nicht wirklich zu Tiefgang, aber da sich Koji Hashimoto und das Skript von Hideichi Nagahara (welches sich bei einigen Storys von Akira Murao, Ryûzô Nakanishi, Shin‘ichi Sekizawa, Tomoyuki Tanaka und Hiroyasu Yamaura bedient) demonstrativ an ein zumindest halbwegs erwachsenes Publikum wenden wollten, lag es nahe, den Kalten Krieg in Zeiten seiner Blüte zumindest gut sichtbar auf die Themenliste zu setzen. Die Szenen, die sich den Sitzungen der Regierung und den Beratungen mit Sowjets und Amerikanern widmen, sind naturgemäß recht trocken, aber immerhin kompakt genug, um selbst ungeduldige Monsterfreunde nicht zu verärgern. Aber auch jenseits der großen Weltpolitik gibt sich Godzilla – Die Rückkehr des Monsters absolut humorlos, was nicht nur dem Inhalt mit seinen akuten Bedrohungs-Varianten, sondern im gleichen Maß einem ausgestellt trübsinnig agierenden Personal zu verdanken ist – lockere Sprüche gibt‘s hier von niemandem zu hören. Als einzige Ausnahme bekommt man in zwei, drei Szenen einen Obdachlosen zu sehen, der es sich in der evakuierten Stadt gut gehen lässt (zum Beispiel in einem verlassenen Restaurant) und Godzilla anpöbelt – was allerdings eher irritierend als lustig ist, weil es schlichtweg überhaupt nicht in diesen Film passen will.

Godzilla – Die Rückkehr des Monsters ist jedoch nicht nur ernst, sondern kann sogar regelrecht gruselig sein. In erster Linie betrifft das die Yahata-Maru-Mumifizierungs- und Riesenkakerlaken-Sequenz, aber auch später wird durch Nebel und düstere Musik mehrfach eine veritable Horrorstimmung aufgebaut. Nicht übel. Inhaltlich ... nun ja – was will man seitens der Autoren schon Revolutionäres entwerfen? Es gibt eben Godzilla, der hier monstermäßig als Alleinunterhalter unterwegs ist (von der Riesenkakerlake einmal abgesehen, der man übrigens ruhig noch ein paar Brüder und Schwestern für weitere Szenen hätte spendieren können), und der muss Krawall machen, diverse Schäden anrichten und irgendwie zur Ruhe gebracht werden. Allzu viel schöpferischen Spielraum weist der Kaijū Eiga nicht auf. Das gilt zumindest für halbwegs vernünftige Ideen – Blödsinn geht immer, wie man während der Shōwa-Ära des Großen Grünen oft genug feststellen durfte. Hier nun wurde der Titelheld als eine Art „nukleare Lebensform“ definiert, als von Atomkraft angetriebener Organismus, der sich immer mal wieder „aufladen“ muss – sei es durch Snacks wie ein sowjetisches Atom-U-Boot oder Überfälle auf Atomkraftwerke. Diese etwas zu plakative Interpretation Godzillas als Kind eines unseligen und zerstörerischen Atomzeitalters habe ich persönlich schon immer als ziemlich verstörend empfunden (die Heisei-Serie wird diesbezüglich in Godzilla vs. Destoroyah sogar mit einem regelrechten Exzess enden) und tue das auch heute noch – weil eine nukleare Riesenechse, so ehrlich muss man sein, schlichtweg himmelschreiender Unsinn ist. Himmelschreiender Unsinn hat aber nun mal nichts in einer grundsätzlich ernst angelegten Geschichte zu suchen, und deshalb ist letztlich auch Godzilla – Die Rückkehr des Monsters eine wacklige Angelegenheit.

Der Freude an gepflegtem Monsterkrawall steht Unsinn indes nicht im Wege, und mit Blick auf ihre Actionpassagen macht Hashimotos Arbeit zumindest qualitativ eine gute Figur – mit der Quantität hapert’s ein wenig: Bis der Radau mit Godzillas Angriff auf Tokio in die Gänge kommt, hat der Titelheld nur einen relativ kurzen Auftritt (der Radioaktivitätsabsorptionsbesuch im AKW) und überlässt großzügig den Menschen das Feld, die den Betrachter immerhin recht geradlinig durch das Geschehen führen – auch wenn’s mit ihnen bisweilen reichlich trostlos wird. Wirklich sträflich viel Zeit wird allerdings für die Bemühungen, die Goro, Naoko und Doktor Hayashida unternehmen, um aus den Institutsräumen nach unten zu gelangen, aufgewendet. Allein während der schier endlosen Rettungshubschrauber-Passage habe ich völlig vergessen, dass ich eigentlich gerade einen Kaijū Eiga ansehe, und auch später unterbrechen Goro und Naoko auf ihrem Weg durchs Treppenhaus noch mehrfach sehr unhöflich das längst eingeläutete Finale. Wenn’s aber kracht, dann richtig, weil sich endlich, endlich wieder einmal ein Ungeheuer im städtischen Umfeld austoben darf. Während der Shōwa-Filme wurden die Monster zu ihren Prügeleien fast immer hinaus ins Grüne beziehungsweise ins Ödland geschickt – nun aber zerlegt Godzilla einen nicht unerheblichen Teil von Tokio, und das sieht, auch wenn’s weitgehend erkennbar getrickst ist, sehr eindrucksvoll aus (dass die Attacke des Großen Grünen des Nachts stattfindet, hat mich übrigens anders als bei der Erstsichtung dieses Films nicht gestört).

Damit sind bereits visuelle Aspekte angesprochen, und so bleiben wir bei ihnen. Godzilla – Die Rückkehr des Monsters überrascht zunächst mit seinen Bildabmessungen von 1.85:1, denn seit der dritten Shōwa-Produktion Die Rückkehr des King Kong von 1962 kamen die Godzilla-Streifen zuverlässig im Tohoscope-, sprich Breitwandformat daher. Warum man nicht nur für den vorliegenden, sondern für alle Filme der Heisei-Serie das Normalformat gewählt hat, ist fraglich – im vorliegenden Fall kommt es zumindest den gegen Ende sehr wichtigen Aufnahmen von Hochhäusern entgegen, aber etwas billiger als eine gepflegte 2.35:1-Produktion sieht der Streifen aufgrund seiner Abmessungen schon aus. Und auch darüber hinaus wirkt er nicht gerade schick: Die Bilder der mir vorliegenden Marketing-Veröffentlichung sind zwar weitgehend frei von Verschmutzungen, sehen aber dennoch arg verbraucht aus und unterliegen beträchtlichen Farbschwankungen – da fühlt man sich mitunter an alte VHS-Zeiten erinnert. Bessere Fassungen sind von den Heisei-Filmen allerdings im europäischen Raum nicht zu bekommen – vermutlich ist es bislang nicht gelungen, sich mit der Tōhō einvernehmlich über die Rechte an diesen Produktionen zu verständigen. Immerhin beinhaltet die Marketing-DVD den „Director’s Cut“ von Godzilla – Die Rückkehr des Monsters, bei dem es sich zwar nur um die vollmundig umschriebene japanische Originalfassung handelt, aber auch die muss man erst einmal haben. Vorher gab es hierzulande nur die erheblich gekürzte deutsche Kinofassung als DVD von Astro/Best Entertainment. Da ich diese ebenfalls besitze, habe ich zu Vergleichszwecken gleich einmal hineingeschaut und durfte feststellen, dass selbst die Unterschiede zwischen den Datenträgern zweier Wühltisch-Publisher fundamental sein können. Die Astro-DVD liefert die korrekten Seitenabmessungen auf dem großen Bildschirm wieder nur in einem verkleinerten Kasten und dazu Bilder, denen zum Teil komplett, das heißt bis hin zum Schwarz-Weiß die Farben abhanden gekommen sind. Als ich daraufhin noch einmal zum Zweck inhaltlicher Vergleiche die Marketing-DVD eingelegt habe, dachte ich, mich trifft der Schlag – so farbenfroh und klar erschienen mir ihre Bilder. Schön wäre es nur gewesen, wenn man die grob geschätzt 720 Schrifteinblendungen, die es im Laufe des Geschehens gibt, einmal untertitelt hätte, auch wenn man im Großen und Ganzen ahnt, was sie einem mitteilen wollen. Erstaunlicherweise sind die Kürzungen bei der deutschen Kinofassung nicht annähernd so auffällig, wie man meinen sollte. Und die sind wirklich massiv: Sie weist eine Laufzeit (immer auf die mit 25 Bildern pro Sekunde laufenden DVDs bezogen) von 80.02 Minuten auf, während das japanische Original 103.18 Minuten lang ist. Die Schnitte betreffen vor allem Dialog- und Sitzungs-Szenen aus dem „politischen Bereich“ des Films und eine längere Passage, die schildert, wie sich Goro und Naoko kennenlernen und näher kommen. Um ganz ehrlich zu sein: Sie sind in der Tat weitgehend entbehrlich ... womit freilich keineswegs das Herumschnippeln an fremden Filmen gebilligt werden soll.

Im tricktechnischen Bereich zeigt sich auch beim Einstieg in ein neues Zeitalter, sprich die Heisei-Serie, ein durchwachsenes Bild. Für Godzilla selbst hatte man sich viel vorgenommen und auch schon ein fünf Meter hohes Animatronik-Modell gebaut, aber am Ende musste es doch wieder der Mann im Gummikostüm richten (in diesem Fall Kenpachirô Satsuma, der auch in allen weiteren Heisei-Filmen den Großen Grünen verkörpert). Hier kam der insgesamt neunte Godzilla-Anzug zum Einsatz, der eindeutig „böser“ wirkt als die meisten seiner Vorgänger, aber leider auch mächtig nach Plastik riecht. Für Kopf, Hände und Füße standen Modelle zur Verfügung – wobei ich persönlich mit ebenjenen Füßen wie immer überhaupt nicht zurechtgekommen bin. In meinen Augen wirken sie erneut zu „wabbelig“ und gefühlt auch viel zu groß. Die Riesenkakerlake, ich will sie einmal so nennen, ist natürlich ein Gummimodell, das auf den ersten Blick ganz ordentlich und angemessen eklig aussieht, aber schwächelt, wenn es sich ohne die Hilfe eines Schauspielers, der es „im Kampf“ an sich drückt, bewegen soll. Schon das Laufen funktioniert nicht, weil die Beine nur irgendwie herumzappeln, und das Fliegen sieht komplett lächerlich aus – damit folgt es aber nur einer guten alten Tōhō-Tradition. Wunderbar sind derweil die von den Tricktechnikern und ihren Helfern gebastelten Tokio-Modellbauten, die zwar mehrheitlich gut als solche auszumachen sind, aber auch immer wieder durch ihre Detailfreudigkeit verblüffen. So sieht der Ur-Godzilla-Gedächtnis-Zug, der selbstverständlich auch hier aus den Gleisen gehoben wird, wirklich beeindruckend echt aus. Erst bei genauerem Hinschauen merkt man, dass die „Fahrgäste“ hinter den Fensterscheiben aufgemalt sind. Unter den Gebäuden fällt besonders ein großartig umgesetztes Hochhaus mit Glasfassade auf – wenn sich Godzilla darin spiegelt, dann ist die Illusion, hier etwas Reales zu sehen, nahezu vollkommen. Umwerfend. Weniger umwerfend sind hingegen die meisten der Explosionen, die man hier zu sehen bekommt, weil wieder einmal die mit ihnen verbundenen Flammen einfach zu „klein“ sind. Noch misslungener und eigentlich indiskutabel ist der eingangs auf der Insel Daikoku ausbrechende „Vulkan“ (als Einstieg macht sich das natürlich besonders schlecht), während das Spielzeug-Militär weniger präsent ist als üblich – beim Angriff auf Godzilla sind sogar über weite Strecken echte Soldaten und echte Fahrzeuge zu sehen. Wieder einmal gibt es in puncto Spezialeffekte also Licht und Schatten.

Bei den Darstellern muss man sogar eine ganze Weile suchen, um überhaupt Licht zu sehen – mit bestenfalls marginalem Erfolg. Die Akteure spielen ihre eindimensionalen und missgelaunt wirkenden Figuren halbwegs ordentlich herunter, aber Interesse für diese wecken oder irgendetwas zeigen, was über die unvermeidlichen Pflichtaufgaben hinausgeht, kann niemand. Das gilt sogar für Ken Tanaka als Goro Maki, der von allen noch am lebhaftesten wirkt und dennoch nie wirklich in den Vordergrund treten kann. Die Figur des Journalisten Goro Maki gab es im Rahmen der Godzilla-Filme übrigens schon einmal: In Jun Fukudas Frankensteins Ungeheuer jagen Godzillas Sohn wird er sehr viel fröhlicher und memorabler von Akira Kubo verkörpert. Noch unauffälliger und ausstrahlungsärmer als Ken Tanaka agiert Shin Takuma als Hiroshi Okumura, Yasuko Sawaguchi schlafwandelt als Naoko mit einem einzigen halb abwesenden Gesichtsausdruck durch die Gegend (weshalb die schüchtern angedeutete Liebesgeschichte zwischen ihr und Goro Maki auch nicht einmal ein warmes Lüftchen ist), Yôsuke Natsuki droht als Dr. Hayashida mitunter selbst beim Sprechen einzunicken (ein Eindruck, der durch die deutsche Synchronisation noch verstärkt wird) und Keiju Kobayashi macht als japanischer Premierminister, was man als japanischer Premierminister eben so macht – dasitzen, nachdenken, ein paar Sätze reden und rauchen. Schwungvoll ist das auch nicht. Von den Genannten bringt übrigens lediglich Yôsuke Natsuki, der als Detektive Shindo in Frankensteins Monster im Kampf gegen Ghidorah zu sehen war, Kaijū-Eiga-Erfahrung mit. Als abschließende Anmerkung zu dem Mitwirkenden sei noch kritisch angemerkt, dass man für die Rolle des Diplomaten, der bei den Atombomben-Verhandlungen in Tokio die Sowjetunion vertritt, einen, sorry, weniger schmierig und heruntergekommen wirkenden Darsteller als Alexandre Kairis hätte wählen sollen. Der Score stammt zu guter Letzt nicht mehr von Akira Ifukube, sondern von Reijiro Koroku und kommt mit einer Reihe von sehr eingängigen und dankenswerterweise niemals aufdringlichen Orchesterpassagen daher – das ist ganz klassische Filmmusik, von der ich mehrfach glaubte, sie irgendwo schon einmal gehört zu haben.

Somit bleibt festzustellen, dass der Start des Großen Grünen in seine Heisei-Ära recht ordentlich geraten, aber auch nicht der ganz große Wurf ist. Godzilla – Die Rückkehr des Monsters grenzt sich kategorisch vom harmlosen Blödsinn ab, der die Filme der Shōwa-Ära von der Mitte der Sechzigerjahre an geprägt hatte, repariert Godzillas Image als destruktive Naturgewalt und liefert, was die Freunde des Kaijū Eiga sehen wollen – aber auch keinen Deut mehr: Wirklich neue Riesenmonster-Ideen sind bis auf die waghalsige Zeichnung Godzillas als nuklearbiologische Lebensform nicht auszumachen, und so wird letztlich auch nur Malen nach Zahlen betrieben (wobei Godzilla ja schon immer ein wenig „nuklearbiologisch“ war – dieser bislang nur von seinem Atemstrahl illustrierte Ansatz wird hier jedoch deutlich vertieft). Das Ergebnis ist ein fast lähmend humorloser (den Obdachlosen vergessen wir) und düsterer Streifen, der unter einem etwas billigen Look und farblosen menschlichen Figuren leidet, mit seiner ostentativ auf den Kalten Krieg verweisenden Handlung aber leidlich fesseln kann, eine sehr dichte Atmosphäre aufweist und einige wirklich eindrucksvolle Krawallszenen mitbringt – wenn man all das miteinander verrechnet, kommt guter Durchschnitt heraus. Ich für meinen Teil hatte indes sehr viel mehr Freude an diesem Streifen als bei der Erstsichtung vor etwa zwanzig Jahren, die mir als veritable Enttäuschung in Erinnerung geblieben war. So wie’s aussieht, hat mir wohl seinerzeit, nun ja ... einfach die geistige Reife für ein Werk wie Godzilla – Die Rückkehr des Monsters gefehlt ...

PS: Es existiert auch noch eine im Folgejahr unter dem Titel Godzilla 1985 erschienene US-Fassung dieses Films mit 87 Minuten Laufzeit. Hierfür wurden unter der Regie von R. J. Kizer wieder neue Szenen gedreht, in denen Raymond Burr wie fast dreißig Jahre zuvor in Godzilla – King of the Monsters!, dem US-Nachbau von Ishirô Hondas Ur-Godzilla, als Journalist Steve Martin zu sehen ist (in der Wiki lässt sich viel Interessantes dazu lesen). Ich hätte auch in diese respektlos umgeschnittene Fassung gern einmal hineingeschaut, aber sie liegt mir leider nicht vor. Egal – es sollte sich verschmerzen lassen.

Wie langweilig: Wieder einmal 8 von 10 Punkten aus meiner Sicht, aber diesmal sind sie knapp. Ansonsten lassen sich 6 von 10 halbwegs vertreten.

(04/24)




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