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Am Silvesterabend des Jahres 1899 stößt das wohlhabende, britische Ehepaar Jane und Robert Marryot - kurz bevor er gemeinsam mit seinem Bediensteten Alfred als Soldat in den zweiten Buhrenkrieg zieht - auf das neue Jahr an und begrüßt das 20ste Jahrhundert, welches so einige Tragödien für die Familie in petto haben soll: Nach der Rückkehr aus Afrika verfällt Alfred dem Alkohol und gerät unter die Räder einer Kutsche. Edward, der ältere Sproß der Marryots, geht 1912 gemeinsam mit seiner frisch angetrauten Frau Edith während seiner Hochzeitsreise mit der Titanic unter. Und der jüngste Sohnemann Joe, der just erst mit Alfreds Tochter Fanny angebandelt hat, kann 1914 den Kriegseintritt Englands kaum abwarten... Wie "Kavalkade" damals 1933 auf den Kinogänger gewirkt haben muss, als der erste Weltkrieg noch nicht so lange her war und der zweite sich bereits am Horizont abgezeichnet hat, kann man sich heutzutage rückblickend wohl noch ausmalen, aber sicherlich nicht mehr wirklich nachfühlen... und mit über neunzig Jahren Abstand betrachtet ist das Ganze dann als Kind seiner Zeit auch nur noch ein schlecht gealtertes und übertriebenes Melodrama und sicherlich auch einer der schwächeren Streifen, die je mit dem Oscar für den "Besten Film" ausgezeichnet wurden. Während ein "Flügel aus Stahl" (aka "Wings") ein paar Jahre zuvor als Kriegsfilm-Spektakel noch die Schauwerte en masse aufgefahren hat und Hollywood ein paar Jahre später mit einem "Vom Winde verweht" beweisen soll, was in Sachen Kino-Epos auf der großen Leinwand wirklich möglich ist, spult sich "Kavalkade" - seinen Ursprüngen als Bühnen-Stück entsprechend - primär als Aneinanderreihung von zähen Dialog-Szenen und breit ausgewalzten Tanz- und Gesangs-Einlagen vor dem Zuschauer ab (ohne allerdings ein echtes Musical zu sein), durch die man sich regelrecht bis zum Ende durchbeißen muss. Hauptdarstellerin Diana Wynyard als Jane Marryot zieht die Angelegenheit mit ihrer - kurioserweise ebenfalls Oscar-nominierten - im schlechtesten Sinne "theatralischen" Performance fast schon im Alleingang mächtig runter... und das nicht nur, weil sie zwischendurch immer wieder um bestimmte Text-Zeilen zu betonen bedeutungsschwer direkt in die Kamera guckt, was einen jedes Mal so richtig rausreißt. Andere Momente, die damals bestimmt noch wie beabsichtigt funktioniert haben (Stichwort "Titanic"... so gelacht, ey!), wirken aufgrund der Art, wie sie inszeniert sind, mittlerweile unfreiwillig komisch und fallen deshalb völlig flach. Der Film hetzt zwar in seiner weniger als zweistündigen Laufzeit fast schon in einem Affenzahn durch die wichtigsten Ereignisse des frühen 20sten Jahrhunderts, lässt allerdings keines davon so richtig wirken oder das Publikum die Auswirkungen auf die Hauptfiguren emotional nachempfinden... und selbst der gesamte erste Weltkrieg verkommt da fast schon zu einer zusammengestauchten Montage, die den gewaltigen Konflikt klein und bescheiden wirken lässt und die mal echt kein Vergleich zu den aufwendigen Schlachten aus "Flügel aus Stahl" darstellt. Paradoxerweise ist "Kavalkade" somit ein Film, in dem zwar rein inhaltlich eine menge passiert, der sich aufgrund der Art, wie sich die Erzählung da primär auf Jane Marryot fokussiert, jedch so anfühlt, als ob überhaupt nichts von Belang passieren würde... und der dadurch nun nur noch kräftig langweilt. Nicht mehr als eine auf Kino-Format aufgeblasene Seifenoper. Eine kleine Anmerkung meinerseits zum Schluss: Statt "Kavalkade" wäre der bei der 1934er-Verleihung der Academy Awards gänzlich ignorierte "King Kong und die weiße Frau" als einer der allergrößten Klassiker der Filmgeschichte, der sich bis heute auch gut gehalten hat, sicherlich die verdientere Wahl für das "Best Picture" gewesen... wie schade, dass vermeintliche Anspruchsdenke aber schon damals mehr gegolten hat als echtes Entertainment und sich daran bis heute auch nicht wirklich etwas geändert hat...

5/10

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