"My Brother" war der letzte Film von Won Bin vor Antritt seines Militärdienstes in Südkorea. Somit mussten sich die vielen weiblichen Fans bis heute gedulden ; gerade gestern wurde gemeldet, dass Won Bin wegen einer Knieverletzung früher aus dem Dienst entlassen werden wird und ein neuer Film von ihm scheint nur eine Frage der Zeit. Er gilt als der coolste koreanische Macho der Neuzeit und sein Auftreten hat tatsächlich was rebellisches im Stile von James Dean. Er verkörpert wie kein zweiter im südkoreanischen Kino den sanften Rebell mit Tragik und harten Fäusten. Auch im typisch koreanischen Melodram "My Brother" ist ihm diese Rolle wieder auf den Leib geschrieben und seine weibliche Fangemeinde wird wohl weiter angewachsen sein. Allerdings bringt "My Brother" auch nichts neues in dieses Genre ein, er fährt lieber solide aber risikoarm in sicheren Gewässern. Nostalgisch verklärtes und in Südkorea geliebtes tragisches und melodramatisches Kino, aufgewertet halt durch Won Bin in einer seiner typischen Rollen.
Der Film erzählt den Leidensweg einer schwer geprüften Familie. Nach der Geburt des ersten Sohnes trennt sich der Vater von der Mutter. Der Sohn ist behindert und der Makel scheint unüberwindbar. Dennoch kommt der Vater zurück und schnell ist die Mutter wieder schwanger. Vor der Geburt des gesunden zweiten Sohnes verstirbt der Vater und die Mutter muss ihr Leben mit zwei kleinen Kindern meistern.
Die Mutter ( gespielt von Kim Hae-suk ) arbeitet als Geldverleiherin und ihr Job bringt ihr einen zweifelhaften Ruf ein. Das hart verdiente Geld geht fast vollständig für die Operationen des behinderten Kindes drauf. Dieser sensible und weiche Sung-hyun ( gespielt von Shin Ha-kyun ) bekommt neben dem Geld auch die ungeteilte Liebe seiner Mutter. Der rohe und starke Jong-hyun ( gespielt von Won Bin ) muss stets zurückstecken und entwickelt sich mehr und mehr zu einem Schläger und Raufbold.
In der Schule regieren seine Fäuste und die Brüder haben ein gespanntes Verhältnis zueinander. Obwohl er seinen älteren Bruder zu beneiden scheint und ihn auch zu verachten scheint, schützt Jong-hyun seinen Bruder und passt auf ihn auf. Dennoch sucht er zweifelsohne immer seinen Vorteil. Dieser Konflikt wird beim Auftauchen des ersten Mädchens deutlich. Die hübsche Mi-ryeong ( gespielt von Lee Bo-young ) hat es beiden angetan, doch Jong-hyun nutzt für seine Annäherungsversuche schamlos die von seinem älteren Bruder geschriebenen Liebesgedichte. Als sein Bruder den Betrug bemerkt und sich ihm widersetzt, macht Jong-hyun allerdings einen Rückzieher.
Dieser Bruderkonflikt zieht sich über den gesamten Film hin. Der intelligente Sung-hyun wird in Seoul Medizin studieren und Jong-hyun wird auf die schiefe Bahn geraten. Der Film wird auf ein tragisches und sehr dramatisches Finale zulaufen, reizvoll aufgebaut und sehr symbolisch in seiner Aussagekraft ; typisch koreanisch halt.
Eigentlich ist "My Brother" richtig schön gemachtes koreanisches Kino, eine gute Besetzung und ein solides Drehbuch. Die "Obermutter" des koreanischen Kinos Kim Hae-suk und der zurückhaltend spielende Shin Ha-kyun gegen Won Bin. Dennoch gewinnt Won Bin den Vergleich spielend, er ist nunmal der Star des Films und er setzt die Akzente. Die hübsche Lee Bo-young ist und bleibt nur schmückendes Beiwerk und tritt kaum in Erscheinung.
Der Bruderkonflikt hat was entferntes von Kain und Abel ; am Ende des Films wird der Vergleich deutlich werden. Natürlich ist der stärkere der beiden mehr ein Vaterersatz als ein Sohn für die Mutter und ihre ganze Aufmerksamkeit musste sie fast schon zwangsläufig dem schwächeren Kind schenken, doch diese Problematik wird die Mutter den beiden niemals verständlich machen können. Diese Problematik und diese Einsicht kommt erst spät und nahezu immer zu spät.
Die Story stimmt also und sie macht auch betroffen, nur die Stilmittel sind immer identisch. Wieder einmal gibt es seichte und verträumte Klaviermusik zu nostalgischen schwarz-weiss Fotos. Wieder einmal kommen die bösen Gangster ins Spiel, sie forcieren den Konflikt und führen letztendlich auch zur finalen Katastrophe. Und wieder einmal kommt die zeitlich versetzte Erzählweise zum Tragen, ein gern genutztes Stilmittel um den Schmerz des Verlustes noch deutlicher zu machen. Alles probate und wirksame Mittel, doch alles schon altbekannt und oft gesehen. Und so verharrt der Film auf einem zwar hohen Niveau, doch aus Mangel an neuen Ideen auch in einer sicheren Position im oberen Mittelfeld.
Auf den ersten neuen Output von Won Bin allerdings dürften sich viele weibliche Koreanerinnen seit heute noch mehr freuen.
Solide 7 Punkte für reichlich koreanischen Melodramklebstoff.