Review

In den 60er-Jahren wurde im Viktoria-See im Herzen Afrikas der Nilbarsch ausgesetzt. Innerhalb kürzester Zeit löschte dieser Raubfisch größte Teile der heimischen Fauna aus. Was auf den ersten Blick nach einer rein ökologischen Katastrophe klingt, entpuppte sich bald als große Chance für die Industrie Tansanias. Bis heute werden täglich hunderte Tonnen Nilbarsch an Europa, Asien und Amerika geliefert. Doch von dem Geld, das die Firma damit einnimmt, sieht die am See ansässige Bevölkerung so gut wie nichts.

In klaren, einfachen Bildern wird hier die Erfolgsgeschichte (sozusagen in doppelter, nämlich biologischer und wirtschaftlicher Hinsicht) des Nilbarschs im Viktoriasee erzählt - wie aus einem darwinschen Albtraum ein industrieller Traum wurde. Zumindest für die Firmeninhaber. Denn in ebenso simplen Bildern zeigt der Film auch die Schattenseiten dieser Entwicklung: Frauen, die in madenverseuchten Fischabfällen nach Essen für sich und ihre Kinder wühlen. Waisen, die auf der Straße leben und sich mit Alkohol- und Drogenräuschen von der Kälte der Realität ablenken. Junge Mädchen, die ihre Körper an die Piloten der Frachtmaschinen verkaufen, die den Fisch abholen.

Der Film verzichtet weitgehend auf Kommentare (einzig die Fragen an interviewte Personen stammen vom Filmteam) und zeigt so eines der deutlichsten Beispiele für die verabscheuungswürdige Arroganz und Ignoranz, mit der die so genannten zivilisierten Industrienationen die Dritte Welt ausbeuten. Wir leben hier in einem Luxus und Überfluss, der den meisten nicht einmal mehr bewusst ist, während Millionen von Menschen (nicht nur) in Afrika am Rande des Hunger- oder Seuchentodes dahinvegetieren. Und es ist ja nicht so, dass wir nicht die Mittel hätten, etwas zu verändern. Man muss sich die Tatsache auf der Zunge zergehen lassen, dass russische Frachtmaschinen leer um die halbe Welt geflogen werden, um 50 Tonnen Nilbarsch abzuholen und nach Europa zu bringen. Und als wäre dieses Beispiel für die verschwenderische Überlegenheitshaltung der westlichen Welt noch nicht empörend genug, eröffnen die Piloten nach einigem Zögern dann schließlich, dass ihre Maschinen mitunter doch nicht ganz leer sind, wenn sie nach Afrika kommen: Sie werden als Transportmittel für Waffen, Munition und sogar Panzerfahrzeuge missbraucht, die an viele der blutigen Konfliktherde in Afrika geliefert werden.

Dies alles ohne Kommentare aus dem Off zu zeigen, ist die größte Stärke des Films. Zwar schwächt die Inszenierung mitunter seine Aussagekraft - zu subjektiv, zu sehr nach Mitleid heischend wirken viele der Nahaufnahmen auf die Gesichter der interviewten Bewohner des Dorfes am Flughafen, auf dem die Flugzeuge aus aller Welt landen. An manchen Stellen könnte man sich auch gut vorstellen, dass man keinen Dokumentar-, sondern einen Spielfilm sieht, so gestellt scheinen einige Szenen. Doch das ändert nichts daran, dass "Darwins Nightmare" empört, aufrüttelt und verärgert. Nach diesem Film möchte man aufstehen und etwas tun, etwas verändern. Und das ist wohl das beste Ergebnis, das eine Dokumentation erreichen kann.

Details
Ähnliche Filme