Sieben Jahre nach Camille Keaton wandelt Deborah Tranelli (Bobby Ewings Sekretärin Phyllis Wapner in der TV-Serie Dallas) auf deren blutbesudelten Spuren und bespuckt eifrig Gräber. Unter der Regie des 2008 verstorbenen Cirio H. Santiago wird ihr erst übelst mitgespielt, bevor sie es ihren Peinigern so richtig schön heimzahlen darf. Und das Publikum steht geschlossen hinter ihr und wünscht dem dreckigen Gesindel einen grausamen Tod. Was ist geschehen?
Nach einem romantischen Abendessen in einem New Yorker Restaurant beweist Carla Harris' (Tranelli) Ehemann Mark (Terrence O'Hara) auf dem angrenzenden Parkplatz Zivilcourage, eilt einer überfallenen Frau zu Hilfe und wird vom Täter eiskalt erschossen. Um etwas Abstand von der Tragödie zu gewinnen, zieht sich die verzweifelte Witwe in ihre Heimatstadt Silver Lake zurück, wo ihre Eltern nach wie vor leben. Schnell wird klar, daß die ländliche Kleinstadt ein Sammelplatz für männlichen Abschaum ist. Alle scheinen nur von einem Gedanken besessen zu sein: die reiche, erfolgreiche Carla - die es im Gegensatz zu ihnen zu etwas gebracht hat - flachzulegen. Es kommt, wie es kommen muß: Nachts dringen die Männer erst ins Haus und dann in sie ein. Als Carlas Eltern überraschend zurückkommen, eskaliert die Situation vollends. Einige Ladungen Schrot scheinen das Problem zu lösen, und im Glauben, alle seien tot, rücken die Mörder und Vergewaltiger ab. Doch Carla überlebt und verbringt die nächsten Tage zutiefst traumatisiert im Krankenhaus, katatonisch ins Leere starrend. Vom Gesetz im Stich gelassen wird ihr klar, daß sie selbiges in ihre eigenen, zarten Hände nehmen muß, um den Bastarden, die ihr Leben zerstört haben, die gerechte Strafe zukommen zu lassen.
Naked Vengeance ist klassisches Rape-Revenge-Exploitation-Kino: geradlinig und brutal, schmierig und formelhaft, schmutzig und befriedigend. Die Grenzen zwischen Gut und Böse sind klar definiert, wobei die Bösen richtige Dreckskerle sind, denen man zumindest die Pest an den Hals wünscht. Dieser Wunsch geht zwar nicht in Erfüllung, allerdings sind Carlas Aktionen, mit denen sie das Übel ausmerzt, ein würdiger Ersatz. Es wird zerquetscht, verbrannt und zerschnetzelt, aber auch Eispickel, Fleischerbeil und Schrotflinte kommen zum Einsatz. Und natürlich darf auch eine zünftige Kastration nicht fehlen, wenn die splitternackte Carla einem so notgeilen wie strohdummen Schmierlappen erst vorgaukelt, sie wäre scharf auf ihn, nur um ihm danach mit einem gekonnten Schnitt seines besten Stückes zu berauben (in dieser Szene ist der Titel Programm: Naked Vengeance).
Deborah Tranelli ist glaubhaft in der Hauptrolle als von Rachegelüsten zerfressenes Opfer, das schließlich selbst zum Täter wird. Sie darf auch das Titellied Still Got a Love zum Besten geben, eine typische 80er-Jahre-Rockballade, bei der sich einem entweder vor Grausen die Zehennägel aufrollen oder aufgrund purer Nostalgie die Gänsehaut aufmarschiert. Der überwiegend in und um Baguio City auf den Philippinen gedrehte Streifen ist akzeptabel inszeniert, nimmt sich selbst sehr ernst und zieht sein Ding bis zum Ende kompromißlos durch. Die nicht übermäßig ausgewalzte Vergewaltigungsszene, in der die hilflose Carla von fünf Männern hintereinander und in verschiedenen Positionen geschändet wird, ist unangenehm anzusehen und hinterläßt so viel Eindruck, daß man die Bilder bei Carlas Rachefeldzug stets vor Augen hat und gar nicht in Versuchung kommt, mit dem brutalen Pack Mitleid zu empfinden.
Woran es Naked Vengeance etwas mangelt, ist die Würze, der Mut zu Überraschungen, die eine oder andere originelle Idee. Daß sich die Bewohner von Silver Lake als ignorante Rednecks entpuppen, die sich auch schon mal zu einem fröhlichen Lynchmob zusammentun, ist z. B. solch ein netter Einfall. Davon hätte ich gerne mehr gesehen. Doch mit eigenen Ideen halten sich Santiago bzw. seine Drehbuchautoren vornehm zurück, und so bleibt Naked Vengeance eine solide I Spit on Your Grave-Variante, ohne jemals die unangenehme, rohe Intensität des Vorbildes zu erreichen. Denn während der Fokus bei Meir Zarchis berüchtigtem Schocker auf den barbarischen Vergewaltigungsszenen liegt, legt Santiago sein Augenmerk eher auf den wesentlich gefälligeren Rachepart, der in einen bluttriefenden Showdown mit dem von Kaz Garas (Final Mission) gespielten Anführer der Bande gipfelt. Exploitationfilmfans werden mit Naked Vengeance jedenfalls gut bedient, vorausgesetzt natürlich, sie kommen in den Genuß der unzensierten Fassung.