James L. Brooks trieb Jack Nicholson 1998 mit “Besser geht’s nicht” zu seinem dritten Oscar, seinem bereits zweiten unter Brooks’ Regie - für “Zeit der Zärtlichkeit” wurde Nicholson schon in den Achtzigern mit dem Nebendarsteller-Oscar ausgezeichnet.
Nun ist Nicholson freilich ein Mann, der Freiraum zur Entfaltung braucht, um richtig genial zu sein. Ein Mann, der gerne seine Figuren packt und ihnen Leben einhaucht, das sie von den Schablonen löst, die sie zunächst in der Theorie noch sind.
Weiter ist Nicholson nun ein wunderbares Abbild für die Arbeitsweise, die James L. Brooks zu bevorzugen pflegt. Seine Arbeiten als Regisseur sind charakterfokussierte, menschliche Geschichten aus dem wahren Leben - kauzig und ein wenig querdenkerisch sicherlich, aber doch wie aus dem persönlichen Erfahrungsschatz des Regisseurs, Drehbuchautoren und Produzenten entnommen. In seinen Arbeiten kommt es darauf an, die Figuren nicht etwa Geschichten erzählen zu lassen, sondern jene Figuren die Geschichten sein zu lassen. Das kommt Darstellern wie Jack Nicholson natürlich entgegen und die Auszeichnung mit Preisen ist da nurmehr ein logischer Schluss.
Mit “Spanglish” folgt nun also sieben Jahre nach dem letzten Triumph das neue Werk des Amerikaners, der sich diesmal des Culture Clashs annimmt und eine spanische Emigrantin mit ihrer kleinen Tochter auf eine US-Familie stoßen lässt. Vorprogrammiert ist ein erneutes Casting-Feuerwerk in einem charakteristischen Gemisch aus menschlichem Drama und (Liebes-)Komödie, das seine Figuren sich wie Blüten entblättern und entfalten lässt.
Nun, Brooks neuestes Werk lässt alle hohen Erwartungen und zugleich alle Befürchtungen wahr werden, die man nach “Besser geht’s nicht” entwickeln konnte. Denn eines ist seine Kulturstudie unter Garantie auch diesmal wieder: für so manche Überraschung gut. Und Überraschungen taugen dazu, entweder zu erfreuen oder zu enttäuschen.
Die erste Überraschung ist die, dass “Spanglish” sehr rasch seine Eigenschaft als Kulturstudie aufgibt oder zumindest in den Hintergrund verbannt. Zwar scheint zunächst alles auf die unterschiedlichen Lebensweisen zwischen Amerikanern und Südeuropäern hinauszulaufen, doch zugunsten der Individuenentwicklung verzichtet der Regisseur alsbald darauf, Schlüsse auf ganze Kulturgruppen zu ziehen und beschäftigt sich lieber einzig und alleine mit seinen Protagonisten. Dem Zuschauer gewährt er einen ganz kurzen Einblick in das Viertel der Hispano-Amerikaner, der aber nicht mehr als zwei Minuten dauert. Weitere fünf Minuten schenkt er dem Gespräch zwischen Flor Moreno (Paz Vega) und ihrer Tochter Cristina (Shelbie Bruce) - dann trifft die Spanierin im Haushalt der Amerikaner ein und alles weitere konzentriert sich auf die Eingliederung Flors in den Familienalltag und die Probleme, die diese Arbeitsgemeinschaft mit sich bringt, als sie sich langsam in Freundschaft und teilweise fast in Liebe verwandelt.
Der erste Schock jener Zuschauer, die aufgrund des Titels eine stärkere Auseinandersetzung mit Kulturdifferenzen erwartet haben, ist da und wird die noch folgenden knapp zwei Stunden im schlimmsten Fall mit Ablehnung quittieren.
Doch ein weiteres Vorurteil bilden wir uns bereits auf das Cover schielend, denn von dort aus grinst uns Blödelbarde Adam Sandler debil lächelnd an und verspricht, eine klassische Fehlbesetzung zu werden. Einen Toast jedoch auf jene, die bereits Paul Thomas Andersons wundervollen “Punch Drunk Love” in Augenschein nehmen durften, denn sie wissen, dass man Sandler auch in anspruchsvollen Filmen sinnvoll einsetzen kann. Hier hinkt nun der Vergleich mit Jack Nicholson, denn Sandler ist kein Schauspieler im herkömmlichen Sinne, sondern so etwas wie ein lebendes Ausstattungsstück, wie ein Teil des Produktionsdesigns, das man mit dem richtigen Händchen ausgesprochen exzellent einsetzen kann. James L. Brooks beweist zwar nicht ganz so eindrucksvoll sein Händchen wie Kollege Anderson, aber doch gut genug, um zu sichern, dass Sandler als gutmütiger Familienvater in diesem Film alles andere als eine Fehlbesetzung ist.
Es wäre zuviel gesagt, dass Sandler großartig schauspielern würde, aber er wirkt nun einmal so, als täte er es; der aktive Part liegt hier ganz klar beim Regisseur, der seinen Akteur wahrlich dirigiert und ihn für seine Zwecke einsetzt. Er fügt ihn dem Gesamten wie ein fehlendes Puzzleteil zu und es funktioniert wahrhaftig im Zusammenspiel mit dem Restcast.
Als da wäre vor allem die nicht englisch sprechende Paz Vega, die auf dem Set einen Dolmetscher beschäftigte und hier ihr Hollywood-Debüt gibt - könnten die Voraussetzungen noch lebensnäher sein? Wohl kaum, denn was am Set stattfand, hat es zu großen Teilen auch in die Filmhandlung geschafft. “Spanglish” könnte beinahe genauso gut ein Film über eine spanische Schauspielerin sein, die in Hollywood ihren Einstand gibt und bei einer amerikanischen Familie von Filmschaffenden unterkommt - die Charaktermotivationen wären die gleichen und das beweist, wie wenig die Story selbst von Belang ist als vielmehr die Figuren, durch welche sie getragen wird.
Man lässt sich wirklich fallen in die Handlung, die sich Stück für Stück aus sich selbst ergibt wie das richtige Leben. Man lernt Figuren kennen, die man gar anfangs zum Teil noch anders einschätzt als man es später tut. Exemplarisch dafür ist die Clasky-Tochter Bernice, von der damals 16-jährigen Debütantin Sarah Steele dargestellt, die man anfangs nach dem üblichen Filmklischeedenken noch als ewig grinsendes, pummeliges Mauerblümchen ohne jeglichen Sympathiewert einschätzt, bis sie zunehmend mehr von sich preisgibt und dem Zuschauer langsam ans Herz wächst. Wie im richtigen Leben auch der Aufmerksamkeitsfokus, der bestimmte Figuren mit mehr Aufmerksamkeit belegt als andere, so dass der Sohn der amerikanischen Familie zunehmend aufs Abstellgleis gerät und gewissermaßen in der Handlung, die sich fast spontan ergibt, plötzlich keinen Platz mehr hat, also herausgedrängt wird. Was in manchem Film ein Minus ist, kann diesem Projekt zu einem Vorteil gereichen.
Téa Leoni soll als Kuriositätenansammlung den Platz füllen, den Nicholson hinterlassen hat, und vermag auch durch das Zusammenspiel mit dem passiven Sandler ihre Rolle auszufüllen. Dies macht sie vielleicht schon ein wenig zu intensiv, da sie als Einzige im Ensemble hin und wieder droht, in die Darstellung einer Karikatur abzufallen. Schräge Charaktere sind in einem Brooks-Film gerne gesehen, sie müssen aber auch ein wenig dem Naturell des jeweiligen Darstellers entsprechen, damit es nicht überzeichnet wirkt. Mir persönlich ist Téa Leoni nun schon in “Dick & Jane” als Komödiantin eher zwiespältig in Erinnerung geblieben, obwohl sich hier wie dort auch Dramatisches in die Comedy schlich, was Leoni zugute kommt. Dennoch kann ich mich nicht ganz mit ihrer Spielweise anfreunden. Die Orgasmus-Szene war mir beispielsweise schon fast ein Stück zu weit, anderes wiederum passte ganz gut, doch bewegt sich ihre Spielweise sehr nahe an der Grenze zum Hysterischen, und das tut dem Geschehen nicht immer gut.
Auch der Wechsel ins Fach Love Story wirkt ein wenig bemüht, fast erzwungen, entfaltet dann aber seine Wirkung und gliedert sich doch noch stimmig in das Gesamtwerk an, von dem man oft zwar das Gefühl hat, es sei ziellos und könne sich nicht für eine Richtung entscheiden, was aber letztendlich auch einfach nur ein Ausdruck des Lebens sein kann.
Die Bindungen, die man schließlich zu den Charakteren aufgebaut hat, wirken sich zumindest am Ende zwingend auf die Emotionalität aus und verführen dazu, den Bruch mitfühlend zu erleben. Im Grunde genommen wiederholen sich sämtliche Schemata von “Besser geht’s nicht”, denn gemeinsam mit den Figuren macht man eine Entwicklung durch und steht am Ende vor einer komplett anderen Ausgangssituation als zu Beginn. Dinge haben sich verändert und die Veränderungen hat man allesamt miterlebt. Dabei lief der Regisseur sicherlich mehrfach in Gefahr, das Wesentliche aus den Augen zu verlieren; mit böser Zunge könnte man gar behaupten, dass “Spanglish” nichts Wesentliches anhafte. Schließlich ist er genauso wenig eine Auseinandersetzung mit Kulturdifferenzen wie er Milieustudie ist oder Familiendrama oder eine romantische Komödie. Es gibt weiterhin kein Zugpferd, das den Karren aus dem Dreck hievt. “Spanglish” ist keine One-Man-Show, sondern Family Business. Leonis Spiel wäre in dieser Intensität sicherlich nicht nötig gewesen. Doch James L. Brooks macht nichts weiter, als das Leben nachzuzeichnen. Die Castingabteilung bewies gerade bei Adam Sandler und Paz Vega, aber auch bei vielen Nebendarstellern gutes Gespür - nicht wegen besonders herausragender Schauspielleistungen (obwohl man solche Paz Vega eigentlich unterstellen kann), vielmehr deswegen, weil sie allesamt hervorragend ins Konzept passen. “Spanglish” ahmt mit seiner unentschlossenen, ehrlichen Fortführung der Geschichte einfach verdammt gut das Leben nach. Er weiß oft nicht, wohin er will, und das ist weit mehr, als man von vielen RomComs oder Filmen mit triefenden moralischen Botschaften jemals erwarten könnte.