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Auch wenn Juraj Herzs Version von Die Schöne und das Biest in Deutschland in einer Reihe namens „Meine Märchenwelt“ auf DVD erschien, sollte man nicht mit der Erwartungshaltung, einen klassischen tschechischen Märchenfilm für Kinder zu sehen zu bekommen, an das Werk herantreten. Rein oberflächlich handelt es sich natürlich um ein Märchen. Juraj Herz übernahm die Geschichte ohne sie großartig zu verändern und ließ sich offenkundig zusätzlich von der grandiosen Adaption Jean Cocteaus aus dem Jahre 1946 inspirieren. Allerdings verheißt einem bereits der Anfang, dass man viel mehr geboten bekommen wird als einen unterhaltsamen, amüsanten, charmanten Kinderfilm. Noch vor dem Vorspann sehen wir einen Tross Reiter, die Wägen voller Waren in das Dorf bringen sollen, in dem der Vater der Schönen, die diesmal Julie heißt, die Güter erwartet. Der Wald, durch den sie ziehen, ist fast vollkommen von Nebelschwaden umschlungen. Eine junge Frau, die dem Tross angehört, warnt den Anführer, dass man besser umkehren solle, denn nun betrete man ein Gebiet, das nicht geheuer sei. Der Reiter weist sie zurück, gibt nichts auf ihre Reden, die er für abergläubisches Geschwätz hält, und befiehlt den Weitermarsch. Die Männer, Pferde und Wägen versinken daraufhin im Nebel und wir sind uns sicher, dass es kein gutes Ende mit ihnen nehmen wird. Was folgt, ist der Vorspann, der, mit düsterer Musik unterlegt, aus einer Abfolge von Detailaufnahmen von barocken Vanitas-Gemälden besteht. Totenschädel, die mit frischen Blumen umkränzt sind, werden immer wieder prominent ins Bild gerückt. Nachdem die letzten Namen der Credits vorbeigezogen sind, befinden wir uns plötzlich mitten in dem ärmlich aussehenden Dorf, wo Vorbereitungen für ein Hochzeitsfest getroffen werden. Völlig unvermittelt wird einem Hahn der Kopf abgeschlagen, einem Schaf die Kehle durchgeschnitten, ein bereits getötetes Schwein ausgeweidet. Schon die ersten fünf Minuten machen klar, dass Herz, der sich wie viele andere Regisseure der Tschechischen Neuen Welle in den 70ern mit Märchenfilmen über Wasser hielt, seine künstlerische Kraft in PANNA A NETVOR nicht zu unterdrücken dachte.
Vor allem die erste halbe Stunde des Werks erinnert mehr an einen Horrorfilm als ein Märchen. Zwar erfährt die Story keine dramatischen Neuerungen (Julies Vater gerät in das Schloss der Bestie, pflückt eine Rose für Julie, wird darauf von der Bestie erpresst, schließlich gibt sich Julie freiwillig in die Hände des Ungeheuers, um das Leben ihres Vaters zu retten), doch setzt Herz die Akzente eindeutig so, dass sie die schaurigen, die unheimlichen Seiten der Geschichte betonen. Szenen, die einem zum Schmunzeln verleiten, findet man überhaupt nicht. Stattdessen werden Bilder geschaffen, die einen schier sprachlos werden lassen. Die Landschaftsaufnahmen, wiederum bestimmt von schweren Nebelschwaden, erinnern an Gemälde von Caspar David Friedrich, während das Schloss der Bestie mit einer barocken Atmosphäre von Verfall und Vergänglichkeit durchzogen ist. Rein optisch ist der Film eine Augenweide. Doch auch inhaltlich schafft er es mit seinen Bildern mitzuhalten. Im Schloss angelangt, ahnt Julie nicht, dass es sich bei ihrem Gastgeber um ein Ungeheuer handelt. Die Bestie, die, im Gegensatz zu dem löwenartigen Wesen, das Jean Marais verkörperte, nichts von einem Raubtier hat, sondern eher einem ins Groteske verzerrten Adler gleicht, zeigt sich ihr nie, kommuniziert mit ihr ohne von ihr gesehen zu werden, verbietet ihr, sich umzudrehen und ihr ins Angesicht zu blicken. In langen Gesprächen kommen Julie und das Ungeheuer sich nun näher. Sie verliebt sich in die Bestie ohne ihr wahres Aussehen zu kennen, während das Ungeheuer ganz offensichtlich an einer schizophrenen Krankheit leidet, die sich wohl in Folge seiner Verzauberung einstellte. Eine flüsternde Stimme in ihrem Kopf versucht, alle menschlichen Gefühle in ihrem Körper zu tilgen, will sie dazu bringen, ihre eigene Liebe zu Julie nicht zuzulassen, sie stattdessen zu ermorden. Als die Bestie sich weigert, verhöhnt die Stimme sie.
Der Fokus liegt eindeutig auf der Beziehung zwischen der Schönen und dem Ungeheuer und vor allem der psychologischen Darstellung des inneren Konflikts der Bestie. Die gesamte Nebenhandlung um die Schwestern Julies und deren Freier wurde auf ein Minimum reduziert. Die Szenen, die im Dorf spielen und nicht auf dem Schloss, fallen dann auch qualitativ deutlich von den restlichen ab. Fast wirkt es so, als habe Herz sie wie beiläufig gedreht, ohne ihnen viel Bedeutung zu schenken, sodass sie zu uninteressantem Beiwerk werden. Die Stärken des Films sind eindeutig die stummen Sequenzen, in denen Julie oder die Bestie durch die morbiden, romantischen, ruinenhaften Landschaften spazieren oder sich in den weiten Fluren des verfallenen Schlosses verlieren. Gesprochen wird sowieso nicht viel, und wenn, dann haftet den Dialogen etwas Theaterhaftes an, das die Unwirklichkeit des Films zusätzlich unterstreicht. Dominierend sind ruhige, teilweise außerordentlich unheimliche Szenen, in denen die einzigartige gotische Atmosphäre vollkommen ausgespielt wird. Zusätzlich geizt der Film nicht mit Einfällen besonderer Art. Als der Tross zu Beginn in einen Hinterhalt der Bestie gerät, ergreift plötzlich Wahnsinn die Reiter, die sich gegenseitig umzubringen beginnen, nachdem ein Busch, der ihnen den Weg versperrt, unvermittelt in Flammen aufgeht. Ebenfalls gelungen ist die Jagd der Bestie auf ein Rehgeiß, dem es zu Ross am Ufer eines Sees hinterher stellt.

Sowohl Cocteaus wie auch Herzs Adaption des Stoffes sind beides poetische Filme, Filmgedichte, deren Bilder auf einer lyrischen Ebene funktionieren. Obwohl PANNA A NETVOR nicht an Cocteaus Version heranreicht, die ich für eins der Meisterwerke der Filmgeschichte halte, ist Juraj Herz ein brillanter Film gelungen, bei dem mich einzig die Dorfszenen und das etwas rasche, irgendwie unfertig wirkende Ende störten. Das sind jedoch vernachlässigbare Makel, die nicht darüber hinwegtäuschen, dass die erwachende Liebe zwischen Julie und der namenlose Bestie in einer einzigartigen Weise inszeniert wurde, die mich nicht mehr hätte berühren können.

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