Psychedelisch anmutender Avantgarde-Horror des französischen Meister des extravaganten Blutsauger-Abenteuers, begrenzt surreal, expressionistisch, wieder mal wunderschön in Szene gesetzt, düster, in christlich-okkulten Gewand und Hammerfilm-Optik.
Da wo "Das Blutgericht der reitenden Leichen" und "Subspecies", nicht zuletzt Franco und D'Amato, kläglich versagten und den europäischen, auch italienischen Horrorfilm in einem zugegeben sehr zwiespältigem Licht erschienen ließen, erschafft der Godard des französischen Vampirfilms (überdeutlich "Requiem For A Vampire") wieder einmal ein atmosphärisch-schauriges Horrormärchen für Erwachsene, dass stilistisch der Schwarzen Romantik, dem Barock des europäischen Horrorfilms und dem Mystizismus zuzuordnen ist und als solches nicht nur einzigartig, sondern filmisch eine wahre Glanzleistung darstellt.
Raffiniert stellt Rollin die Maskerade des klischeebeladenen Gruselfilms in Frage, argwöhnt mit dem Brauchtum des maßgeschneiderten Vampir-Epos und inszeniert sein blutsaugendes Essay als erotische Vampir-Odyssee, ohne typische Stilmittel und frei von jeglicher Konvention. Da wo althergebrachte Hammerergüsse dem Horrorgenre ihren gewohnten Schliff verpassten und zuhauf schaurige Gruselmärchen nach literarischem Vorbild inszenierten, verpasst Rollin dem blutsaugenden Grafen ein gekonnt "transylvannisches" bzw. "pseudo-rumänisches" Image, nicht immer politisch korrekt, aber grundsätzlich stimmig. Die französische Herkunft wird, bis auf den O-Ton vielleicht, nicht allzu deutlich.
"Shiver of the Vampire" gesellt sich damit auch und unweigerlich zu zahlreichen, das Muster durchbrechenden Spin-Offs wie "Nosferatu in Venedig", exploitationähnlichen Hammerproduktionen wie "Satanic Rites of Dracula" oder "Demons of the Mind", "Dracula's Widow", "Alucarda", "Carnival Of Blood", Schundliteratur wie "La Bête", nicht jedoch Anger ("Lucifer Rising", "Invocation of My Demon Brother"). Protagonisten und Schauplätze könnten entfernt einem Roman Eco's nachempfunden sein.
Gerade der Vampirfilm schien sich in der europäischen Avantgarde der 1970er Jahre ja besonders großer Beliebtheit zu erfreuen. Man denke auch an Batzella ("Nude for Satan", "Full Moon of the Virgins"), der ansonsten eher durch weniger gelungene Westernbeiträge und gleichsam unterhaltsame Lagerexploitation von sich reden machte. Rollin besticht dabei durch eine filmisch-literarische Ader, kanonisch zwischen Shakespeare, Stoker und Grimm und stellt sich auch unweigerlich die Frage des Lebens nach dem Tod. Auch im Hinblick auf Friedkin's bahnbrechenden "Exorzisten" sticht "Shiver Of The Vampire" der Poe-Anhängerschaft sofort ins Auge.
Rollins Jenseitsfrage ist poetischer, in biblisch-okkultem Gewand, lässt den Zuschauer erschaudern und dann wieder durchatmen. Sowohl Bildsprache, als auch Ästhetik sprechen Bände. Die Kombination psychedelischer Rockmusik mit alten Gemäuern und Friedhöfen/Totenschädeln mag im ersten Moment zwar fragwürdig erscheinen, geht schlussendlich aber auf.
Die Manson Family als blutsaugende Bestien ...
Mephistoteles als erotische Pink Floyd-Vampir Orgie ...
So oder so ähnlich ...
Mal angenommen wir hätten "The Crow", "Pentagramm" oder "Dellamorte Dellamore" irgendwo im Hippie-Gewerbe angesiedelt, hätten wir wohl sowas wie dieses westeuropäische Ebenbild eines Vampir-Klons.
Damit gesellt sich "Shiver of the Vampire" auch und unweigerlich zu psychedelisch anmutenden Sexploitern wie "Blue Rita", "Dr. Caligari" (1989) als surreal-psychedelischer "Zauberer von Oz", mit Abstrichen "Spermula", stilistisch irgendwo zwischen "Coffin Joe", "The Last House on the Left" und Jess Franco, "Blue Sunshine" bzw. "Orange Sunshine" für den Blutliebhaber, weniger LSD- oder Acid-lastig zwar als sein Nachfolger "Requiem For A Vampire" oder gar "Suspiria", auch weniger erotisch als diverse Spätwerke, in seiner Bildsprache deshalb nicht weniger eindrucksvoll bzw. bahnbrechend.
Der französische Argento schlägt jeden Fulci um Längen. In erster Linie weniger dilettantisch als einige seiner italienischen Vertreter, präsentiert uns Rollin ein surreales Schauermärchen für Erwachsene, abseits des Mainstream, dessen Brillianz schon immer einem kleineren Kreis vorbehalten war.
Weniger verwunschen zwar als die Träume der meisten Surrealisten, gesellt sich diese in ihrer Machart und Zielgruppe entsprechende, freizügige Exegese eine blutsaugeden Fürsten, auch zu surrealistischen Kinderbuch-Adaptionen für Erwachsene ("Alice" von Svankmajer oder "Valerie - Eine Welt voller Wunder"). Die märchenhaft, surreale Optik lässt jeden filmischen Poeten staunen.
Do wo ein D'Amato oder Franco ihren Fantasien noch durch den bloßen Gebrauch von Titten und exploitationähnlicher Erotik Ausdruck verliehen, getarnt als billig produzierte Horrorproduktion, und damit selbst eingefleischte Kenner wohl weitestgehend unbeeindruckt lassen dürften, erschafft Rollin eine ganz eigene Welt voller düsterer Magie, Okkultismus und Esoterik. Die markanten Clowns, die in einigen seiner früheren Werke verstärkt zum Tragen kommen, bleiben hier fern. "Shiver of The Vampire" wäre wohl sowas wie der "Blair Witch" unter den Bram Stoker-Adaptionen.
Für Exploitation-Verhältnisse vielleicht etwas zahm, für einen Erotik-Grusler schon absolute Spitzenklasse ...