Das ist er also!
Das ist der Film, der fast ausschließlich positive Kritiken bekommen und der folgerichtig auch die wichtigsten Oscars bei der Verleihung 2005 abgesahnt hat.
Was muss das für ein Film sein?
Die Erwartungen stiegen natürlich ins Unermessliche und sie wurden – Eigentlich war das auch abzusehen. – enttäuscht.
Aber sie wurden nicht nur ein bisschen enttäuscht, sondern leider sogar ziemlich stark.
Die Handlung des Films ist schnell erzählt: Die 30-jährige Maggie sieht im Boxen ihre einzige Chance, aus ihrem Leben noch etwas zu machen, wendet sich an den alten Boxtrainer Frankie, der sie nach einigem Widerwillen schließlich doch trainiert, zum Erfolg führt und ihr nach einem schweren Schicksalsschlag beisteht.
Die Art, in der diese Geschichte erzählt wird, ist außergewöhnlich.
Die Schauplätze beschränken sich auf ein Minimum. Fast alles spielt sich in Frankies Boxcenter und in verschiedenen anderen Hallen ab, in denen Maggie ihre Kämpfe bestreitet. Im letzten Drittel des Films kommt dann auch nur noch ein weiterer Schauplatz hinzu. Ganz selten wird dieser Mikrokosmos verlassen, z. B. wenn Maggie ihrer normalen Arbeit als Bedienung nachgeht, Frankie die Kirche aufsucht oder zu Hause betet.
Frankie verbringt seine Zeit in der Boxhalle meist mit Gesprächen mit seinem Hausmeister Scrap, der sogar in einem kleinen Zimmer in der Halle lebt, oder eben mit Maggie beim Training.
Auch die Ausstattung und das Licht des Films ist sehr spärlich, das Erzähltempo gemächlich, unterstützt durch die ebenso minimalistische Musik, einmal mehr von Regisseur und Hauptdarsteller Clint Eastwood selbst komponiert.
Was die Charaktere angeht, beschränkt sich Eastwood im Wesentlichen auf die Schilderung von Frankie, Maggie und Scrap, im Gegensatz zu seinem letzten Film „Mystic River“, in dem er sich noch mit einem höchst komplexen Beziehungsgeflecht auseinander gesetzt hat.
Allerdings sind diese Charaktere und ihre Geschichte leider weniger ungewöhnlich, sondern im Gegenteil eher konventionell geraten.
Die Geschichte ist - ganz klassisch, oder sollte man sagen altmodisch - in drei Teile gegliedert.
Im ersten Teil liegt der Schwerpunkt auf Maggies Training, bei dem sich Maggie und Frankie natürlich besser kennen lernen. Der zweite Teil schildert den Aufstieg Maggies zum Champion und auf den dritten Teil soll hier, um nicht zu viel von der Story vorwegzunehmen, nicht weiter eingegangen werden.
Leider lässt diese Geschichte kaum ein Klischee aus.
Weil sich Maggie nicht genug zu essen kaufen kann, muss sie sich die weggeworfenen Reste der Gäste des Restaurantes aus dem Abfall holen.
Maggie wird durch das Training von Frankie innerhalb von eineinhalb Jahren zu einem Champion, obwohl man normalerweise dafür vier Jahre mindestens braucht, in dem für Boxer sehr fortgeschrittenen Alter von Maggie eher noch länger.
In ihren Kämpfen haut Maggie ihre Gegnerinnen reihenweise in den ersten Sekunden weg.
Beides ist aber vielleicht noch durch ihren unbedingten Siegeswillen zu erklären.
Natürlich sieht Frankie dann auch in Maggie eine Art Ersatztochter und die Chance, etwas gut zu machen.
Als Maggie in einem Kampf gegen eine höherklassige Gegnerin die Nase gebrochen wird, richtet sie Franke mal eben mit der Hand.
Fast zum Lachen ist, dass die Weltmeisterin, gegen die sie dann auch irgendwann einmal antreten darf, eine Ex-Nutte aus der ehemaligen DDR sein soll. Und die sieht dabei auch eher aus wie eine Kubanerin.
Und natürlich schägt sie auch noch mal zu, als die Runde schon zu Ende ist, und darf trotz der nicht unerheblichen Folgen ihren Titel auch noch behalten.
Pures Klischee ist auch die Familie von Maggie, hier besonders die Mutter. Sie wird – sehr eindimensional - als fett, dummdreist und geldgierig dargestellt.
Eine Auseinandersetzung zwischen dem Ex-Boxer Scrap und einem Boxschüler fürht zu einem kurzen Kampf, den der junge Bursche natürlich verliert und kameragerecht auch noch schön einen Zahn ausspuckt.
Aber selbst über die Hauptcharaktere Frankie, Maggie und Scrap erfährt man nur sehr wenig. Maggie erzählt Frank ihre Lebensgeschichte in einem Satz, Scrap darf Maggie wenigstens erzählen, wie er sein Auge verloren hat und von Frankie erfährt man nicht einmal, warum seine Tochter seine wöchentlichen Briefe immer wieder ungeöffnet zurück schickt.
Das mag beabsichtigt gewesen sein, lässt den Zuschauer aber über die Motive der handelnden Personen oft im Unklaren.
Stattdessen sehen wir Frankie und Scrap bei Plaudereien über Socken und beim Philosophieren über das Boxen und das Leben. In diesem Zusammenhang vermittelt Franke Maggie auch Weisheiten wie „Tough ist nicht genug.“ oder „Geh’ dem Schmerz entgegen.“
Mit solcherlei Plattitüden und den viel zu ausführlich geschilderten Kampfszenen wird in den ersten beiden Teilen des Films wertvolle Zeit verschwendet, die eigentlich für die Charakterzeichnung nötig gewesen wäre.
Unklar ist in diesem Zusammenhang z. B. auch die Episode mit dem Pfarrer. Einerseits scheint Frankie ein sehr gläubiger Mensch zu sein, andererseits stellt er dem Pfarrer immer wieder alberne Fragen zur Bibel.
Als Frankie im dritten Teil des Films von einem Gewissenskonflikt geplagt sieht, sucht er den Pfarrer auf und bittet ihn um Rat. Diesen Rat verwirft er seinem Glauben zum Trotz allerdings nach einem kurzen Gespräch mit Scrap schnell wieder und zieht dann sein eigentlich geplantes Vorhaben durch, und das auch viel zu leicht, als dass es glaubwürdig sein kann.
In diesem dritten Teil des Films, der den unvorbereiteten Zuschauer wirklich wie ein rechter Haken ans Kinn trifft, allerdings auch etwas aufgesetzt wirkt, findet Clint Eastwood aber dennoch die stärksten Szenen. Erst hier, noch nicht, aber schon fast zu spät, nähern sich der verlassene Vater und die Ersatztochter richtig an. Der Panzer des harten, alten Mannes bricht langsam auf und Maggie kommt zu der Erkenntnis, dass sie alles erreicht hat, was sie wollte.
In diesen Szenen überzeugt auch Eastwood, der hier den harten Zyniker, den er schon in so vielen Filmen seiner langen Karriere dargestellt hat, in sich zerfallen lässt. Eine Oscarnominierung hätte dafür aber nicht unbedingt sein müssen. Morgan Freeman hat zweifellos generell auch einen Oscar verdient, aber in anderen Filmen, z. B. „Die Verurteilten“ oder „Mrs. Daisy und ihr Chauffeur“ war er besser. Der Oscar für Hilary Swank als Maggie geht in Ordnung, denn nicht nur als Kämpferin im Ring, sondern vor allem auch in den leisen Szenen macht sie eine gute Figur.
„Million Dollar Baby“ ist ein solide gemachtes Boxerdrama, das im ersten Teil ein wenig an „Rocky“ erinnert, gegen den er, was Charakter- und Milieuzeichnung angeht, nach Punkten verliert, im zweiten Teil zu viel Zeit mit der Schilderung der Kampfszenen verschwendet und erst im dritten, leider etwas aufgesetzt wirkenden Teil zu wahrer Stärke aufläuft.
An seinen letzten Film „Mystic River“ reicht Eastwood mit „Million Dollar Baby“ jedoch nicht heran. Und auch die Konkurrenz in diesem Jahr, also „Vergiss mein nicht“, „Sideways“, „Ray“ und „Aviator“ erweisen sich als stärkere Gegner.
6/10