Achtung, dieses Review beinhaltet extreme Spoiler. Wer den Film nicht kennt, sollte nicht weiterlesen.
Clint Eastwood ist wohl das beste Beispiel für einen ehemaligen Nur-Schauspieler, der durch eine in den 70ern gehabte Chance (bei SADISTICO), einmal Regie zu übernehmen, zu einem der versatilsten Regisseure avancierte! Denn eines muss man Eastwood´s Regiekünsten lassen; unterhaltsam, mitunter sehr spannend und athmosphärisch dicht sind seine Filme fast immer. Denkt man nur einmal an A PERFECT WORLD (1993).
Ich habe mir nun absichtlich zwei Tage nach Ansicht des Movies Zeit gelassen, damit sich das MILLION DOLLAR BABY in meinem Schädel setzen konnte. Das MILLION DOLLAR BABY hat eine gute, fast bis zum Ende geradlienig erzählte Story mit überraschenden Wendungen und tollen Darstellern.
Nun aber die leider nicht allzu raren Contras; warum dieses Drama vier Oscars erhalten hat, ist mir ehrlich gesagt schleierhaft. Denn auch wenn die Story ohne Umwege ihren Wege geht, so hatte ich das Gefühl, dass teilweise wichtige Storyelemente nur zu oberflächlich in Augenschein genommen und dann viel zu schnell wieder verwurfen wurden. Die Intention der Frau (Hilary Swank), zum Boxprofi werden zu wollen, erschien mir arg zu matschig. Keinerlei Passion zu dem besonderen Sport als solchen, als viel mehr der bloße Siegeswille überhaupt und die Absicht, ihre verkommene, etwas stereotyp dargestellte Familie absichern zu wollen, waren mir einfach nicht genug. Was mir dann ebenfalls fehlte, war ein hartes Training. Denn nachdem es die Frau geschafft hatte, den Trainer (Eastwood) von sich zu überzeugen, was auch nur ihrem großen Mundwerk, nicht etwa einer guten Basis bedurfte, ging es direkt und ohne Umwege ab auf den Weg zum Olymp. Würde es nur dem richtigen Schrittwechsel an der Boxbirne und einem mörderischen linken Haken bedürfen, um innerhalb kürzester Zeit einen Top-Kampf zu bekommen, wäre in der Boxszene der Welt sicherlich um einiges mehr los!
Also was die Intensität der Trainings angeht, schlägt beispielsweise der "WILDE STIER" das MILLION DOLLAR BABY um Längen. Mit der subjektiven, aus der Sicht Morgan Freeman´s geschilderten Erzählart habe ich nun, nachdem sich die Eindrücke etwas gesetzt haben, auch so meine Probleme. Wer DIE VERURTEILTEN kennt, wird sich eventuell auch gedacht haben, dass der Charakter Freeman´s und der Erzählstil so ziemlich der gleiche ist, wie der aus Darabond´s gutem Gefängnissklassiker. Also hier wurde ganz offensichtlich auf ein sich schon bewährtes Pferd im Stall gesetzt, was den Film für echte Cineasten nicht unbedingt schlechter, aber auch keines Falls besser macht.
Von Zeit zu Zeit verkehrt Eastwood in einer Kirche, um sich nach Gottesdienstende ein flottes Wortgefecht mit dem Priester zu liefern, welches wohl gleichermaßen zum Lachen anregen, wie auch den Charakter Eastwood´s undurchsichtiger und tiefgründiger machen soll. Dieses bleibt denn leider ohne wirkliche Auflösung und entpuppt sich am Ende des Filmes als kleine Mogelpackung.
Nun zum letzten Drittel des Movies, an dem ich leider noch das Meiste auszusetzen habe. Ein Unfall, wie der, den Hilary Swank bei Ihrem letzten Kapf hat, kann natürlich passieren - so oder so ähnlich ist es vielleicht auch schonmal passiert. Nur empfinde ich die Szene, in der sie mit dem Kopf auf einen im Ring liegenden Hocker fällt, leider auch als arg konstruiert. Hier wurde auf einfachste Art versucht, eine Metapher für den plötzlichen Abbruch einer großen (meiner Meinung nach zweifelhaft nachvollziehbaren) Karriere zu schaffen, welche wirklich besser hätte gemacht werden können.
Nun kommen die endlosen Überblendungen. :o(
Die Boxerin überlebt den Sturz nur um Haaresbreite und liegt, an unzählige Schläuche angeschlossen, im Krankenhaus wo ihr auch schon bald diagnostiziert wird, dass sie sich niemals mehr bewegen werden könne.
Wieder kommt alles, wie es kommen muss. Die böse Mutter der Frau, zusammen mit der nicht weniger bösen Familie, tauchen natürlich im Krankenhaus auf, um aus dem Elend der Frau Kapital zu schöpfen - bitte, Mr. Eastwood, da hätte man sich viel besseres einfallen lassen können!
Nun kommt, auch das musste so kommen, die Frage nach Sterbehilfe. Als ob es der invaliden Ex-Kurzzeit-Boxerin immer nur um den Sport gegangen wäre und als ob sie nun, nachdem sie ihren letzten Kampf so gut wie in der Tasche hatte, alles erlebt hätte. So ein Quatsch - rührseliger geht es einfach nicht! Zwar kann ich nachvollziehen, dass man in der Situation der Frau, die nur noch die Option hat, bewegungsunfähig den Rest ihres Lebens im Krankenhaus zu verweilen, sterben möchte. Aber all diese 100%ig nachvollziehbaren, auch schon tausendmal gesehenen Klischees in eine Story zu packen, ist einfach zu einfach!
Natürlich entscheidet sich ihr Ex-Trainer am Ende des Files dafür, das Elend der jungen Frau zu beenden. Und spätestens als er ihr vor Abziehen des Luftschlauches verrät, was der schottische Aufdruck auf ihrer Jacke bedeutet, müssen einfach die Tränen kullern.
Nach dem Ableben der Frau verschwindet der Trainer dann auf nimmer Wiedersehen - wie traurig!
Jetzt mögen Sie, lieber Leser dieser Review, sich sicherlich fragen, warum ich dem Film bei all den zerfetzenden Kritiken noch sieben Sterne gebe.
Nun, wie ich schon kurz anmerkte, ist das MILLION DOLLAR BABY zumindest größtenteils geradlienig (wenn auch nicht ganz realistisch) erzählt. Fehler finden sich zwar nicht allzu sehr im Detail, jedoch kann man mit viel Wohlwollen versuchen, darüber hinwegzusehen. Wenn einem das gelingt, so präsentiert sich der Film als interessanter Zeitvertreib!
Ich lasse nun einfach gut sein und den Fans des Filmes (sowie der offensichtlich amerikanischen Academy, die den Film wohl grandios fand) einfach ihre Freude daran und verabschede mich.