Es ist einfach unglaublich, wohin Eastwoods Weg ihn gebracht hat: Von einem zweitklassigen Westernserienstar, über die Italowestern, zum knallharten Einzelkämpfer Dirty Harry in etlichen Varianten, schließlich als Karikatur seiner selbst fast endend (Der Mann aus San Fernando) bis hin schließlich zu einem der besten Regisseure dieser Zeit. Gleichzeitig im Spätherbst seiner Karriere plötzlich auch schauspielerische Klasse offenbarend - und das schon seit über 15 Jahren.
Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann Eastwood mal einen durchschnittlichen Film gedreht haben soll?
Dieser Film bildet da weißgott keine Ausnahme - eher das Gegenteil ist der Fall (dazu später mehr).
Morgan Freeman scheint ein Garant dafür zu sein, dass Eastwood seine besten Filme anscheinend mit ihm an seiner Seite verwirklichen wird. Ist Freeman an sich schon ein großartiger Schauspieler, so wird er unter Eastwoods Regie zu einer Einheit mit seiner Figur. So kann sogar eine wirklich nur zweitrangige Figur wie er sie hier zu spielen hat zu einer wahrlich großen Figur reifen.
Das Drehbuch von Paul Haggis ist einfach eine Wucht und die Charakterzeichnung ist liebevoll gelungen. Die Kameraführung und Belichtung ist einfach und schlicht, sowie stets ruhig, aber in dieser Einfachheit atemberaubend. Die Musik ist nicht groß anders als in den letzten Eastwoodfilmen, unaufdringlich, ruhig, passend.
Auch ist überragend, wie hier zwei völlig unterschiedliche Halbzeiten serviert werden, die aber auch grandios miteinander verknüpft werden, so dass der stilistische Bruch zwar sehr wohl sichtbar ist, aber mehr als nur dankbar angenommen wird, da der Film eigentlich erst dadurch richtig groß wird.
Denn an und für sich betrachtet wäre die erste Hälfte nur für sich betrachtet eigentlich nur eine etwas erwachsenere Version von Karate Kid gewesen.
Und damit schließt sich der Kreis:
War Hillary Swank noch im dritten Teil der neue Karate Kid gewesen, so verleiht sie hier ihrer Filmfigur eine fast schon spürbar schmerzliche Authentizität.
Ihr Auftritt in diesem Film ist einfach großartig und in ihren besten Momenten ist sie in einer Liga mit den ganz großen Schauspielerinnen dieser Zeit in einem Atemzug zu nennen.
Diese junge Frau könnte noch großes schauspielerisches leisten.
Wenn das alles so perfekt ist, gibt es denn nichts, was es an dem Film auszusetzen gibt?
1. Die ach so böse deutsche Boxerin ist hierzulande wohl etwas negativ aufgestoßen. Aber was sollen wir um PC kümmern? Irgend jemand muß ja dafür herhalten und da sie ja nicht wirklich als böse dargestellt wird, eigentlich nicht mal eine Sprechrolle hat - wenn ich mich richtig erinnere - kann ich sehr gut damit leben....
2. Oft wird auch der ach so vorhersehbare erste Teil der Geschichte als ein Schwachpunkt moniert. Nun gut, ich sehe das eher so, dass dies zum einen dazu dient, das Publikum in Sicherheit zu wiegen und zum anderen ist das eigentlich nur ein Vehikel, uns die jeweiligen Charaktere ganz ruhig näher zu bringen. Also eigentlich dient das nur der Größe des Films...
Was mich aber am meisten beschäftigt hat, ist folgendes (leichte Spoiler):
Was genau könnte Eastwoods Filmfigur seiner Tochter angetan haben, dass diese ihm einfach nicht verzeihen kann? Was bewegt ihn dazu, täglich in die Kirche zu gehen, um zu sühnen?
Was ist so schrecklich, dass dieser Mann letztendlich an dieser Schuld zerbricht?
Ich nehme an, wenn ich schon so frage, dass man erahnen kann, wohin das zielt. Ich nehme auch an, dass es im Drehbuch expliziter angesprochen wurde, doch dass Eastwoods Eitelkeit nicht wollte, dass sein Charakter diesen Makel offen ausspricht. Nicht dass Eastwoods Image dadurch Schaden genommen hätte, aber sein Charakter wäre dadurch etwas kleiner geworden, eventuell sogar unsympathischer?
Das ist freilich nicht wirklich ein Makel, nur ein Denkansatz, und schlechter wird der Film nicht dadurch, dass dieser Aspekt nur angeschnitten wird und Interpretationsraum übrig läßt.
9 Punkte (der zweitbeste Boxerfilm gleich nach Rocky 1)