Review

In den 1970er-, 1980er- und 1990er-Jahren hatte der am 18. Januar 1943 in Alexandria, Ägypten, geborene Ovidio G. Assonitis bei so manchem Genrefilm seine geschäftstüchtigen Finger mit im Spiel. Er war an der Produktion von Filmen wie Chi l'ha vista morire? (The Child - Die Stadt wird zum Alptraum, 1972), Il paese del sesso selvaggio (Mondo Cannibale, 1972), Superuomini, superdonne, superbotte (Sie hauen alle in die Pfanne, 1974), Tentacoli (Der Polyp - Die Bestie mit den Todesarmen, 1977), Stridulum (Die Außerirdischen, 1979), There Was a Little Girl (Party des Schreckens, 1981), Piranha Part Two: The Spawning (Fliegende Killer - Piranha II, 1981), The Curse (1987), Curse II: The Bite (The Bite, 1989), American Ninja 4: The Annihilation (American Fighter 4 - Die Vernichtung, 1990) und American Ninja 5 (American Fighter 5, 1993) beteiligt, und er schrieb an den Drehbüchern von Chi sei? (Wer bist Du?, 1974), Laure (Laura, 1976) und Choke Canyon (Der einsame Kämpfer, 1986) mit. Außerdem nahm er bei Chi sei?, Tentacoli, Desperate Moves (Rollerboy, 1981), There Was a Little Girl, Piranha Part Two: The Spawning und Out of Control (Durchgebrannt, 1992) höchstselbst das Regiezepter in die Hand (manchmal erst, nachdem er es den ursprünglichen Regisseuren unsanft entwunden hatte). Seine wohl extravaganteste Duftmarke setzt er jedoch mit dem 1989 entstandenen Beyond the Door III (Amok Train - Fahrt ins Nichts), welchen er als ausführender Produzent betreute.

Müßte man dieses herrlich abstruse Werk mit einem Wort beschreiben, meine Wahl fiele ohne langes Zaudern auf "Okkultkatastrophenslasher". Es geht um eine kleine Gruppe amerikanischer Studenten, welche zu Studienzwecken nach Jugoslawien reist, um einer geheimnisvollen, etwa zweitausend Jahre alten Zeremonie beizuwohnen. Eine der Studentinnen ist Beverly Putnic (Mary Kohnert), eine junge, blonde, introvertierte Frau serbischer Abstammung mit einem großen Muttermal in Form eines Zeichens auf dem Bauch. Die Begrüßung in Belgrad durch den Anthropologieprofessor Andromolek (Bo Svenson, Walking Tall Part II und Final Chapter: Walking Tall) ist freundlich, obwohl den älteren Herren eine mysteriöse und ziemlich sinistere Aura umgibt. Die weitere Reise in den ländlichen Teil des Landes ähnelt einer Reise zurück in der Zeit. Das primitive Dorf, in dem sie die Nacht verbringen, hat ein seltsames, mittelalterliches Flair, als ob sich das Rad der Zeit dort schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr weitergedreht hätte. Und auch die Bewohner, allen voran die Dorfälteste Vesna, benehmen sich äußerst merkwürdig, unnahbar und feindselig. Welch grausige Absichten sie hegen bekommen die jungen, nicht sonderlich sympathischen Leute in der Nacht zu spüren, als ihre Betten plötzlich in Flammen aufgehen und die Türen verbarrikadiert sind. Die panische Flucht führt sie zu einem Bahngleis, worauf gerade ein alter, dampfbetriebener Zug dahintuckert. Die Studenten klettern an Bord, doch damit beginnt der Horror erst so richtig.

Da der Lokführer und der Heizer gleich mal ohne viel Federlesens entsorgt werden, rattert der Zug mehr oder weniger führerlos dahin. Mehr, weil er von keinem Menschen gesteuert wird, weniger, weil nun eine übernatürliche Macht das Kommando über die Lokomotive übernommen hat. Und da im Grunde nur eine einzige Person wichtig ist, kommt es von nun an zu zahlreichen bizarren "Unfällen", von denen einige frappant an die Todesfälle der The Omen-Filmreihe erinnern. Da wird ein Unglücklicher beim Hantieren zwischen den Waggons entzweigerissen, eine Frau wird vom Zug erfaßt und enthauptet, und einer der Studenten wird glatt von einem Schranken durchbohrt. Aber das Böse beweist auch Kreativität und beschränkt sich nicht nur auf "Unfälle", wie die coole Haut-vom-Gesicht-reiß-Szene beweist. Diese spektakulären Set-Pieces sind recht ansprechend und bisweilen sehr gorig umgesetzt, wobei die Spezialeffekte von Angelo Mattei, Mario Ciccarella, Srba Kabadajic und ihren Assistenten nicht wirklich überzeugen können. Diesen Umstand teilen sie mit den Actionszenen, denn wenn der Amok Train dahindonnert, kann ihn nichts und niemand mehr stoppen. Kein entgegenkommender Personenzug, und schon gar keine auf den Gleisen geparkte Trucks. Diese Crashs wurden, wie einige andere Sequenzen auch, mit Miniaturmodellen umgesetzt, was schon einigermaßen stark ins Auge fällt. Nichtsdestotrotz sorgt gerade dieses Unperfekte für eine Extraportion Charme.

Wenn man sich die Zeit nimmt, um über das Gesehene zu sinnieren, wird man nicht umhinkommen festzustellen, daß die Handlung im Grunde völlig sinnlos ist. Die Dorfbewohner hätten sich Beverly (ja, bei ihr handelt es sich - man erinnere sich an ihr Geburtsmal - um die Auserwählte, die bei der Zeremonie nicht nur zusehen, sondern aktiv mitmischen soll) in der Nacht im Dorf mühelos krallen und anschließend zum Ort des Rituals schleppen können, anstatt sie erst zu verschrecken und sie dann per Zug zum Bestimmungsort kutschieren zu lassen. Mit Logik kann Beyond the Door III (*) also wirklich nicht punkten, und auch der Realismus wird konsequent ausgehebelt, was aber kein Problem darstellt, da der Streifen einfach jenseits aller Naturgesetze prächtig funktioniert. Man nehme nur mal die zischende, fauchende, qualmende Lok, die auch schon mal spontan die Gleise verläßt und quer durch die Botanik pflügt, um sich ein abtrünniges Pärchen zu schnappen. Fast erscheint die von dämonischen Mächten besessene Lokomotive als ein lebendiges, kaum zu bändigendes Monstrum, das seine Opfer am liebsten mit Haut und Haaren verschlingen möchte. Diese Szenen - oft vom Boden aus gefilmt, was die Lok noch mächtiger wirken läßt - sind wirklich toll umgesetzt. Darüber hinaus arbeitet die Nebelmaschine auf Hochtouren (Adolfo Bartoli gelingen da einige schöne Gegenlicht-Aufnahmen), was der sehr eigenwilligen, alptraumhaften, fast schon märchenhaften Atmosphäre mehr als nur zuträglich ist.

Hauptinspiration für dieses bewundernswert absurde Werk war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Andrey Konchalovskiys herausragender Actionthriller Runaway Train (1985), in welchem Jon Voight, Eric Roberts und Rebecca De Mornay an Bord eines führerlosen Zuges um ihr Leben kämpfen. Aber auch anderweitige Einflüsse sind spürbar; so mußten als weitere Ideenlieferanten so unterschiedlichen Filme wie The Wicker Man (1973), The Evil Dead (1981) und - wie bereits erwähnt - The Omen (1976) herhalten. Vesna, die Dorfälteste, zum Beispiel, benimmt sich in einigen Momenten genauso wie die Besessenen in Sam Raimis Teufelstanzklassiker. Aber gut geklaut ist nun mal besser als schlecht neu ausgedacht, wie eines der Mottos von italienischen Horror- und Exploitationfilmproduzenten lautet. Und wenn altbekannte und erfolgserprobte Ideen so enthusiastisch in einen solch hirnrissigen Plot wie bei Beyond the Door III integriert werden, kann man als Genrefan den Verantwortlichen sowieso nicht wirklich böse sein. Geschrieben wurde dieser grobe Unfug von einer gewissen Sheila Goldberg, und die recht gelungene, Keyboard-lastige Musikuntermalung steuerte Carlo Maria Cordio bei. In einer Nebenrolle als Beverlys Mutter ist Victoria Zinny (Keoma) zu sehen. Über Regisseur Jeff Kwitny gibt es nicht viel zu berichten; er hat nur eine Handvoll Filme gedreht, darunter den "coolen" Slasher Iced (Iced - Der Tod auf Skiern, 1988).

(*) Eine Beyond the Door-Filmreihe existiert de facto nicht. Das italienische The Exorcist-Rip-Off Chi sei? lief in Amerika unter dem Titel Beyond the Door. Aus Mario Bavas Shock (1977) machte man dann, weil Chi sei? die Kassen ordentlich klingeln ließ, in Großbritannien und in den Staaten Beyond the Door II. Und irgendjemand, vermutlich die amerikanischen Geldgeber, hielt es deshalb für eine gute Idee, Jeff Kwitnys "Okkultkatastrophenslasher" unter dem Titel Beyond the Door III zu veröffentlichen.

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