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Formen der Liebe II lautet der Nebentitel, Teil I ist der unwesentlich bessere Das Mikroskop (1988), die Musik wie Paukenschläge, wie Aufmerksamkeit erfordernd und fordern und fördern, dazwischen etwas Gitarre zur Entspannung, entspannt ist auch der Mann hier, er hat sich eine Zeitung gekauft, er macht den Briefkasten leer, er war beim Bäcker, ein ganzer Tag, der Kaffee fehlt. Mit Gas wird der Herd hier betrieben, die Wohnung spartanisch, eine Junggesellenbude, alles an seinem Platze, wenig Stauraum, wenig Schmuck und Gefilde, dafür eine Pflanze auf der Fensterbank, das ist doch schon was. Frühstück ist fertig, der Mann ist nicht Junggeselle, die Frau hats aber eilig, sie war noch duschen, sie ist beim Anziehen und Losgehen, es wird sich vorwurfsvoll angeschaut, "Wer liebt, leidet", eine Phrase gedroschen:

Georg Hermes [ Johannes Herrschmann ] ist Philosoph, er hat über den Ausspruch „Alles fließt“ von Heraklit promoviert, und ein Buch „Die Liebe zur Weisheit. Eine Anleitung zum Denken“ veröffentlicht. Der höfliche, weltfremde, vollkommen in Bücher versenkte, große, hagere Mann lebt acht Jahre nach dem Tod seiner Mutter allein. Für eine Lesung seines Werkes möchte er einen guten Anzug kaufen und betritt ein Modegeschäft, wo ihn die drei Verkäuferinnen Franziska [ Adriana Altaras ], Beate [ Friederike Tiefenbacher ] und Martha [ Claudia Matschulla ], die er dort antrifft, sich an seine Fersen heften.

Woanders wird auch gefrühstückt, da im Bett aber, wieder eine nackte Frau, "Sehen wir uns heute Abend wieder", eine seltsame Lektüre, auch hier der Mann im Ungewissen, mehrere Paare unter Betracht, eigentlich sehen alle gleich aus, der Erwecken ähnlich, viel Nackedeis hier, die Frauen, nicht die Männer, viel Offenherzigkeit, eingangs noch kein Ziel, der Tag erst begonnen, geruhsam in Angriff genommen. Manche Wohnungen sind hässlicher, manche sind schöner als die erste, eine übernachtet zum ersten Mal, bei einem Kumpel, einer schaut jeden Tag erfolglos in den Briefkasten nach, einer weiß seit 30 Tagen nicht, ob er abends Besuch bekommt oder nicht. "Die Liebe zur Weisheit" wurde bestellt, zwei Ausgaben gleich, kann man manchen, für sich und jemand anderen, wenn einem das Buch oder der Titel so zusagte, Erkenntnisse erwartet, erhärtet, Hoffnungen offenbart und Gefühle gezeigt, es wird im Waschbecken die Haare gewaschen, die Küche gleich Bad. Eine Bibliothek ist vorhanden, ein paar Bücher stehen schon drinnen, es ist mit etwas guten Willen noch Platz für zwei weitere, einfach Ordnung in das Chaos bringen.

Eingekleidet will sich neu werden, etwas Zeitloses, etwas Klassisches, nicht den leisten Schrei, es wird die Verkäuferin um Ratschlag und Beistand gebeten, der junge Mann macht merkwürdige Dinge, fragt seltsame Sachen, wirkt etwas anders, neurodivers gedacht, eine Kollegin springt ein, als es droht zu eskalieren, eine Lesung wird bedient, man braucht den Anzug für einen Vortrag, eine Dissertation, die Bücher sind von ihm, ein Abenteuer in Sprache und in Denken, er trägt den Anzug ausgeliehen. Das Publikum ist überschaubar, aber vorhanden, in einer Künstlerkommune, viel das Kinn auf der Hand abgestützt, wenig zurückgelehnt, eher nach vorne gebogen, ein aufmerksames Zuhören. Über Liebe und Leben und Wissen und Weisheit und Tod geht es hier, die Stimme wird leiser, vom Regisseur so gedreht, später wieder lauter, zwischendurch auf das Auditorium geblickt, die Anwesenden hier, die Interessierten. Schwierige Fragen gibt es im Anschluss, manchen Menschen fehlt etwas, ein Erschrecken als Reaktion auf eine normale Frage, die nach der Liebe, seit 8 Jahren her. Die Frauen sind nachherig und neugierig auf den jungen Mann, drei Stück zumindest, jetzt beim Abend lernt man sich ein bisschen besser kennen, man sollte sich öfters besuchen, es werden Treffen ausgemacht; es wird eingekauft dafür schon, ordentlich Geld ausgegeben, das Geld steckt nicht in den Wohnungen. Ein Mittagessen wird geplant, die anderen Männer sind erstmals weg und außen vor, es wird sich auf den Schriftsteller konzentriert, sein Lauschen am Fluss, sein Treiben am Tag, sein Alltag und die Routine, Haltestelle "Großes Fenster" wird in den Bus eingestiegen.

Der Mann hat den gleichen Anzug an, ein Knopf ist offen, das Hemd ist anders, er wird überfallen von soviel Aufmerksamkeit, zwei Frauen haben eine Wohngemeinschaft, die Wohnung entsprechend platzsparend, die Wohnung entsprechend schön. Er wird bedient und umflort, mit dem Essen, der Zuneigung, dem Wein, dem Kümmerern, er ist fasziniert von Askese, er hat nun etwas gänzlich anderes hier, drei aufmerksame Frauen, als Eremit mal gelebt, mit den überlieferten Worten Heraklits. Komische Schreibroutinen hat er, nicht etwas in seiner Stube, sondern mit der Schreibmaschine auf einem Steg am See, hinten plätschert das Wasser, die Sonne scheint, man ist zumindest ungestört hier, und mittlerweile werden auch die Briefkästen gefüllt, mal mit getippten Liebesbriefen, die Antworten handschriftlich. Eine Bootsfahrt auf einem See wird arrangiert, keine schlechte Idee, nur: Der Mann kann nicht Autofahren, er kann nicht schwimmen, er kann nur hochgestochen reden, er ist in manchen Dingen ein Genie, in manchen Dingen wie ein kleines Kind, bald spielt man Adam und Eva am Ufergrund, er hat auch noch nie mit einer Frau geschlafen, auch das wird ihm beigebracht, im Kühlen, im Nassen, keine Sonne am Horizont, eher frisches Wetter, alles ungewohnt, alle neue Abenteuer.

Thome hätte sich gut auch auf die anderen beiden Männer besinnen können, sie sind außen vor, in Pink (2009) kommen alle drei nacheinander in das Blickfeld, hier bleibt die Kamera auf den Philosophen mit seinen schönen Worten und dem offenen Herzen und dem Geständnis, seit acht Jahren nicht geliebt, seit dem Mutter seiner Mutter, verloren in der Welt, aufgefangen durch Seelengenossen und Frauenhände. Manches geht ihm zu schnell, er soll gleich mit in die WG, "das kann ich nicht annehmen", "nein?", natürlich wird das Angebot angekommen, der Anfang vom Ende wahrscheinlich, alles organisiert, alles in Tüten und Federn, er sagt, er wäre sehr glücklich, er wird überhäuft mit Geschenken, einem Computer statt der Schreibmaschine zum Beispiel, mal wird wieder geduzt, dann gesiezt, der lange Schlaks herumgeführt, ausgesprochen unselbständig gehalten, ein vertrauter Umgang der Frauen mit der Situation hier, keine Eifersüchtelei, noch nicht, eher eine Art Privathotel, ein Besucher aufgenommen, ein ungezwungener Umgang, es wird als zeitgenössisch interessantes etwas aus der Zeitung vorgelesen, der Rest sind Langsamkeit und Übersicht, Vielfältigkeit und Offenes, es wird ein Schreibbüro eröffnet für den jungen Mann, alles hergerichtet, alles drum und dran, Überforderung ergibt sich, alle weiblichen Figuren, die "Zeitagenten" erfahrener im Lieben, bei ihm "Die Liebe zur Weisheit" nur im Theoretischen.

Hinausgeschlichen wird sich später einmal aus dem Arrangement, dem Etablissement, dem Establishment, mit einer handschriftlichen Notiz, nun doch in Schnörkelschrift, nun doch nicht mit der Maschine oder gar dem neuen PC-Konstrukt, die gute alte Schreibweise hier. "Du musst sagen, wenn du etwas vorhast." - "Keine Sorge" - "Das Leben gibt den Frauen Recht. Der Tod den Männern.", Geld wird sich geliehen, es wird sich Geld geliehen, ein Hotel genommen, geflüchtet und weggeflogen; Thome bekommt oft keine Förderung, man kenn es den Stiftungen nicht verdenken, die Filme meist unfilmisch, wie eine Lesung, wie ein trockenes Theaterstück, eine brotlose Kunst, ein Husarenritt, durch den Park und Biergarten wird scharwenzelt, ein ausdrucksloser Blick, einem anderen Künstler bei seiner brotlosen Kunst zugehört. Geschaut wird viel und oft, ohne Ausdruck, manchmal auch ohne Sinn, es wird über Ebbe und Flut geredet, eine Störung im Ablauf, es wird sich weiter ziellos, bis in die Dunkelheit hinein herumgetrieben, bis zum Kranksein geflohen, dann ergreift man die Initiative.







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