Review

Im Jahre 1976 inszenierte John Carpenter den urbanen Thriller „Assault on Precinct 13“ mit einem Budget von nur rund 200.000 Dollar. Der Film floppte an den Kinokassen, entwickelte sich aber im Laufe der Jahre in Fankreisen zu einem Kultklassiker, der für seinen geschickten Spannungsaufbau, die düster-bedrohliche Atmosphäre sowie Carpenters interessanten Score geschätzt wird. Unabhängig davon, und vor allem neutral betrachtet, krankt der Film jedoch unter etlichen technischen Mängeln (Farbgestaltung, Schnitt, Kameraführung) und kann auch vom Gesamtbild her keinesfalls als „perfekt“ bezeichnet werden.
Die minimalistische Handlung übernahm Carpenter einer Vielzahl von Vorbildern – hauptsächlich Howard Hawks „Rio Bravo“ (´59) oder Romeros „Night of the living Dead“ (´68) – letzterer Einfluss erklärt zumindest, warum sich die Gangmitglieder so dumm/hirnlos anstellen, einer nach dem anderen durch die Fenster ins belagerte Revier einzudringen, um sich auf diese Weise „möglicht einfach“ erschießen zu lassen. Carpenter selbst variierte die Idee in anderen Genres mit „Prince of Darkness“ sowie „Ghosts of Mars“, worauf man sich in Hollywood nach der interessanten französischen Variante „Nid de guêpes“ dafür entschied, selbst eine Neuversion zu produzieren, die sich wenigstens in ihren Grundzügen stärker am Vorbild orientiert und aus diesem Grunde auch wieder dessen Titel tragen soll…
Gleich vorweg ein Wort an alle „Remake- Pessimisten“ da draußen: Carptenters Werk an sich war schon kein „Original“, weshalb man gar nicht erst auf diese Schiene aufspringen sollte! Außerdem, wie schon bei den „T.C.M.“- und „Dawn of the Dead“-Neuversionen, handelt es sich hierbei eher um ein „Re-Imagening“ als ein stringentes Remake…

In einer kalten, verschneiten Silvesternacht in Detroit wird der berüchtigte Killer Marlon Bishop (Laurence Fishburne) zusammen mit einigen anderen Kriminellen (u.a. John Leguizamo & Ja Rule) von der Polizei per Gefängnistransport verlegt. Als die Intensität des Sturms zunimmt, sieht man sich gezwungen, die Route zu ändern und einen Zwischenstopp beim nächstgelegenen Polizeirevier einzulegen. Jenes Gebäude, Precinct 13, soll in Kürze wegen Umsiedlung geschlossen werden, weshalb sich nur noch wenige Personen dort aufhalten. Da diese gerade eine Abschieds- und Neujahrsfeier vorbereiten, sind sie von dem eintreffenden Transport wenig begeistert, richten aber trotzdem alles wunschgemäß ein…
Als kurze Zeit später eine SWAT-ähnliche Spezialeinheit unter dem Kommando von Marcus Duvall (Gabriel Byrne) draußen in direkter Umgebung Stellung bezieht, erfährt Sergeant Jake Roenick (Ethan Hawke), der ranghöchste Beamte des Reviers, dass alle innerhalb des Gebäudes aufgrund von Bishops anstehenden Verfahren, bei welchem es auch um Korruption innerhalb der Polizeireihen gehen wird, in größter Gefahr schweben: Allein die Informationen bezüglich Duvall und dessen Team würden, wenn präsentiert, großen Schaden innerhalb des Departments anrichten, weshalb gewisse Personen eine Aussage unter allen Umständen verhindern wollen. Das bestätigt sich, als der schonungslose Angriff auf Precinct 13 schließlich beginnt – und so sehen sind alle dazu gezwungen, Seite an Seite die Stellung zu halten und ums blanke Überleben zu kämpfen…

Die Neuversion von „Assault on Precinct 13“ ist ein großartiger B-Film im altmodischen Sinne des Begriffs geworden – ohne Mainstream-Schnickschnack, auflockernden Humor oder Kompromisse. Charaktere und Schauspieler, die man gerne sieht und im Filmverlauf zu mögen begonnen hat – sie sterben, teils unerwartet und ohne Rücksicht. Im Gegensatz zu vergleichbaren Action-Thrillern der letzten Jahre ist die Gewaltdarstellung hier blutig, direkt und ungeschönt – was sich nahtlos der rohen, ungeglätteten Grundstimmung anpasst, welche in der fast klassisch anmutenden Anfangssequenz eines missglückten Drogendeals mit einem ziemlich expliziten Kopfschuss wegweisend eingeleitet wird…

Ethan Hawke („Taking Lives“) in der Hauptrolle sowie die Polizeikorruptions-Thematik erwecken zwangsläufig Erinnerungen an „Training Day“ – und tatsächlich steckt auch dasselbe Produzentengespann hinter diesem Film. Nun, ich will mich ja nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, doch Hawkes Rolle hier wirkt wie eine stimmige Fortführung jenes Charakters, für welchen er damals eine Oscar-Nominierung erhielt: Würde man sich vorstellen, wie jene Figur nach etlichen weiteren Jahren verzehrender Polizeiarbeit aussehen könnte – dieses Bild würde dem Eindruck der anfänglichen Undercover-Szene sicher verdammt nahe kommen. Man sieht ihm deutlich an, was er wohl schon alles durchgemacht haben muss. Den Hauptprotagonisten derart einzuführen ist ungewöhnlich und etwas irritierend, doch es passt und vermag hervorragend zu überzeugen – zumal die Rolle gut ausgearbeitet wurde.
Es handelt sich eindeutig um Ethans Film. Ich muss ehrlich sagen, dass ich eigentlich davon ausgegangen war, Fishburne würde ihm die Schau stehlen, doch dem ist nicht so: Laurence ist hier für die (Badass-) Coolness (im Sinne von Erscheinung, Charakter, Dialog) verantwortlich – genau solch einen Killer wünscht man sich in derartigem B-Film-Material zu sehen. Insgesamt spielt er in diesem Fall also eher auf „Matrix“- als auf „Mystic River“-Terrain.

Die restliche Besetzung kann ebenfalls sehr gut überzeugen: Die Charaktere bekommen mehr Raum und Hintergrund zugesprochen, was ein klarer Pluspunkt gegenüber dem Vorgänger ist. Maria Bello („the Cooler“) ist klasse als Therapeutin, die Hawkes Figur beim Überwinden seiner Traumata helfen soll, dabei aber derart selbst-analysierend ist, dass sie eigentlich selbst einen Psychiater aufsuchen müsste. Drea de Matteo (TV´s „the Sopranos“) spielt eine klassische Carpenter-Rolle – eine starke, unabhängige Frau, die sich ihrer Sexualität bewusst ist und diese nach ihren Bedingungen zu nutzen vermag. Brian Dennehy („F/X“) passt ideal als alteingesessener Cop mit unverrückbaren Ansichten.
Kommen wir nun noch einmal zu den „bösen Jungs“: Zugegeben, die Rollen von Ja Rule („Half Past Dead“) und John Leguizamo („Empire“) nerven manchmal etwas – doch derart vordergründig sind ihre Charaktere nun einmal angelegt worden. „Ja“ spielt halt einen in der dritten Person sprechenden Ghetto-Thug, Leguizamo einen Junkie mit eindeutigen psychischen Problemen.
Leider kommt Gabriel Byrne („Millers Crossing“) nicht ganz so gut weg wie die anderen (Haupt-) Beteiligten: Er ist, wie immer, auf der Höhe seines Könnens, doch sein Charakter ist stark eingegrenzt, da sich der Fokus auf die Personen innerhalb des Gebäudes konzentriert, was auch richtig so ist. Ein allzu charismatischer Villain (außerhalb) hätte vermutlich zu sehr von den entscheidenden Leuten abgelenkt. Zusätzlich tauchen übrigens auch die beiden B-Film-„Regulars“ Matt Craven („White Tiger“) und Kim Coates („Unforgettable“) in Nebenrollen auf.

Nicht nur besetzungstechnisch wirken einige Aspekte des Films kaum „politisch korrekt“ sowie auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich: Die Kriminellen sind allesamt multikultureller Herkunft (Hispanic oder African-American), während die Cops durchweg kaukasischer Abstammung sind, und De Matteo´s offene Sexualität muss selbst den anderen Charakteren erläutert werden („I don’t bed criminals, I fuck bad boys“), was einen gewissen Beigeschmack mit sich bringt.

Für den französischen Regisseur Jean-Francois Richet („De L´Amour“) und seinem Drehbuchautor James DeMonaco („the Negotiator“) galt es, der fundamentalen Ausgangslage von Carpenters Version neues Leben einzuhauchen. Dabei gab man zentrale Elemente auf oder wandelte diese gar ins Gegenteil um: Aus dem heißen Kalifornien wurde das verschneite Detroit, die Hautfarben der Hauptfiguren (Cop/Killer) wurden getauscht sowie der Rassenunruhen-Hintergrund gegen Polizeikorruption ausgetauscht. Dem „Bösen“ wurde ein Gesicht verliehen, was dem Film mehr Glaubwürdigkeit verleiht – außerdem steigert das die Spannung, denn die Gegner kommen nicht mehr hirnlos durch die Fenster, sondern gehen taktisch und spezialisiert vor, was die Story zudem realistischer wirken lässt. Natürlich gibt es kein Pendant zu der berühmt-berüchtigten „Eisverkäufer“-Szene, doch wie gesagt: Wir haben es hier mit einem Re-Imagening zutun – weshalb der Showdown dann auch getrost in einem Waldstück außerhalb des Reviers stattfinden kann ... und nein, der Wald taucht nicht einfach „aus dem Nichts auf“ sondern wird bereits nach knapp 10 Minuten das erste Mal gezeigt und in der Folgezeit ebenfalls angesprochen!
Die Inszenierung von Regisseur Richet ist absolut perfekt: Die gute Beleuchtung schafft eine stimmige Atmosphäre, die hervorragend mit dem genialen Setting des Schneesturms harmoniert. Die Actionszenen, welche niemals ausarten und immer realistisch bleiben, sind in ihrer Art sehr wirkungsvoll, und darüber hinaus gibt es noch einige Kamerafahrten, die jeden, der sich auch nur etwas mit der Materie auskennt, in Begeisterung versetzen!

Filme dieser Art beurteilt man vorwiegend aus dem Bauch heraus, wodurch Klischees und kleinere Schwächen bis zu einem gewissen Grad vernachlässigt werden können (wobei der Tunnel (zugegeben) hart an der Grenze war). Es gilt vor allem, das vorliegende Material eigenständig zu betrachten: Ja, dieses Werk hat natürlich auch seine Schwächen, doch spätestens wenn die Action richtig einsetzt, sollte der Genrefan (vor allem angesichts der Umsetzung sowie des Härtegrades) mehr als zufrieden gestellt sein. Im Endeffekt geht es aber hauptsächlich bloß um einige mit Vorurteilen belastete Personen, die sich selbst als Individuen kennen lernen, während sie sich dazu gezwungen sehen, gemeinsam als Gruppe zu agieren…

Fazit: Diese Neuversion von „Assault on Precinct 13“ sollte man unbedingt unabhängig des Vorgängerfilms (den Begriff „Original“ in diesem Zusammenhang zu verwenden, wäre ja schlichtweg falsch) betrachten – dann kann man sich nämlich vorurteilsfrei an einem hervorragenden sowie knallharten Action-Thriller erfreuen …
überzeugende 8 von 10.

PS: Dieses Mal spielt die Handlung tatsächlich im Gebäude „Precinct 13“ – und nicht wie „damals“ in „Precinct 9, Division 13“!

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