Einen Film über den Genozid in Ruanda 1994 zu drehen, ist sicher ein begrüßenswertes Ansinnen, zumal die Öffentlichkeit davon entweder kaum etwas weiß, oder sie das systematische Abschlachten der Tutsi seitens der Hutu längst wieder verdrängt hat. Dass "Hotel Ruanda" von der Fachwelt größtenteils begeistert aufgenommen wurde und sich anschickt, seinen Platz in den Top 100 der IMDB zu manifestieren ist dann doch etwas erstaunlich, da der Film eine recht zwiespältige Angelegenheit geworden ist.
Die Geschichte des Hotelbesitzers und Hutus Paul Rusesabagina erinnert stark an Oskar Schindler: Als der Genozid beginnt, bietet er Tutsi-Flüchtlingen Unterschlupf in seinem Hotel und riskiert damit sein Leben und das seiner Familie. Don Cheadle agiert in der Hauptrolle gewohnt charismatisch und bringt den Zuschauer aufgrund seiner Aufopferungsbereitschaft bald auf seine Seite. Doch genau daran krankt bald darauf der ganze Film: Paul wird derart zum Gutmenschen hochstilisiert, dass ihm jegliche Tiefgründigkeit und Glaubwürdigkeit abhanden gehen. Regisseur Terry George lässt es gewaltig menscheln, ohne näher auf die Hintergründe des systematischen Massakers einzugehen. Die politische Komponente beschränkt sich auf die Untätigkeit der Blauhelmsoldaten, den Rest des Films dürfen wir Paul dabei zusehen, wie er versucht, seine komplette Familie plus ca. tausend Tutsi vor den Hutu-Milizen zu retten, um nebenbei auch noch kleinere Differenzen mit seiner Frau auszutragen. Langeweile kommt dabei zwar nie auf, aber dramaturgisch verläuft alles streng nach Hollywood-Maßstäben, was mancher Zuschauer, der nicht mehr wie Betroffenheitskino sehen will, noch tolerieren mag. Wer aber auch nur halbwegs Wert auf Ambivalenz und tiefgründige Figuren legt, darf in diesem Zusammenhang fast schon von "verlogen" sprechen.
Die meisten dramaturgischen Kniffe sind in diesem Fall wirklich so alt wie das Kino: Droht Langeweile, rollt wieder ein Hutu-Schwarm vors Hotel und bedroht erstmal Frauen und Kinder, inklusive Großaufnahmen versteht sich. Zeitlupeneinsatz mit pathetischer Musikuntermalung darf natürlich auch nicht fehlen, und irgendwann kommt man dann zur Erkenntnis, wem in diesem Film garantiert nichts passieren wird. So kommt es dann zumindest für Paul UND Familie UND verschollen geglaubter Verwandter UND einer totgeglaubten Ärztin zu einem Happy End, während uns kurz vor den Credits noch eine Texteinblendung daran erinnert, dass innerhalb weniger Monate gut eine Million Menschen getötet wurden. Davon gesehen hat man vorher nicht viel, außer eine surreal anmutende Sequenz im Morgengrauen mit vielen Leichen. Nicht, dass ich jede Menge Blut und Tote brauche, um zu glauben, dass die Zustände unvorstellbar grausam waren, aber so ziemlich jede Dokumentation über die Massaker würden mich wohl betroffener machen, als es die Hochglanzbilder aus "Hotel Ruanda" je könnten.
Sicher ist "Hotel Ruanda" kein schlechter Film geworden, dafür sind alleine die Schauspieler zu profiliert und souverän. Und auch wenn es Terry George zumindest schaffte, die breite Öffentlichkeit für dieses Thema zu sensiblisieren, so ist er an seinem Anspruch - sei es, Paul Rusesabagina ein glaubwürdiges Denkmal zu setzen, oder ein umfassendes Bild des Hutu-Massakers zu geben - zum größten Teil gescheitert. Hollywoodeskes Betroffenheitskino ist dabei herausgekommen; für mich nicht unbedingt ärgerlich, aber aufgrund der Vorschusslorbeeren doch ernüchternd. Und wer schon in "Schindlers Liste" einen eindimensionalen Film zu erkennen glaubt, sollte "Hotel Ruanda" tunlichst meiden.