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Der Kriegsphotograph Paul kehrt nach langen Jahren anlässlich der Beerdigung seines Vaters in seine Heimat Neuseeland zurück, wo ihn die Familie seines streng religiösen Bruders Andrew empfängt. Streitigkeiten um das Erbe und gegenseitige Schuldzuweisungen machen den Besuch für Paul zu einer Tortur, bis er in der 15jährigen Celia, der Tochter seiner Jugendfreundin Jackie, eine Vertrauensperson findet und sich letztlich zu einem längeren Aufenthalt entschließt. Doch dann verschwindet Celia spurlos.

Das Geflecht aus Lügen, Geheimnissen und unbequemen Wahrheiten wird im folgenden durch einen dauerhaften fliegenden Wechsel zwischen Gegenwart und Rückblenden erläutert, bei denen vor allem die emotionale Tiefe der Beziehung zwischen Celia und Paul beleuchtet wird. Allen Unkenrufen ob des großen Altersunterschiedes zum Trotz machen die beiden gemeinsame Touren durch die Landschaft, unterhalten sich über existentielle Werte des Lebens – und ganz besonders über Träume. Träume, die Paul auch hatte, als er so alt wie sie war, die aber mit der Zeit durch die Grausamkeit der Realität zerstreut wurden. Aus ihrem Enthusiasmus und ihrer Entschlossenheit, sich ihre Träume zu verwirklichen, schöpft er nach und nach wieder die Kraft, die ihm seine Erlebnisse in den Kriegsgebieten geraubt hatten. „I see myself, when I look at her“, sagt er an einer Stelle und macht damit auch deutlich, dass er noch immer dabei ist, vor seiner eigenen Vergangenheit davonzulaufen, anstatt sich ihr zu stellen. Schon bald wird ihm keine andere Wahl mehr bleiben.

Nicht nur Paul und Celia, sondern auch andere Menschen aus Vergangenheit und Gegenwart spielen eine zumeist kleine, aber auf ihre Art wichtige Rolle in diesem Handlungsgeflecht, dessen Wurzeln erst nach und nach freigelegt werden. Regisseur Brad McGann versteht es dabei mit Bravour, die einzelnen Informationsfetzen über die gut zweistündige Spielzeit so zu dosieren, dass sich zu keinem Zeitpunkt Längen einschleichen. Selbst die Anfangsphase, bei der er sich viel Zeit nimmt, auf die gegenwärtige Situation in der Familie und das Befinden der Figuren einzugehen, ist so voller emotionaler Tiefe, dass man fast vergisst, dass in der ersten halben Stunde im Grunde nicht viel passiert. Nach Celias Verschwinden entfaltet die Handlung dann ihre volle Pracht, denn die nun aufkommenden Krimielemente bleiben trotz der wichtigen Frage nach dem Verbleib des Mädchens weitesgehend im Hintergrund. Auch in dieser Phase bleibt McGann eng bei den Figuren und ihrer Rolle in der Geschichte, denn unschuldig im eigentlichen Sinne ist hier niemand. Nach und nach bröckeln die schützenden Fassaden, die jeder einzelne um sich herum aufgebaut hat und enttarnen damit eine scheinheilige Idylle, die auf Lügen, Misstrauen und Verachtung aufgebaut ist.

Die schauspielerischen Leistungen des Ensembles sind durchweg grandios - besonders Matthew McFadyen liefert hier als geläuterter Paul eine überzeugende und kraftvolle Vorstellung ab, genauso wie die 19jährige Emily Barclay als Celia, der hier sogar vergönnt war, mehrmals aus dem Off einige eindringliche und poetische Kommentare zu sprechen.

Ebenfalls hervorzuheben ist der großartige Soundtrack, der sich dank eines gelungenen Scores und einiger schöner Patti-Smith-Stücke perfekt an viele wichtige Handlungselemente anpasst. Auch die Kamera des Engländers Stuart Dryburgh, der schon durch seine oscarnominierte Arbeit an Jane Champions „Das Piano“ internationalen Ruhm erntete, glänzt sowohl durch wunderschöne Aufnahmen der neuseeländischen Landschaft als auch einer Reihe von sehr stimmungsvollen Bildern, die sich stets perfekt an die jeweilige emotionale Lage der Figuren anpassen.

„In My Father`s Den“ überzeugt durch eine packende Mixtur aus Familiendrama und Krimi, die dank geschickter Inszenierung und großartiger Darsteller vom ersten bis zum letzten Moment spannend erzählt ist und uns in poetischer, aber auch schockierender Weise den endgültigen Niedergang einer kaputten Familie nahe bringt, die auch in ihren schwersten Stunden nicht den Mut hatte, sich den Dämonen der Vergangenheit zu stellen.

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