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"Zeit der Finsternis" ist eine kriminalistische Fantasie über die Geschehnisse in einem slawischen Dorf irgendwo in Westsibirien. Die Handlung spielt im 11.Jahrhundert nach Christus und thematisiert den Konflikt zwischen den tradierten Ritualen eines slawischen Stammes und den moralischen Ansprüchen eines sich etablierenden Christentums. Handlungstragendes Element ist ein Dreieckskonflikt zwischen dem Stammesfürsten Grigory, dem christlichen Missionar Agafangel und der Dorfheilerin Feofania.Während der Feierlichkeiten zum sexuell aufgeladenen Fest der Sommersonnenwende finden Feofania und ihr stummer Helfer Nestor im Wald die Leiche einer frisch konvertierten Christin. Stammesfürst Grigory konstatiert die Anwesenheit eines grausamen Werwolfs, während Missionar Agafangel von einem Mörder oder einer Mörderin aus der Dorfgemeinschaft ausgeht. Schon bald zeigt sich, dass beide den Konflikt zwischen den Religionen für ihre Zwecke instrumentalisieren, indem sie die Dorfbewohner und -bewohnerinnen gegeneinander aufwiegeln. Agafangel sorgt für den Ausbruch des Hexenwahns, nachdem ihm die Heilerin Feofania im Traum mehrmals in sexuell eindeutiger Absicht erschienen ist. Die Ereignisse kulminieren und zum Schluss brennt wieder mal eine Hütte...

Die auf den ersten Blick reizvolle und konfliktträchtige Handlung von "Zeit der Finsternis" krankt leider an zahlreichen Ungereimtheiten, die der Glaubwürdigkeit des Stoffes hart zusetzen. Zum einen sind das Agafangels lateinische Liturgien in den Weiten Sibiriens, zum anderen auch die altenglischen Folkloretexte, die anlässlich der Sommersonnenwende gesungen werden. Die Anwesenheit eines slawischen Stammes in Westsibirien vor der Ära des Tschingis Chan ist zumindest erklärungsbedürftig. Sibirien gehörte im 11. Jahrhundert definitiv zu Asien und die dort lebenden Völker frönten eigentlich ganz anderen Bräuchen. Die von Fürst Grigory apostrophierte Anwesenheit eines Werwolfs ist ebenfalls fragwürdig, da der erste nachgewiesene Werwolfprozess erst 1521 im ostfranzösischen Besancon stattfand. Werwölfe unterlagen bis dahin nicht der offiziellen Gerichtsbarkeit. Der Anblick einer brennenden Hexe auf dem Scheiterhaufen ist für Sibirien ebenfalls untypisch. Die tradierte Stilisierung der "Baba Jaga" will auf die Dorfheilerin Feofania überhaupt nicht passen. Regisseur, Produzent und Drehbuch-Koautor Vladimir Alenikov schmiert einem unter Vorspiegelung seriöser historischer Recherche viele unausgegorene Fantasyelemente auf's Brot.

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