Geschichten von Trainern, die ein Looser-Team disziplinieren und zum Erfolg führen, wurden schon häufig verfilmt und sind grundsätzlich nichts Neues. Wenn dann noch das "MTV Productions" Logo vor Beginn erscheint, veranlasst es den ein oder anderen zum Wandel vom tapferen Klischee-Jäger hinzu einem Klischee-Nutzer, der „Coach Carter“ schon von Beginn an wenig Chancen gibt. Zweifelsohne bietet Coach Carter auf den ersten Blick nichts Neuwertiges. Trotzdem, überwindet man erst einmal die Schwelle von Vorurteilen, ist der Film, welcher auf wahren Begebenheiten beruht, kein Standard.
Stereotype Jugendliche, die sich im Hip-Hop-Slang unterhalten und Kriminalität als Mittel zum „Erfolg“ akzeptieren, sind für viele ein Grund genervt zu sein, aber das ein oder andere Klischee, tangiert leider oftmals die Wahrheit. Es nützt nichts ein verfälschtes Bild davon zu zeichnen, denn Basketball ist eng mit der Hip-Hop-Kultur verbunden. Es wäre wiederum moralisch und Klischeedenken das zu verurteilen, aber der sozialkritischen Kontext diverser Hip-Hop Songs wird von Jugendlichen sehr oft nicht wahrgenommen bzw. falsch verstanden und die Helden jener Kids in der NBA glänzen nicht unbedingt als Vorbilder in ihrem Auftreten.
Sport ist für jene Jugendliche oftmals der letzte Ausweg in einem Schlamassel, das vor allem durch mangelnde Sozialpolitik und die Tolerierung des sportlichen Heldentums ermöglicht wird. Knapp über 30 Millionen Amerikaner leben unter der Armutsgrenze und ihnen wird durch medienpräsente Helden in Sport und Wirtschaft ein höchst unrealistisches Szenario vom Land der [un]begrenzten Möglichkeiten gezeichnet. Teenager flüchten sich in Kriminalität und fragwürdige Kulturen, weil die Perspektive alles andere als günstig ist. Sport und nicht Bildung wird letztendlich als Ausweg aus der Armut gepredigt und die Vorgehensweise wird allseits akzeptiert und schlussendlich sogar unterstützt. Ist das ein Grund mit der Moralkeule zu schwingen?? Ja, warum nicht!?
„Coach Carter“ predigt keinesfalls den „american dream“, sondern kritisiert das System.
Ken Carter liebt seinen Sport, aber er weiß auch genau, wie unwichtig Basketball im Vergleich zur schulischen Bildung ist und beides im Einklang funktionieren muss. Er möchte seinen Spielern schon von Beginn durch Verträge für schulische Leistungen verpflichten, aber schon sehr früh merkt er, wie sehr eine an sich rationale Vorgehensweise verhindert wird. Ausgerechnet Kollegen erschweren ihm den Zugang zu Informationen über Leistungsstände seiner Spieler, denn die Zuschüsse für sportlichen Erfolg sind für Schulen existenziell.
Als er als Coach das Training und Spiele aufgrund schulischer Mängel streicht, ist die Empörung groß, denn viele Lehrer und Eltern sehen selbst nur im Sport eine Erfolgsmöglichkeit für die Jugendlichen.
Mal abgesehen vom sozialkritischen Aspekt bietet „Coach Carter“ rein als Basketballfilm betrachtet, nichts neuartiges, was an sich schon sehr grotesk ist. Hier fährt man eher auf der plakativen Schiene zur Herausstellung des Mannschaftsports. Ken Carter setzt auf Disziplin und lobt und bestraft ausschließlich kollektiv. Pathetische Reden vor und nach dem Spiel inbegriffen. Zwar kann der an dem Sport Interessierte den unkonventionellen Lehren und Vermittlungen von gewissen taktische Finessen und Überlegungen etwas abgewinnen, aber um professionell zu wirken, setzt man leider zu sehr auf die „Im letzten Viertel drehen wir das Spiel“ Mentalität. Zu sehr sollte man aber sich aber auch darauf nicht einschießen, denn immerhin bemüht man sich um eine angemessene Mischung aus Unterhaltung und Professionalität. Ferner ist der Erfolg im Basketball faktisch vom funktionieren des Kollektivs abhängig.
Inszeniert sind die Spiele standardgemäß unterhaltend. Oftmals zu vorsehbar, weil mit Mustern gespickt, um wirklich fesseln zu können, aber grundsätzlich ordentlich gelungen. Man bietet viele Kameraperspektiven, die immerhin für Abwechslung sorgen und den Betrachter auch ein wenig ins Spielgeschehen involvieren. Ansonsten begnügt man sich hier mit dem Standard, wobei keine Schwächen diesbezüglich auffallen.
Als Ken Carter Samuel L. Jackson bietet seit langem wieder einmal eine Leistung fernab des eigenen Standardprogramms. Das Anliegen des Coachs scheint er weitgehend auch selbst zu teilen, denn nur selten hat man in letzter Zeit derart motiviert und ambitioniert erlebt.
Darüber hinaus mag keiner der Schauspieler richtig überzeugen, aber auch nicht überaus enttäuschen. Die Spieler bleiben stets nur als solche in Erinnerung, niemand schafft es durch besondere Leistungen einen Charakter für den Betrachter gedanklich zu brandmarken.
Trotz einer Lauflänge von über 130 Minuten schafft es „Coach Carter“ weitgehend zu unterhalten, was nicht unbedingt ein Verdienst als Basketballfilm ist, sondern weil schulische und soziale Strukturen sowie das sportliche Heldentum im Land der [un]begrenzten Möglichkeiten kritisch beleuchtet werden. (6/10)