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Ja, sicher, man kennt sie zu genüge. Denn sie tauchen mit berechnender Regelmäßigkeit immer wieder im Kino auf, weil vor allem das amerikanische Publikum für diese Art von Geschichten extrem empfänglich ist: Ein Lehrer, der etwas bewegen will, tritt seinen Posten an einer mittellosen Schule an, um sich dort vor die schier unmöglich zu bewältigende Aufgabe gestellt zu sehen, Schüler motivieren zu müssen, die sich selbst schon längst aufgegeben haben.
An dieser Erfolgsformel will auch „Coach Carter“ nichts wirklich ändern. Ganz im Gegenteil, er klammert sich an diese Standards und brüstet sich mit einem „inspired by“, um Authentizität vorzutäuschen. Das ist immerhin schon mal weniger aufdringlich als ein „based on“, weil man die Realität auf die Weise zumindest nicht komplett für sich zu vereinnahmen versucht.

Dass eine MTV-Films – Produktion keine neue Pfade beschreitet, sollte von vorn herein ohnehin klar sein. Unterhaltung soll es sein, möglichst nicht zu kritisch, sondern hip, kurzweilig und unterhaltsam. Diese Vorgabe erfüllt Regisseur Thomas Carter („Metro“, „Save the Last Dance“) dann auch.

Titelgeber Ken Carter wurde mit Sicherheit nicht ohne Grund mit Samuel L. Jackson („The Negotiator“, „S.W.A.T.“) besetzt, denn er gehört zu den wenigen Typen, die Hollywood noch hat, die solche Rollen so kraftvoll mit charismatischem Ethos verkörpern können, ohne sich lächerlich zu machen oder in eine Karikatur abzugleiten. Mit Jackson steht und fällt der Film, doch der Mann scheint nun schon seit Jahren nicht mehr schlecht schauspielern zu können und präsentiert sich hier als Bank. Disziplin, Rechtschaffenheit und der pure Wille sprühen nahezu aus seinen funkelnden Augen. Ein Fels in der Brandung, ein Gesicht das den Unterschied und genau deswegen einen unterdurchschnittlichen zu einem zwar nicht guten, aber immerhin überdurchschnittlichen Film macht.
Ihn hat „Coach Carter“ auch dringend nötig, denn talentierte Darsteller wie Rob Brown („Finding Forrester“) werden gnadenlos verheizt. Überhaupt hegt das Skript von Mark Schwahn („Whatever It Takes“, „The Perfect Score“) und John Gatins („Summer Catch“, „Hard Ball“) keine Ambitionen der Wirklichkeit, der diese Jungs in den ärmlichen Stadtvierteln der amerikanischen Metropolen nun mal ausgesetzt sind, ins Auge zu blicken. Der Tod eines Bruders und die drohende Schwangerschaft einer Freundin sind schon die äußersten Übel, die es hier zu bewältigen gilt.

Das soll nicht heißen, dass „Coach Carter“ nicht kritisch aneckt, aber er tut es nicht konsequent, doch das war wohl auch nie das Ziel.
Also bleiben wir bei Carter, der diesen Job eigentlich gar nicht mehr nötig hat. Er hat ein gut laufendes Sportgeschäft und finanziert seinem Sohn eine gute Schule. Im Grunde ein Leben ohne Sorgen und doch zieht es ihn nach Richmond zurück. In dieser heruntergekommenen Schule legte er den Grundstein für sein jetziges Leben und will nun zumindest einer Handvoll Jungen den richtigen Weg weisen.

Das ist wie erwartet schwer und deswegen muss er sie disziplinieren, ihnen Respekt einflößen und zwar nicht nur gegenüber seiner Person, sondern auch untereinander, vor ihnen selbst und vor allem vor ihren Gegnern. Carter ist kein Lehrer, sondern ein Coach, der, und das ist inhaltlich das Interessanteste am Film, über den Tellerrand schaut und den Sport als ein Privileg ansieht, dass die Spieler sich mit guten Schulnoten verdienen müssen. „Coach Carter“ geht einen anderen Weg, als viele Genrekollegen, die den Sport als einzigen Weg aus der gesellschaftlichen Unterschicht proklamieren. Bei ihm steht mehr auf dem Spiel und deswegen lässt er sie Verträge unterschreiben, die ihre Gleichgültigkeit gegenüber der Schule versperren sollen.

Im Vordergrund des Films steht natürlich der Sport. Carters Sohn Damien, der auf die Richmond-Schule geht, nur um von seinem Vater trainiert zu werden, spielt dabei eine genau so unterentwickelte Nebenrolle wie der Rest. Vorwiegend erleben wir diese Jungs beim Schwitzen, Keuchen und Kämpfen. Carter ist ein harter Hund, der zuerst die konditionelle Basis schafft, bevor er an der Technik feilt. Widerworte werden mit Liegestütze und Linienläufen für das gesamte Team bestraft. Wer aufgenommen will, muss sich den Arsch aufreißen. Er schafft es eine Einheit zu formen, so dass bald sogar die Jungs, die gleich abgewunken haben, zurückkehren.

Unterlegt wird das Knochentraining, wie eigentlich der gesamte Film, von Black Music quer durch die Chartdatenbank von Soul, über Rap bis hin natürlich zu Hiphop. Das ist ein altbewährtes Mittel, um den Zuschauer die Geschichte miterleben zu lassen und das funktioniert hier genauso, wie die immer wieder dramatischen Basketballspiele, in denen erst in den letzten Sekunden der Spielzeit die Siege klar gemacht werden und jeder sich für jeden den Arsch aufreißt. Taktik, Positionsspiel und Strategie spielen in „Coach Carter“ auf dem Spielfeld keine Rolle.

Das Drehbuch biegt selten in eine Sackgasse ein, wenn dann aber gleich kräftig. Als seine Mannschaft auswärts ein prestigeträchtiges Turnier gewinnt und sich nachts aus dem Hotel auf eine Party schleicht, wovon Carter sie dann umgehend wieder entfernt, dann wissen die Drehbuchautoren nicht weiter, weil die Spieler recht haben, wenn sie sagen, sie haben das Turnier gewonnen und wollen feiern. Carter schießt speziell in dieser Szene über sein Ziel hinaus und steht etwas ratlos im Bus. Dieser Moment hat keine Folgen und wird später auch nicht wieder aufgenommen. Etwas sinnlos, ein Fall für das Deleted Scenes – Feature der DVD.

Leise ertönt die kritische Stimme, als Carter feststellen muss, dass das Kollegium ihm nicht zuarbeitet, weil die wöchentlichen Leistungsberichte Mehraufwand wären, denn sie nicht gewillt sind zusätzlich abzuliefern. Ein Grossteil der Lehrer interessiert sich kaum für die Schüler, auch die Direktorin muss Carter erst überzeugen. Nur wenige Lehrer wollen ihn unterstützen. Als die Schulsituation dann eskaliert, weil der Coach die Sporthalle trotz einer beispiellosen Siegesserie seines Teams solange abschließt, bis die entsprechenden Noten nicht den von ihm festgelegten Mindestschnitt von 2,7 erreichen, steht er trotz Medienpräsenz vor dem Aus, weil vor allem die Eltern der Sportler im Sport die einzige Möglichkeit für ihre Schüler sehen.

Es ist das Gesetz des Films, dass der Film seine Wendung nimmt, da die Schüler einsehen, dass sie für ein besseres Leben lernen müssen und sich nicht auf ein paar möglicherweise gute Jahre als Sportler verlassen können. Ein Stipendium muss das Ziel sein, um nicht zwangsläufig auf die schiefe Bahn zu geraten.
Der Weg dorthin ist im Film, wie der Epilog uns weiß machen will, auch gar nicht so schwer und Thomas Carter weiß ihn zu beschreiten. Mit seinen 125 Minuten ist „Coach Carter“ niemals langweilig. Dank Trevor Rabins („Armageddon“, „Bad Boys II“) mitreißendem Score in den zwar dramatischen, aber nicht überinszenierten Spielen und einer beeindruckenden Höchstanzahl stimmiger Black Music-Klänge wird Carters nicht leidenschaftslose, aber akzentfreie Inszenierung der entsprechende musikalische Unterbau verpasst. Die Tatsache, dass diese Geschichte kaum variiert ähnlich schon öfter gesehen hat und auch das ein oder andere Klischee zwangsläufig bedient werden muss, darf dabei nicht so sehr stören. „Coach Carter“ hält sich da meist angenehm bedeckt.


Fazit:
„Coach Carter“ erzählt uns nichts Neues, doch das wollte er auch nie. Immerhin handelt es sich hier um eine MTV-Films – Produktion. Von daher sollte man sich mit diesem überraschend kurzweiligen Drama, das in erster Linie vor allem von Samuel L. Jacksons Leistung und seinem passenden Score lebt, so wie es ist, zufrieden geben: Selten kritisch, dafür aber zumindest mal einen Blickwinkel hinzuaddierend, der selten in solchen Filmen auftaucht. Dass dies allein Stoff für das amerikanische Publikum ist, die bei solchen Filmen oft und gern ins Träumen kommen, kann man nicht zuletzt daran ausmachen, dass „Coach Carter“ hierzulande kaum jemand im Kino sehen wollte und selbst die Verleih-DVDs in der Videothek zwischen Massen von „Hostage“ und Boogeyman“ geradezu verschämt und dezent minimal vertreten sind.
Dem Pathos kann der Film sich zum Schluss leider nicht vollends entziehen und rein formell macht man es sich auch relativ einfach, wenn Disziplin, Appelle und hartes Training direkt zum Ziel führt, aber um sich mal zwei Stunden gehen zu lassen, ist „Coach Carter“ gar nicht mal so verkehrt. Nichts Neues, aber dafür solide und unbeschwert umgesetzt, freilich ohne ernsthaft Stellung zu beziehen.

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