An einen Film, in dem ich Samuel L. Jacksons Leistung nicht zumindest für “gut” befunden hätte, kann ich mich spontan nicht erinnern; an Filme, die trotz seiner Teilnahme nicht allzu prickelnd waren, jedoch schon. Zu dieser Kategorie ist leider auch sein letztjähriges Basketball-Drama “Coach Carter” zu zählen.
Erzählt wird die wahre Geschichte eines ehemaligen Basketball-Highschool-Stars, der an der Richmond High den Trainerposten für das Oilers-Basketballteam übernahm. Mit diesem Engagement versuchte er, Sport und Bildung miteinander zu vereinen, um letztere wieder in den Vordergrund zu heben. Mit seinen radikalen Methoden, deren Höhepunkt die Schließung der Sporthalle mitsamt abgesagter Trainingseinheiten und Spiele war, und seinen konventionellen Werten brachte er die Gemeinde gegen sich auf und verdeutlichte damit nur noch mehr, welchen Missständen die Werte unterliegen, die auf Sport in Relation zur Bildung verteilt sind...
Inwiefern die im Film gezeigten Geschehnisse nun wirklich auf realen Vorkommnissen basieren und wo sie möglicherweise verstärkt dramatisiert wurden, kann ich in Unkenntnis der wahren Geschichte nicht beurteilen. Eine solche wird aber per se schon immer gerne als emotionaler Katalysator zum Grundstein eines Films gemacht, denn wenn man weiß, dass eine Sache in der realen Welt wirklich Pate gestanden hat für die Filmhandlung, wird sie um so echter und dramatischer.
Nun ist “Coach Carter” vom Plot her natürlich keine wirklich außergewöhnliche oder unglaubliche Geschichte, worin eigentlich auch die Stärke des Films liegen sollte. Schließlich werden hier tatsächliche Missstände amerikanischer High Schools angeprangert, Dinge, die so wirklich passieren und ein Stück Alltag sind. Der “True Story”-Untersatz dient daher vielmehr zur Verschleierung von Sportfilmklischees, denn wenn etwas wirklich so passiert ist, wie kann es im eigentlichen Sinne ein Klischee sein?
Den Zuschauer kann das nicht täuschen, denn leider stützt sich Thomas Carters Drama zu sehr auf diesen kleinen Vorteil und überstrapaziert ihn dermaßen, dass es am Ende genau dies geworden ist, nämlich ein in höchstem Maße vorhersehbares Klischee des zu Erwartenden, sich zusammensetzend aus zwei Genre-Bestandteilen, deren Pioniere bzw. Klassenprimusse in “An jedem verdammten Sonntag” und “Dangerous Minds” zu finden sind.
Jackson selbst, als Schauspieler mit der besonderen Stärke der Wandlungsfähigkeit gesegnet, bedient sich dabei zu großen Teilen an seiner Rolle aus “187", der in den “Dangerous Minds”-Bereich fällt. Beiden Figuren ist die Motivation gleich, sie wollen jeweils ihren Teil dazu beitragen, die Umwelt zu verbessern und der Jugend eine Zukunft zu sichern, sie ein Stück weit auf dem richtigen Weg begleiten. Der Unterschied zwischen Basketball-Coach Ken Carter und Highschool-Lehrer Trevor Garfield (und dass es zwischen diesen Berufen einen Unterschied gibt, macht Jacksons Carter gleich in der ersten Trainingseinheit klar) liegt in ihrer unterschiedlichen Herkunft - stammt Carter offenkundig aus gutem Hause, lebt Garfield in ärmlichen Verhältnissen, traumatisiert durch eine lebensbedrohliche Attacke auf seine Person, und zieht daraus die Kraft, andere vor einem solchen Leben voller Angst zu bewahren.
Daraus ergibt sich dann bei den auf den ersten Blick sehr ähnlichen Charakteren doch wieder ein Unterschied, den Jackson wunderbar herausspielt. Sowieso weit entfernt von seinen coolen Rollen um “Shaft” und damit von seinem persönlichen Lifestyle (so sagte es Jackson selbst wenigstens bezüglich des “Shaft”-Outfits), schafft der Mann es doch glatt wieder, mit selbstverständlicher Perfektion eine neue Figur zu kreieren, die fast an das Method Acting der Hauptdarsteller aktueller Biopics (“Ray”, “Walk the Line”) erinnert - nur ohne das zugehörige Trara, und - möglicherweise - ohne das Method Acting. Und doch, es blitzen von Zeit zu Zeit kleine Marotten in Jacksons Darstellung auf, die vermuten lassen, dass er sich ausgiebig mit der Person Ken Carter beschäftigt hat. Wer also bei diesem Film auf eine sehr gute Performance des Hauptdarstellers aus ist, wird sicherlich einmal mehr nicht enttäuscht werden.
Nur ist leider davon abgesehen kaum etwas zu erwarten. Die zunächst erschreckende Laufzeit von gut 130 Minuten ist noch nicht einmal das Problem, denn wirklich langweilig oder belanglos wird es zu keinem Zeitpunkt. Und doch hätten 90 bis 100 Minuten ausgereicht, um die Story zu erzählen, denn woran es in erster Linie hapert, ist die Erzählweise.
Regisseur Carter begnügt sich damit, einen relativ linearen Film zu konstruieren, dessen Haupthandlungsstrang um das Training und die Spiele der Oilers immer wieder für das Privatleben der einzelnen Spieler unterbrochen wird. Mal geht es um die Drogengeschäfte des gefallenen Stars Timo Cruz (Rick Gonzalez), dann um die bitter aussehende Zukunft von Junior (Nana Gbewonyo), um die Geburt des Kindes von Kenyon (Rob Brown) und Kyra (Ashanti) und nicht zuletzt um die Aufnahme von Damien Carter (Robert Ri’chard) in das Team des eigenen Vaters.
Das Problem dieser Erzählweise liegt darin, dass die einzelnen Subplots kaum eine Parallelität zum Hauptstrang aufzuwenden vermögen und sie erst recht untereinander keine interaktiven Züge aufweisen. Hier werden diverse Szenarien aufgeworfen, anschließend aber einfach fallengelassen, wodurch ihr Sinn in Frage gestellt wird: Weshalb das Ganze, wenn es sowieso nicht weiter verfolgt wird? Das betrifft so ziemlich alle Punkte: Den Vater-Sohn-Konflikt und die daraus zu erwartende, aber nie eintretende Konfrontation Damiens mit der Tatsache, dass der Coach sein Vater ist; die Drogengeschäfte und die im eigentlichen Sinne nicht eintretenden Konsequenzen für Timo; die Baby-Sache und die simple, konfliktfreie Auflösung; die Schüsse auf offener Straße und die so gut wie gar nicht weiter verfolgte Entwicklung. Es ist wie in einer Zeichentrickserie: da sind viele unterschiedliche Episoden, in denen allerlei passiert, doch zum Beginn einer jeden neuen Episode ist wieder alles so, wie es früher war. Dabei fungieren die Treffen im Oilers-Team jeweils als Zwischenstation, in deren Verlauf alle Spannungen herausgenommen, alle Motoren wieder auf 0 beruhigt werden, selbstverständlich durch die gute Arbeit des Coaches.
Was man dem Regisseur positiv anrechnen kann, ist die Art und Weise, wie die Arbeit des Coaches dargestellt wird. Man kann mit jedem Schritt nahezu fühlen, wie sich die fatale Situation des Teams (in der Vorsaison nur vier Siege) mit jeder Trainingseinheit schlagartig bessert. Das liegt nicht nur an Jacksons guter Leistung, das liegt auch an der Auswahl des Gezeigten. Hervorzuheben ist die Illustration des Codeschemas, das sich innerhalb des Teams ergibt, indem Carter Geschichten über die Frauen aus seinem Leben (Frau, Schwester, Mutter usw.) erzählt und die jeweilige Quintessenz der Geschichte mit deren Namen belegt und für eine Spieltaktik verwendet. Life is a Game, könnte man sagen.
Auch die moralischen Werte des Coaches werden sehr schön zur Geltung gebracht und finden ihren Höhepunkt in einer Gerichtsverhandlung um das Schließen der Trainingshalle, die zu großen rhetorischen Ufern aufbricht und zwei Argumentationen miteinander kollabieren lässt, wodurch im Endeffekt die eigentlich fast schon unbewusste Doppelmoral der Gemeinde deutlich wird. Dass die daraus zu ziehende Filmmoral fast schon trieft und eines der gleich noch zu diskutierenden Klischees voll bedient, fällt an dieser Stelle ausnahmsweise mal nicht so ins Gewicht; als die Lehrerin später zum Coach geht und ihn zum Bleiben überreden will, merkt man, dass sie überhaupt nicht verstanden hat, worum es Carter überhaupt geht. Die Idee ist alt, die Art, wie sie dargestellt wird, ist aber neu und wohl dem echten Carter zu verdanken.
Aber wenn schon nicht durch die narrative Struktur, werden die positiven Ansätze zumindest durch die unvorteilhafte Inszenierung niedergedrückt. Denn die gewährt den erwähnten Klischees Nährboden zum wachsen und gedeihen. Einfach alles ist dabei, was man in kleinen Sportler-“Dramödien” wie “Helden aus der zweiten Reihe” oder “Waterboy” als charakteristisch kennen gelernt hat. In der ersten Stunde zieht ein cooler Macker genervt von des Trainers Art (sinngemäß: “Sie sprechen mich mit Sir an, und ich spreche Sie mit Sir an. Sie haben meinen Respekt, solange Sie ihn nicht verspielen, Sirs.”) von dannen, um kurze Zeit später kleinlaut zurückgekrochen zu kommen. Dazu muss er jede Menge Liegestützen bewältigen, und als er die am Ende trotz massiven Einsatzes nicht geschafft hat und vom Coach weggeschickt wird, treten die Kameraden vor - einer nach dem anderen - und sagen: “Ich übernehme Liegestütze für dich!” “Ich auch.” “Ich mache auch mit.” “Ja. Ich auch.”. Dramatische Musik ertönt, des Trainers Gesicht erfüllt langsam ein Lächeln, und als einer der Jungs sagt “Das wollten Sie doch immer von uns. Wir sind ein Team. Jeder steht für den anderen ein”, da ist endgültig klar, dass von nun an nur noch das Erwartbare zu erwarten ist. Bis hin zum letzten Spiel läuft wirklich alles genauso ab, wie man das vermutet hat, unterstützt von der entsprechenden Inszenierung mit Slow Motion in besonders dramatischen Momenten, mit Momenten der Einsamkeit, mit Momenten des Teamgeistes, mit allem, was der Romantiker begehrt. Es ist fast schon böse Ironie, dass (wenn mich mein Gehör nicht täuscht) mit Daniel Fehlow und Tim Sander zwei Synchronsprecher involviert sind, die einstmals mit Deutschlands First Soap Opera berühmt wurden, denn ein gewisser Seifenoperncharakter ist der ganzen Sache leider nicht abzusprechen.
Darunter leiden dann auch die Spiele, die wie damals der schematisch sehr ähnliche “Gegen jede Regel” sehr kurz und unspektakulär gehalten sind, weil sie nicht die Ästhetik des Spiels betonen wollen, sondern den Teamgeist. Nur hat man schon so manches Sonntagnachmittagsdrama gesehen, das zwar alles in allem oberflächlicher war, die Dramaturgie auf dem Spielfeld aber klar besser hinbekam.
“Inspired by a true story” reicht hier nicht ganz; zwar legt Jackson einmal mehr eine tolle Vorstellung ab und nähert sich mit seiner Darstellung fast schon dem Biopic-Genre an, und aus der Ideologie des echten Ken Carter ist auch der eigentliche Sehwert des Films zu ziehen. Erzählerisch und inszenatorisch bleibt “Coach Carter” aber leider schmuckloses, gewöhnliches Handwerk, das nicht über den 08/15-Standard des Sportlerdramas hinauskommt. Unterdurchschnittlich, wenn eben auch kein vollkommener Fehlschlag: 4.5/10