Mit „Hostage“ gibt Florent Emilio Siri sein Hollydebüt und kann direkt seinem Einstand einen spannenden Thriller abliefern.
Schon die Crediteinblendung gehört zu den coolsten Vorspännen, die man in letzter Zeit auf der Leinwand sah: In simplen Zeichnungen werden Szenen einer Geiselnahme dargestellt und in die Bilder sind die Namen der Beteiligten reingeschrieben. Sieht wirklich schick aus und sorgt für Atmosphäre.
Mit einer Geiselnahme geht es dann auch los, am Ort ist Jeff Talley (Bruce Willis), einer von Los Angeles’ führenden Verhandlungsführern. Er will keine Toten und verbietet dem SWAT-Team den Geiselnehmer wegzuputzen. Ein schwerer Fehler, denn der Mann rastet aus und tötet sich zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn. Alles in allem ein sehr spannender Auftakt, der schon richtig zu fesseln weiß.
Ein Jahr später: Jeff ist mit dem Fiasko von damals nicht fertig geworden und inzwischen Leiter der Polizei in einer Kleinstadt. Hier befinden sich auch die beiden Brüder Dennis (Jonathan Tucker) und Kevin Kelly (Marshall Allman) sowie ihr Kumpan Marshall ’Mars’ Krupcheck (Ben Foster), drei Kleinkriminelle. Ihnen begegnet nicht nur Jeff, sondern auch der reiche Buchmacher Walter Smith (Kevin Pollak) mit seinen Kindern. Geschickt stellt Siri seine Hauptfiguren durch diese Abfolge von Begegnungen vor, sodass die Einleitung wie eine geschlossene Einheit wirkt.
Die drei Kleingangster verfolgen die Smiths, überfallen die Familie und wollen an sich nur das Auto rauben. Doch dann eskaliert die Situation und es kommt zu einer Geiselnahme. Jeff übernimmt kurz, will aber wegen seiner Vergangenheit nicht mehr für die Geiselnahme verantwortlich sein. Doch dann entführen Unbekannte seine Familie und zwingen ihn die Verhandlungen nach ihren Vorstellungen zu führen...
Trotz der Mitwirkung von Bruce Willis ist „Hostage“ mehr Thriller als Actionfilm. Ein paar Schießereien kann der Film dennoch bieten, vor allem im Showdown geht es dann rund. Den Actionszenen merkt man dann auch an, dass Siri sein Handwerk versteht, denn diese sind sehr stilvoll in Szene gesetzt und setzen Zeitlupe und ähnliche Kunstgriffe sehr effektiv ein. Vor allem die Actionszenen während des Brandes sind wirklich toll geraten.
Die meiste Zeit beschäftigt sich „Hostage“, der aus der Feder von Thrillerspezialist Ehren Kruger („Arlington Road“, „Scream 3“) stammt, jedoch mit der Interaktion der Figuren und zieht die Spannung aus der sich immer weiter zuspitzenden Geiselnahme: Finstere Hintermänner, unfähige Polizisten, immer mehr Nerven zeigenden Geiselnehmer – hier wird dem Zuschauer das volle Programm geboten. Zwar gibt es kleinere Längen und die durchgehende Spannung eines „Verhandlungssache“ wird nicht erreicht, doch fesselnd und durchgängig unterhaltsam ist das Gebotene allemal. Vor allem die Wendungen können überraschen und sind immer nachvollziehbar, obwohl ich mir persönlich noch ein paar mehr Infos über die finsteren Hintermänner, die Jeffs Familie kidnappen, gewünscht hätte. Auch die düstere Optik, die Siris Stil erkennen lässt, weiß zu gefallen und passt zu dem Film.
Zudem wissen die Drama-Elemente in „Hostage“ zu gefallen, wobei der Film vor allem seinen Helden Jeff wirklich gelungen charakterisiert. Man merkt, dass Jeff erst dadurch zu Höchstform aufläuft, dass er sich seiner alten Angst stellen muss und dass er all sein Geschick aufbringt, obwohl er der Verzweiflung nahe ist. Auch viele andere Figuren wie das Brüderpaar werden immerhin oberflächlich beleuchtet. Nur der klischeehafte Psychopath Mars wirkt eindimensional und stört ein wenig in dem sonst ganz gut erdachten Figurenensemble.
Bruce Willis trägt den Film in der Hauptrolle hervorragend und liefert eine seiner besten Leistungen ab: Er bringt die Emotionen seiner Figur mehr als glaubwürdig rüber und lässt erkennen, zwischen welchen Gemütszuständen Jeff Talley ständig schwankt. Auch Kevin Pollak erweist sich mal wieder als ein hervorragender, aber leider in Hollywood zu wenig beachteter Nebendarsteller. Die restlichen Darsteller machen ihre Sache ebenfalls sehr überzeugend, wobei vor allem die Kinderdarsteller einen überraschend guten Job machen, denn oft nerven Kinder in Filmen ja nur.
Alles in allem bekommt man trotz ein paar kleinerer Längen und winziger Schnitzer (z.B. die eindimensionale Psychopathenfigur) einen hochspannenden und klug erdachten Thriller, der zudem mit hervorragenden Darstellern glänzen kann.