Wenn ich an den Titel „Hide and Seek“ denke, kommt mir unweigerlich ein unbedeutender kleiner B-Film (aka „Cord“) aus dem Jahre 2000 in den Sinn, auf welchen ich damals dank seiner interessanten Besetzung (Vince Gallo, Daryl Hannah, Jennifer Tilly, Bruce Greenwood) aufmerksam geworden bin, der sich aber beim Sichten als ziemlich miese Enttäuschung herausgestellt hat. 2005 erschien nun ein weiterer Film selbigen Titels (der jedoch in keiner Weise mit dem anderen Werk in Verbindung steht), an welchem mich im Vorfeld ironischerweise ebenfalls hauptsächlich die Mitwirkenden interessierten, denn diese sind wahrlich hochklassig: Robert DeNiro („Ronin“), Dakota Fanning („Man on Fire“), Famke Janssen („X-Men“), Elisabeth Shue („Hollow Man“), Dylan Baker („13 Days“), Amy Irving („Carrie“) sowie Robert John Burke („Dust Devil“) fallen auf den ersten Blick ins Auge.
Nun, ganz so schlimm wie der ältere „Hide and Seek“ ist dieser Psycho-Thriller des Regisseurs John Polson zum Glück nicht ausgefallen – doch leider kommt auch dieser Film keinesfalls an die Erwartungen heran, zu welchen die Besetzung eigentlich Hoffung geboten hatte…
Nach dem Selbstmord seiner Frau (Irving) zieht der Psychologe David (DeNiro) zusammen mit seiner Tochter Emily (Fanning) raus aus New York ins ländliche Gebiet nördlich der Stadt, um das tragische Ereignis zu verarbeiten, durch das sich Emily immer weiter verschlossen und in sich selbst zurückgezogen hat. Anfangs scheint sich keine wirkliche Besserung ihrer Verfassung einzustellen, doch dann entwickelt sie frische Motivation beim Versteckspiel mit ihrem neuen Fantasiefreund Charlie. Anfangs unterstützt David diese Verhaltensweise, da es ihr zu helfen scheint, wieder für etwas Freude entwickeln zu können, doch schon bald nimmt die von Emily versicherte Gegenwart Charlies immer merkwürdigere und bedrohlichere Züge an – auch gegenüber Davids neuer Bekanntschaft Elizabeth (Shue), von welcher Emily und Charlie allem Anschein nach befürchten, sie wolle den Platz ihrer Mutter einnehmen. Als schließlich noch blutige Botschaften im Bad erscheinen und die Nachbarn in ihrem Verhalten immer suspekter werden, beginnt sich David ernsthaft zu fragen, ob Charlie wirklich ausschließlich Emilys Phantasie entsprungen ist…
„Hide and Seek“ lief in den USA überraschend erfolgreich in den Kinos, wobei er fraglos von der Sogwirkung der aktuellen Horror-Welle (mit Hits wie „the Grudge“, „Boogeyman“ oder „Ring two“) profitierte – doch im Gegensatz zu jenen Gruselschockern handelt es sich in diesem Fall eher um einen Thriller mit psychologischem Hintergrund.
Diese Tatsache bietet im Rahmen der Story ungeahntes Potential und kann über weite Strecken auch tatsächlich überzeugen – leider vernachlässigt das Drehbuch gerade diese Aspekte im entscheidenden letzten Akt, der zu einem grobschlächtigen Standard-Genre-Finale (inklusive der Elemente Wald, Nacht und Nebel) verkommt, sobald man die Auflösung der Ereignisse erfahren hat. Gerade dieser Aha-Effekt, der in meinen Augen an sich durchaus gelungen ist, stellt sich als ein weiteres Problem heraus, denn der Film arbeitet konstant genau auf diese Wendung zu, ohne dabei notwendige Rücksicht auf das psychologische Drama im Hintergrund (Stichwort „posttraumatisches Stress-Syndrom“) zu nehmen. Seit M.Night Shyamalans „6th Sense“ ist der Zuschauer zudem in dieser Beziehung gewappnet, weshalb man sich ständig fragt, wie das ganze denn nun ausgehen könnte – geübte Kinogänger werden die Wendung daher bereits etwa nach der Hälfte recht sicher erahnen können. Wenn diese schließlich präsentiert wird, kommt einem hier jedoch nur „okay, so ist das nun also“ in den Sinn, anstatt wirklich schockiert zu sein.
Im starken ersten Akt des Films werden die Charaktere eingeführt sowie in ihre neue Umgebung gesetzt, in welcher man die zwischenmenschlichen Differenzen und Spannungen am deutlichsten bei den ganz alltäglichen Abläufen zu spüren bekommt – jeder Tag wird von fest eingegliederten Situationen bestimmt: Das gemeinsame Abendessen, Emily beim Malen, David beim analysieren im Arbeitszimmer sowie beim ins Bett Bringen seiner Tochter. Mit der Zeit setzt das Versteckspiel mit Charlie ein, Emilys Verhalten (nicht nur) am Tisch verändert sich, David wacht nachts immer zum Todeszeitpunkt seiner Frau (mitsamt wiederkehrender Erinnerungsfetzen) auf, entscheidende Ereignisse im Bad schließen sich seinem Erwachen an. Diese sich zuspitzenden Wiederholungen, gepaart mit Emilys zunehmend merkwürdigeren Verhalten, lässt die Spannung kontinuierlich ansteigen – nur um dann mit der (nicht genug ausgearbeiteten) Auflösung förmlich zu verpuffen. Gleich im Anschluss setzt schließlich das erwähnte Finale ein, welches zwar effektvoll in Szene gesetzt wurde, aber einfach zuviel Zeit in Anspruch nimmt…
Von Anfang an hat mich die Besetzung extrem gereizt: Allein die Tatsache, dass man Robert DeNiro, den man ja unlängst zum „Schauspieler des Jahrhunderts“ kürte, Dakota Fanning, der mit Abstand talentiertesten Jungschauspielerin ihrer Generation, gegenübergestellt hat, war schon Grund genug, mir diesen Film unbedingt anzusehen. Nach ihrer preisgekrönten Rolle in „I am Sam“ sowie dem fantastischen Auftritt im „Man on Fire“-Remake, war es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bevor man ihre intensive Ausstrahlung im Horror-Genre einsetzen würde – und auch diese Rolle meistert sie mit Bravour, denn sie vermittelt die Veränderungen ihres Charakters mit eindringlicher Intensität und Glaubwürdigkeit. Über weite Strecken des Films kann man sich zudem an DeNiros gekonntem Spiel erfreuen, denn er verkörpert den geduldigen, gutmütigen Vater überzeugend. Speziell die Szenen zwischen ihm und Fanning sind gewichtig und gut gespielt, wobei sie Dakota letztendlich aber fast allesamt an sich reißt…
Elisabeth Shue und Dylan Baker füllen ihre Nebenrollen gut aus, bekommen jedoch nicht viel Material geboten, mit dem sie arbeiten können. Vor allem aber hat man die famose Famke Janssen gnadenlos unterfordert und verheizt – obwohl sie am Anfang und Ende je eine zentrale Rolle spielt. Na ja, dafür bezahlt zu werden, um mit einer lebenden Legende wie DeNiro agieren zu dürfen, hat schließlich auch was an sich…
Ähnlich wie „Boogeyman“ besitzt „Hide and Seek“ ebenfalls alle Elemente, die für einen gelungenen Thriller bzw Schocker notwendig sind – weiß diese aber genauso wenig (inspiriert) einzusetzen. Alle typischen Klischees des Genres sind vorhanden: Die merkwürdigen Nachbarn, der etwas zwielichtige Sheriff, die dunkle Höhle im nahe gelegenen Wald, knarrende Türen, wehende Vorhänge, Stromausfälle, der pfeifende Kessel und so weiter. Zwar gruselt oder erschreckt man sich ab und an, doch angesichts aller Mühen und Mittel wirkt das fertige Produkt problematisch uneigenständig. Hinzu kommen etliche weitere Genre-Zitate von „the 6th Sense“, „What lies beneath“ und „Amityville“ bis hin zu „the Shining“, was die Versäumnisse des Films noch stärker hervorhebt.
Regisseur John Polson, der zuvor bereits den möchtegern-Thriller „Swimfan“ ablieferte, inszenierte zwar routiniert, aber ohne eigene Handschrift – was angesichts des formelhaften Drehbuchs von Ari Schlossberg („Lucky 13“) einfach nicht reicht…
Fazit: „Hide and Seek“ ist ein routinierter, gut besetzter Psycho-Thriller mit Mystery-Touch, der leider aufgrund zahlreicher Klischees sowie verschenkten Nebenrollen enttäuscht und am Ende zudem arg ins Stolpern gerät – doch wo sonst kann man schon mal sehen, wie eine 10-jährige den großen Robert DeNiro gnadenlos an die Wand spielt…? = knappe 5 von 10