Es passiert zwar äußerst selten, aber manchmal bringen die Mörder Columbo zur Weißglut. Völlig anders verhält es sich bei Adrian Carsini (Donald Pleasance), mit ihm trinkt der Inspektor sogar nach der spektakulären Überführung noch eine Flasche von dem Getränk, das dieser Episode eine besondere Note verleiht – vergorener Saft von Trauben in allen Variationen, eine Flasche edler und teurer als die andere. „Wein ist dicker als Blut“ – zumindest den Titel kann man in Zeiten von Blutdoping hinterfragen, aber dahinter verbirgt sich ein Meisterwerk des Columbo-Universums.
In Vino veritas. Die Folge wartet mit viel Leidenschaft und kriminalistischen Finessen auf. Demnach schwimmt man immer mehr mit in der Faszination für die edlen, überwiegend roten Tropfen, die der Mörder Carsini mit viel Herzblut und Hingabe blumig beschreibt. Columbo ist genauso fasziniert und nimmt bei seinem Gegenüber wenig kriminelle Energie wahr. Der Inspektor verspürt eher Sympathie, weil ihn der Winzer mit seiner Begeisterung und zwischenmenschlichen Eleganz ansteckt.
Das Tötungsdelikt ist hier mehr ein Produkt der Leidenschaft, die letzte Konsequenz, weil Carsinis Bruder dessen Weingut an Stümper bzw. Billigproduzenten verkaufen möchte. Man fühlt mit, wodurch der Mörder zum Mörder wird und sieht, wie geschickt er seine Tat verschleiert. Der Winzer lässt seinen Bruder im eigenen Weinkeller ersticken und versucht die Tat wie einen Tauchunfall aussehen zu lassen. Columbo, ein Italiener ohne Leidenschaft für das alkoholhaltige Getränk, entdeckt langsam seine latente genetische Veranlagung und wird im Laufe der Folge immer mehr zum Genießer edler Weine, die Carsini mit seiner eigenen Begeisterung so plastisch macht, dass der Geschmack auch ohne Geruchs- und Geschmacksfernsehen in die Wohnzimmer dringt. Dieser feinen Note unterliegt ein gut durchdachter kriminalistischer Plot, der mit einer grandiosen auf den ersten Blick nicht ganz durchsichtigen Überführung überzeugt und neben dem Sinn für Weine auch den Krimidurst stillt.
Atmosphäre wird unter diesen Vorzeichen zum Selbstläufer, die Chemie zwischen Mörder und Inspektor war wohl selten in anderen Episoden gleichwertig. Falk und Pleasance harmonieren als ungleiches Duo, indem sie gemeinsam Wein schlürfen und ihre Begeisterung mit allen Mitteln der Kommunikation in Dialogen und Monologen mitteilen.
Man nimmt es gerne wahr und spürt einen Hauch von Wehmut, wenn der Winzer am Ende an seiner Leidenschaft zerbricht und auf Columbos brillanten Trick hereinfällt. Erleichtert klirren trotzdem die Gläser, Columbos Pflicht ist getan und Carsini fällt ein Stein vom Herzen, denn eigentlich ist er kein Mörder vielmehr ein Idealist, der sich den Genuss nicht nehmen lassen wollte. Beide konnten nicht anders und so kommt es, wie es kommen muss. Das Ende ist hier schon fast ein Happy End, nicht wegen der Tatsache, dass Böse von Gut überführt wurde, sondern weil man zwei sympathische Charaktere über 90 Minuten beobachten durfte. Ein genüsslich atmosphärischer Krimi im Columbo-Rahmen. (9/10)