Wir befinden uns in einer Zeit, in der es in der Türkei drunter und drüber geht, neben allerlei Herumgeputsche innerhalb der Türkei, versucht man wirtschaftlich gesehen sich irgendwie so zu positionieren, dass der Kapitalismus sich dem Westen annähert, die staatliche Kontrolle vieler Güter ist dennoch, ähnlich wie in der sozialen Planwirtschaft nach wie vor stark vorhanden.
Außerdem befinden wir uns in einer Zeit, da die ersten Auswanderer immer mal zurück kommen, um möglichst viele Bekannte oder Verzweifelte arme Schlucker in weiteren Wellen ins "gelobte" Deutschland zu schmuggeln.
In diese Ära fällt die Satire Banker Bilo.
Auf grandiose Art und Weise wird die Hass-Freundschaft zweier Männer zelebriert: Der eine knechtet den anderen den gesamten Film hindurch, betrügt den naiven, "guten", nach Strich und Faden, steckt ihn in den Knast, nimmt ihm alles, sein Hab und Gut, schließlich sogar die Verlobte und zerstört und zertrampelt den guten Charakter.
Was sich jedoch nach einer bitteren Sozial-Studie anhört, ist ein erheblich athmosphärisches, ziemlich lockeres kleines Filmchen, das seinen gesamten Reiz aus dem Zusammenspiel zwischen köstlichem schelmischen Bösewicht, dem man eigentlich nie böse sein kann, weil er einfach ein hinreißend verdorbener Schurke ist und dem naiven immer wieder weichgeredeten Dümmling bezieht.
Dabei ist ganz klar die gesamte Sympathie des Films auf den Bösewicht ausgerichtet, obwohl er doch minutiös dem Naivling und Protagonisten folgt.
Zuerst verschleppt er den Dümmling nach Istanbul und gaukelt ihm vor, jetzt wäre er in München und könne in Deutschland gut Kohle machen, später kreuzen sich erneut ihre Wege, und anstatt dem Schurken an die Gurgel zu gehen, läßt sich der Dümmling wieder breitquatschen und eröffnet mit diesem ein Geschäft. Später stellt sich heraus, dass es sich hierbei um Schmuggel handelte und alles auf den Dümmling eingetragen war, damit falls etwas schiefgeht, der Dümmling dafür belangt wird. So kommt es natürlich auch.
Wieder später, als der Dümmling aus dem Knast ist und dringend arbeit braucht, findet er zufälligerweise erneut den Schurken. Erneut gelingt es dem Schurken, den Dümmling mit seinen Argumenten schwindelig zu reden, so daß der Dümmling bei ihm als Hausmeister nur noch als Knecht arbeitet.
Das geht schließlich soweit, dass der Schurke dem Dümmling seine Verlobte wegnimmt....
Banker Bilo mag auf den ersten Blick billig wirken. Das ist auch teilweise der Fall, die Production Values sind sehr niedrig gehalten. Allem Anschein nach hat man in der Türkei beispielsweise sogar in den 80er Jahren noch nichts von Belichtung oder Make-Up gehört.
Man gewinnt leicht den Eindruck, der Film wäre in zwei Wochen herunter gekurbelt worden.
Dennoch, das ist bei diesem Film absolut nebensächlich.
Denn im Vordergrund steht eindeutig die Geschichte, die ganz klar eine extreme Sozial- und Kapitalismuskritik beinhaltet. Obwohl alle wissen, wer dieser Schurke ist, kriechen sie ihm in den Arsch, weil er ganz oben ist. Sogar der Zuscahuer liebt ihn, weil man einfach solchen Sonnyboys alles verzeiht.
Väter verhökern ihre eigenen Töchter nur für einen kleinen Profit, das fängt ganz unten an und führt sich durch alle gesellschaftlichen Schichten hindurch fort. Nur dort heißt es dann, man müsse sich wirtschaftlich gemeinsam für die Zukunft wappnen und sowas besiegelt man am besten mit einem Schwiegersohn.
Jeder, mit Ausnahme unseren liebenswerten Deppen, ist korrupt, und ist er es nicht, wird er es automatisch nach einer Weile, damit er überleben kann. Aber Korruption ist ein delikates Thema, man muß wissen, wo man in der Hierarchie steht, wen man schmieren kann, und wem gegenüber man unterwürfig sein muß.
Liebe und Ideale kann man nur verfolgen, solange man entweder blöd oder arm ist, am besten beides, weil mit diesen Werten schafft man es nicht nach oben.
Freundschaft, Loyalität? Hallo? Der Vater verhökert die eigene Tochter!!! Eine Grundaussage des Films lautet: "Ein Freund ist dem anderen Freund der Zuhälter, ein Freund dem anderen Freund nur ein Packesel. Einer ist immer obenauf, der andere läßt sich ausbeuten!"
All diese moralinverseuchten, zynischen Aussagen werden nur vom genialen Drehbuch und den beiden überragenden Akteuren getragen, vor allem wie erwähnt vom Schurken (Sener Sen, welcher in der Türkei den Ruf genießt, der beste Akteur zu sein), die Regie bleibt ein bißchen im Hintertreffen, was zwar unfair wirken mag, da der Film wirklich klasse hat, aber dafür sind die beiden Akteure einfach nur zu genial. Und die Sprüche, die das Drehbuch hergibt, sind eine einzige Wonne.
Da kannst du als Regisseur noch so viel falsch machen, der Film ist ein Hit....
Ähnlich wie es sich für manche Klassiker gehört, ist fraglich, ob der Film heutzutage noch genauso gut funktionieren würde, da es schon schwer ist, zwei Akteure mit einer ähnlichen Chemie zu finden. Außerdem haben sich die Zeiten sehr gewandelt, heutzutage herrscht eine andere art von Kapitalismus.
Außerdem muß man auch leider festhalten, dass der intelligente ironische Zynismus der späten 70er und frühen 80er Jahre in den heutigen türkischen Filmen einer gewissen Lethargie und Volksverdummung gewichen ist. Etwas derart doppel- bis fünfachdeutiges wie hier wird nicht mehr hergestellt.
Und wenn dann doch der Versuch unternommen wird, dann watet man knietief in Moral und Gutdünken, dass einem die Kotze hochkommt.
Mit seiner Amoralität wird dieser Film nicht bei allen Leuten gut ankommen, denn die Schlußpointe ist ebenso frappierend einfach wie erschreckend verstörend, verströmt aber immer noch den amoralischen Charme eine ätzenden lustigen Satire.
Und das ist dieser Film mit Sicherheit:
Einer der lustigsten vielschichtigsten Satiren aller Zeiten, ohne sich zu sehr auf konservative Politfloskeln zu beschränken, sondern eine Geschichte erzählend, die leicht als das Satire-Epos der Türkei schlechthin angesehen werden kann.
Eigentlich volle 10 Punkte, aber bei den niedrigen Production Values geht ein Punkt flöten:
9 Punkte