Nach langer Zeit kommt mit "Git" endlich wieder eine Romanze aus Südkorea daher, die wirklich überzeugt und ohne aufgesetzte Melodramatik eine positive, aber melancholisch entspannte Atmosphäre erzeugen kann. Eigentlich war dieser Film von Regisseur Song Il-gon als 30-minütiger Beitrag für eine Kurzfilmzusammenstellung mit dem Namen "1.3.6" gedacht, doch glücklicherweise geriet "Git" viel zu lang und Song Il-gon beschloss, ihn gesondert zu veröffentlichen. Der am Ende 73-minütige Film ist für Freunde des Indepentendkinos ein Glücksfall. Wer Kim Ki-duk in seinen wenigen seichten Tönen zu schätzen weiss, der wird "Git" innbrünstig lieben und sich wundern, was mit einer Digitalkamera und viel Talent auf einer einsamen Insel alles eingefangen werden kann.
Eigentlich nur zwei Schauspieler und eine schroffe Insel werden zum Schausplatz einer herzerfrischenden Romanze. Ein Film ohne grosse Effekte und ohne grosse Twists in der Handlung, ein Film über das Leben und die Liebe ; ein Film der Hoffnung erzeugt und obwohl nur die Vergangenheit festzustehen scheint, uns dennoch die Zukunft in gewissen Grenzen planen lässt.
Der Regisseur Jang Hyeong-seong ( gespielt von Jang Hyeong-seong ) hat gerade einen mittelprächtigen Film abgedreht und müsste eigentlich an einem Drehbuch schreiben. Für den Zuschauer begibt er sich jedoch plötzlich und unerwartet auf eine Reise. Er ist auf dem Weg zu einer kleinen Insel in der Nähe von Cheju-Island. Dort war er vor genau 10 Jahren schon einmal gewesen ; mit seiner ersten grossen Liebe bewohnte er in einem kleinen Hotel das Zimmer 204.
Bei diesem Aufenthalt machten die zwei sich ein Versprechen. Sie wollten sich in genau 10 Jahren unabhängig von der Zukunft wiederum dort treffen. Einen Tag vorher trifft Jang Hyeong-seong dort ein und erinnert sich ; eine gemeinsame Zukunft gab es leider nicht und ihre Wege trennten sich. Sie ging nach Polen um ihr Klavierspiel zu verbessern und er musste zum Militär. Sie traf dort einen deutschen Dirigenten und er blieb allein. Im weiteren Verlauf heiratete sie ihren Dirigenten und ging nach Deutschland ; der Kontakt riss ab und dennoch hatte Jang niemals dieses Versprechen vergessen.
Nun sitzt der unverheiratete Jang im Zimmer des Hotels und fragt sich, ob seine damalige Liebe ebenfalls dort auftauchen wird und was man sich zu sagen hat. Das Hotel wird von einem seltsamen Mann und seiner Nichte Lee So-yeon ( gespielt von Lee So-yeon ) geleitet. Während ihr Onkel seit dem Weggang seiner Frau stumm zu sein scheint, ist Lee So-yeon eine lebensfrohe und sehr positive junge Frau. Der introvertierte und sehr nachdenkliche Jang wirkt von ihr fasziniert und in den folgenden Tagen beginnt er mit der Vergangenheit endgültig abzuschliessen, seine Gegenwart zu akzeptieren und die Zukunft gar schon wieder planen zu wollen.
"Git" oder auch "Feathers in the Wind" ist ein ungemein weiser und intelligenter Film. Ruhig und bedächtig erzählt er die Geschichte einer Entwicklung.
Was war?, Was ist?, Was wird?
Mit der Vergangenheitsbewältigung fängt es an, es geht weiter mit der Gegenwartsakzeptanz und mündet sogar in einem positiven Zukunftsvertrauen. Diese Entwicklung des Hauptdarstellers wird bildhaft durch die Darstellung des Wetters auf der Insel unterstützt. Zuerst stürmisch und regnerisch, wechselt das Wetter zu sonnig und heiter. Dies mag wie Zufall aussehen, scheint mir aber wie viele andere Punkte im Film durchaus gewollt zu sein.
Die beiden Schauspieler spielen sich praktisch selber ; dies wird durch die Namensgebung deutlich. Vollkommen frei und manchmal fast schon an der Grenze zur Improvisation zeigen sie ein unprätentiöses Spiel der Sonderklasse. Die Einfachheit scheint hier der Schlüssel zum Besonderen, dieses Merkmal erinnert deutlich an den oben schon erwähnten Kim Ki-duk. Die Textlosigkeit eines Kim Ki-duk wird allerdings nicht erreicht und obwohl der Hotelbesitzer nicht spricht, haben die beiden Hauptdarsteller deutliche Dialoge zusammen.
Bemerkenswert sind auch die stimmungsvollen Naturaufnahmen der Insel, kaum zu glauben, dass dies mit einer Digitalkamera aufgenommen wurde. Die kurze Drehzeit und das geradezu lächerliche Budget ( 70.000,-$ bei 10 Tagen Drehzeit ) unterstreichen die effektiven und kreativen Fähigkeiten eines hochbegabten Regisseurs. Mit "Spider Forest" hatte besagter Song Il-gon im Jahre 2004 allerdings auch schon einen beeindruckenden Film abgeliefert.
Somit bleibt als Fazit fast nur Positives ; eine anspruchsvolle Story mit ordentlich Tiefgang und vielen intelligenten Anspielungen und Zeichen, zwei natürliche und frei aufspielende Hauptdarsteller und ein Regisseur der sowohl diese zwei, als auch die landschaftliche Schönheit absolut überzeugend einzufangen weiss. Erwähnenswert ist auch noch die wunderschöne Musikuntermalung, diese Melodie passt wunderbar zum Film und geht einem nur schwer wieder aus dem Kopf.
Dieser Film mit einer weniger spartanischen Ausstattung wäre perfekt gewesen und hätte die volle Punktzahl bekommen. So ärgert ab und an die wackelige Handkamera das Auge des Zuschauers und die nächtlichen Szenen geraten zudem etwas pixelig. Dennoch werden es starke 9 Punkte für eine endlich mal wieder gelungene südkoreanische Romanze.