Das südkoreanische Arthouse-Kino hat schon einige bekannte und erfolgreiche Regisseure hervorgebracht. Natürlich Kim Ki-duk und der bei mir nicht sehr beliebte Hong Sang-soo, es kommen aber immer wieder neue und ambitionierte Leute nach. So wie hier geschehen, wenn Lee Yoon-ki mit "This Charming Girl" seinen ersten Spielfilm präsentiert.
Obwohl gerade in letzter Zeit die Tendenz auch in Südkorea zu mehr Kommerz und Mainstream geht, scheint immer noch genügend Potential im Independentkino dieses Landes zu liegen. Das Marktumfeld wird schwieriger und die Produktionsfirmen immer mächtiger, dennoch finden sich unerwartete Überraschungen ( "My Scary Girl" ist z. Bsp. ein gutes Beispiel für Independentkino und kommerziellen Erfolg ). Mit "This Charming Girl" kommt zwar kein innovativer und das Rad neu erfindender Film, doch ein in seiner Ruhe und Stille durchaus mit stilvoller Atmosphäre fesselnder Film daher. Ich mag diese Art von Melancholie die dennoch gehaltvoll dramatisch werden kann und so wurde es ein angenehmes Filmvergnügen.
Die junge Postangestellte Jeong-hae ( gespielt von Kim Ji-su ) führt ein einsames und trostloses Leben. Sie arbeitet in einem Postamt in Seoul und ihr Leben ist ungefähr so aufregend wie eine Nacht im Schlaflabor. Sie arbeitet sehr gewissenhaft und lebt in einer kleinen Wohnung ganz für sich allein. Sie vermeidet jegliche innovative soziale Kontakte oder Handlungen und scheint sich nur in gewohnten Handlungssträngen sicher zu fühlen. So geht sie gern immer ins identische Restaurant essen und bestellt viele Dinge über das Internet. Die einzigen sozialen Kontakte in ihrem Leben sind ihre Arbeitskolleginnen.
Dennoch scheint Jeong-hae diese sichere Einsamkeit freiwillig gewählt zu haben, sie hat sich in ihrem Schneckenhaus eingerichtet und scheint panische Ängste vor dem Verlassen dieser Schutzhülle zu haben. Dann lernen wir ihren Exmann kennen ; auch die Beziehung zu ihm ist scheinbar vollkommen desillusioniert zerbrochen. Im Leben von Jeong-hae herrscht eine seltsame Stagnation und Leere vor und man fragt sich als Zuschauer immer mehr, welches traumatische Ereignis dafür verantwortlich sein könnte. Der Film beantwortet auch diese Frage betont zurückhaltend und stilistisch geschickt in zeitlichen Rückblenden verwoben ; und er lässt am Ende doch Hoffnung aufkeimen, Hoffnung auf eine bessere Zukunft und eine existentiell notwendige Befreiung aus den traumatischen Fesseln.
Wie schon oben gesagt ist "This Charming Girl" nicht innovativ und handelt schon mehrfach gesehene Themenbereiche ab, doch er hat dank seiner Hauptdarstellerin eine ganz besondere stilvolle Klasse. An anderer Stelle habe ich in einer Kurzkritik einen sehr passenden Satz zu ihr gefunden, dort steht "She walks in beauty" und das trifft es sehr genau. Es gibt einige sehr eindringliche Szenen mit besagter Kim Ji-su ; ziemlich am Ende des Films wird sie in einer entscheidenden Szene vor eine schwierige Frage gestellt und füllt nahezu unerträglich lange im vollen Profil den Bildschirm aus ; davor spendet sie als eigentlich Geschundene der Geschichte mit aufgelegter Hand einem ihr unbekannten jungen Mann voller Güte und Wärme den nötigen Trost. Das sind die Momente ohne Worte aber mit immenser bildlicher Kraft die für mich den Unterschied ausmachen.
Dann schafft es Regisseur Lee Yoon-ki durch einen schönen und intelligenten Kniff, die Rückblenden in die Realität des Films einfliessen zu lassen. Dieser inszenatorische Trick wurde auch schon bei "The Scarlet Letter" angewendet und auch hier funktioniert er tadellos.
Sieht man von den psychologischen Klischees einmal ab, ( die Katze als Kompensation sozialer Ärme ist halt ziemlich ausgelutscht ) so bekommt man einen bemühten und klug aufgebauten Film über eine traumatisierte Seele geboten. Man sieht eine zurückhaltende und sanft ergreifende Kim Ji-su die beim offenen Ende ( ich hasse offene und plötzlich endende Filme ) des Films mit sich selbst zu ringen scheint. Jeder kann dann selber entscheiden ob sie die Kurve bekommt oder nicht.
Für dieses zwar nicht überragende aber gelungene Psychogramm gibt es von mir 7 Punkte.