Review

Der Klassenraum als persönliche Hölle

„Der Wald vor lauter Bäumen“ ist Maren Ades Regiedebüt und erzählt schonungslos, bitter, entwaffnend ehrlich und recht speziell von einer zuerst enthusiastischen und süßen Lehrerin, die neu in der Stadt ist, sich psychologisch verläuft und den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht - in ihrer neuen Schule, im Privatleben, einer neuen Freundschaft und in ihrem eigenen, oft peinlichen Charakter samt Blick auf das Leben… 

Maren, sag bitte noch nicht ade!

Was zuerst wirken kann wie eine witzig-sympathische TV-Satire zwischen „Stromberg“ und „Das Lehrerzimmer“ wächst in Ades sensationellem und viel zu unbekanntem Debüt zu etwas weitaus Böserem und Dunklerem heran… Der niedrigaufgelöste Videolook passt zu diesem bewussten „Trauerspiel“, die Hauptdarstellerin spielt das grandios verletzlich und „anders“, jeder ehemalige Schüler wird vieles wiederkennen. Und die Situation in Klassenzimmern ist heutzutage sicher nicht besser geworden, ganz im Gegenteil. Zudem ist der ungewöhnliche Film auch ein nostalgisches, authentisches Zeitdokument der frühen 00er und eine starke Charakterstudie über eine Frau und einen Menschen, dessen Leben (größtenteils ungerechtfertigt) aus den Fugen gerät und einfach nicht so verlaufen will, wie sie es vielleicht verdient hätte und besonders wie sie es sich vorgestellt hatte… „Der Wald vor lauter Bäumen“ kann richtig unangenehm und böse werden, das meint man anfangs wie gesagt gar nicht. Und ich mag das sehr. Es gibt sie noch, die echten Geheimtipps aus der deutschen Filmgeschichte. Auch der jüngeren. Und ganz nebenbei sagt „Der Wald vor lauter Bäumen“ auch noch genug (nicht minder Bitteres) über Deutschland und seine Stimmung, sein hinterfotziges Lästern, seine Aura, seine Grautöne und seine menschliche Kälte. Das kann schon frustrieren bis verstören. Damals wie heute. Und ja, auch Depressionen und der „schöne Schein“ spielen hier eine entscheidende und toxische Rolle. Kleine Schönheitsfehler gibt’s bei der steifen Art und auch Sätze mancher Nebendarsteller, die dilettantisch wirken und einen dann fast rausreißen. 

Wolf im Schafspelz

Fazit: einer der ultimativen deutschen Außenseiter- und Schulfilme. Und eine famose, schmerzhafte und gefühlt fast dokumentarische Charakterstudie über Einsamkeit und Abgründe. Schon in ihrem ersten Film zeigte Maren Ade, dass sie eines der größten deutschen Regietalente und mit ihr zu rechnen war! 

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