Der Prophet zählt nichts im eigenen Lande, und so ist Werner Herzogs geniale Dokumentation über Timothy Treadwell, der jahrelang unter Grizzlybären in Alaska lebte, bis er von einem von ihnen gefressen wurde, noch nicht hier im Kino gelaufen (wenn sie überhaupt noch ins Kino kommt und nicht gleich auf DVD). Herzog genießt in Deutschland bei weitem nicht den Stellenwert, den er z.B. in den USA innehat. Unverständlich, denn so viele gute Filmemacher haben wir hier in Deutschland nicht, dass wir uns erlauben könnten, den besten von ihnen einfach zu ignorieren. Und an der Stelle hört die Ungerechtigkeit nicht auf: Grizzly Man ist nicht in die Vorauswahl der Dokumentationen gekommen, die für den Oscar nominiert werden, hat als keine Chance auf eine Auszeichnung als Bester Dokumentarfilm.
Wie man von Herzog erwarten kann, ist der Film keine reine Naturdoku (auch wenn es viele faszinierende Aufnahmen zu sehen gibt), sondern wieder einmal eine Reise in menschliche Abgründe. Treadwell hatte dermaßen einen an der Waffel, was vor allem auch aus dem Material, das er selbst gefilmt hat, hervorgeht, dass er sich vom Wahnsinn her nicht hinter dem von Klaus Kinski gespielten „Aguirre“ verstecken muss. Herzog kommentiert das auch an einer Stelle sinngemäß so: „Ich habe diese Art von Wahnsinn schon einmal an einem Set gesehen.“ 10/10