"Ein bürgerliches Drama" erzählt, nach dem Roman "Liebe einer Tochter" von Guido Morselli, eine - nun ja - komplizierte Dreiecksgeschichte. Journalist Guido (Franco Nero), Korrespondent einer Tageszeitung in Bonn, erkrankt auf dem Weg in seine Heimat Italien, am Luganer See, zusammen mit seiner ebenfalls kranken 16jährigen Tochter Mimmi (Lara Wendel). Dadurch sind die beiden an zwei benachbarte Hotelzimmer gefesselt und lernen sich nach Jahren besser kennen. Sie ist das Jahr über in einem Genfer Internat, er sieht sie nur in den Ferien. Ihre Mutter bzw. seine Ehefrau starb vor Jahren bei einem nie ganz geklärten Autounfall in Argentinien. Langsam bemerkt Guido aber, dass seine Tochter sich in ihn verliebt hat und ihr Drängen und Bedürfnis nach Nähe überfordern ihn völlig. Als Besuch einer älteren Schulfreundin von Mimmi namens Terese (Dalila di Lazzaro) kommt, entwickelt sich sozusagen ein "bürgerliches Drama".
Florestano Vancinis Film von 1979 kam in Deutschland nie in die Kinos, lief einmal (!) in den 80er Jahren im WDR als deutsche Erstaufführung mit einer sorgfältigen Synchronisation und wurde lediglich in Frankreich, der Türkei und Italien auf VHS veröffentlicht. Über wahrhaft obskure Umwege bin ich an eine wunderbare (deutsche und offensichtlich ungekürzte) Version auf DVD gekommen und war ziemlich glücklich, diesen seltenen Film, den ich mal als Jugendlicher zur Hälfte gesehen hatte und mir immer im Gedächtnis geblieben war, dann in Händen halten zu können.
Er basiert, wie gesagt, auf einem Roman des italienischen Autors Guido Morselli, der sich 1973, stark depressiv, das Leben nahm. Offensichtlich enthält der Roman einige autobiografische Züge, denn auch Marselli arbeitet z.B. als Korrespondent in Bonn.
Und nach erneuter Sichtung hat er mir noch besser gefallen: Vancini nähert sich seinem heiklen Thema Inzest mit großer Sensibilität, ohne schmierige Spekulation und mit Verständnis für die Figuren. Eine Dreiecksgeschichte gewissermaßen, die alle Beteiligten an ihre Grenzen führt und die die Unmöglichkeit von Gefühlen zeigt, die nichts Heiteres oder wirklich Erfüllendes hat.
Der melancholische Schauplatz des Films (fast immer ein Hotel am Luganer See, mitten in der Nachsaison), die ruhige Musik von Riz Ortolani und die vorzüglichen Schauspieler fügen sich zu einem eindringlichen Film zusammen. Franco Nero spielt Guido sehr zurückhaltend, und doch merkt man, wie sehr er versucht, seine Tochter zu verstehen und eine Balance zu finden zwischen väterlichen und erotischen Gefühlen. Auch Dalila di Lazzaro als freigeistige, selbstbewusste Freundin der Tochter vermittelt glaubwürdig eine Figur zwischen dem Wunsch nach Individualität und Verbindlichkeit.
Mittelpunkt des Films ist jedoch Mimma alias Lara Wendel, die ich noch nie so überzeugend gesehen habe. Ihre Darstellung der emotionalen, scheinbar positiven Tochter, die jedoch am Ende an ihren Gefühlen erkrankt, ist nichts anderes als zutiefst bewegend und intensiv. Und nachdem ich den Film wieder gesehen habe, weiß ich auch, weshalb er mir so im Gedächtnis geblieben war: wegen ihr. Sie ist nicht nur unglaublich schön, sondern auch so nachdrücklich in diesem Film, dass ihre Leistung lange nachhallt. Schade, dass dieser Film so in Vergessenheit geraten ist. Er hat es definitiv nicht verdient.