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Vor nunmehr einem halben Jahrhundert begab sich ein gewisser Monsieur Jean Rollin mit dem Kurzfilm "Les Amours Jaunes" auf die Reise der filmschaffenden Künstler und obgleich die Werke, die der dem Maestro zugeneigte Connoisseur für gewöhnlich mit dessen Namen in Verbindung bringt zum damaligen Zeitpunkt wohl noch bestenfalls als bloße Idee im Geiste Rollins herumspukten, war "Les Amours Jaunes" ästhetisch wie inhaltlich bereits stilprägend für all das, was da noch kommen sollte.

"Les Amours Jaunes", zu Deutsch "Die gelben Liebschaften" oder auch "Die gelben Leidenschaften" ist eine Sammlung surrealistischer Gedichte des französischen Lyrikers Tristan Corbière, dessen Namen in der Gesellschaft von Baudelaire, Rimbaud, oder Verlaine gut aufgehoben ist. Rollins Film stellt wohl eine Visualisierung der Literaturvorlage dar, in hypnotischen, ausdrucksstarken Bildern und vor dem Hintergrund einer Lesung aus Corbières Werk. Der Film beginnt mit einer traumartigen Sequenz an dem Strand, der dem Zuschauer in Rollins späteren Filmen immer wieder begegnen wird. Überraschend wechselt Rollin auf halbem Wege die Darstellungsweise und präsentiert eine Folge expressionistischer Schwarz-Weiß Zeichnungen, bevor er zum Ende des Films wieder zu seinem maritimen Ausgangspunkt zurückkehrt.

Gerade weil sich "Les Amours Jaunes" inhaltlich einer einfachen und eindeutigen Interpretation entzieht, überzeugt Rollins Kurzfilm durch seine rätselhafte Bildästhetik und gestattet dem Zuschauer ein äußerst sinnliches - wenn auch ungewöhnlich bizarres - Wahrnehmungserlebnis. Abseits allem Schmuddel und jenem Dilettantismus, wegen dem Rollins spätere Arbeiten bisweilen in Verruf stehen, stellt "Les Amours Jaunes" die Essenz dessen dar, was Filme wie "Die eiserne Rose" oder "Die nackten Vampire" über das triviale Niveau herkömmlicher Schundfilme hebt. Kunst, die sich selbst genügt.

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