Marnie (Tippi Hedren) erträgt den näheren Kontakt zu Männern nicht. Sie lebt bei ihrer Mutter (Louise Latham), von der sie wenig Gegenliebe erfährt. Regelmäßig nimmt Marnie eine neue Identität an, lässt sich als Sekretärin einstellen und raubt ihren Arbeitgeber aus. Bei einem Bewerbungsgespräch erkennt sie der wohlhabende Mark Rutland (Sean Connery) und stellt sie trotzdem ein…
„Marnie“ gilt als endgültige Etablierung Alfred Hitchcocks als Acteur, als Autorenfilmer, der unabhängig von den Vorgaben von Produzenten arbeiten kann. Den Film ereilt ein ähnliches Schicksal, wie „Vertigo“ (1958). An den Kinokassen wenig erfolgreich und noch in den 70ern von den Biographen Robert A.Harris und Michael S.Lasky als „schauriger Tiefpunkt des Hitchcockschen Werks“ bezeichnet, wird „Marnie“ heute als herausragender Versuch der Psychoanalyse in Form eines spannenden Spielfilms bewertet.
Marnie ist seit ihrer Kindheit psychisch gestört, „Immer, wenn Du an der Tür stehst, Mutter, dann ist es so kalt“. Ihre Neurose zeigt sich, wenn sie beim Anblick der Farbe rot in Panik gerät (was mit roten Farbfiltern visualisiert wird), und in ihrer Unfähigkeit einen Mann zu lieben. Stattdessen bestielt sie Männer und unterstützt damit ihre Mutter, die seit „dem Unfall“ nicht mehr arbeiten kann und der Nachbarstochter die Liebe schenkt, nach der Marnie sich sehnt. So paart sich Kaltblütigkeit mit Verzweiflung. „Ich kann nichts dafür“, fleht sie als sie ihr zukünftiger Ehemann „eine kaltblütige, gewohnheitsmäßige Lügnerin“ nennt. Marks Liebe überwindet seine Zweifel, doch in der Hochzeitsnacht erklärt Marie, „Heiraten wollte ich sowieso nicht. Das ist erniedrigend, fast animalisch!“ An Sex ist nicht zu denken, sie degradiert Mark zum Gesellschafter und entmannt ihn damit. Einmal reißt er ihr die Kleider vom Leib, um dann gleich seinen Mantel um sie zu legen. Trotzdem versucht Marnie in der Nacht darauf sich das Leben zu nehmen. Als ihr zunehmend verzweifelter Ehemann ihre Seele ergründen möchte, kontert sie nur, „Spielst Du Freud? Was soll das?“. Am Ende präsentiert Psycho-Doc Hitchcock das schockierende Ergebnis seiner Analyse.
Nach den internationalen Erfolgen von „James Bond 007 jagt Dr. No“ (1962) und „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) möchte sich Sean Connery durch die Zusammenarbeit mit dem renommierten Regisseur als Darsteller ernster Rollen für den amerikanischen Markt empfehlen, was ihm durch den kommerziellen Misserfolg vorerst verwährt bleibt. Filmhistorisch erwirbt Sean Connery das Privileg die männliche Hauptrolle in einem der 5 besten Filme von Sir Alfred Hitchcock gespielt zu haben. (10/10)