In einer spektakulären Aktion gelingt es der Berliner Polizei unter Führung von Kommissar Seiler (Heinz Hoenig) den Serienkiller Gabriel Engel (Nomen est Omen!), gespielt von Andre Hennicke, zu verhaften. In dem „freundlichen Dorf“ Herzbach, wie es auf dem Schild am Ortseingang heißt, kann Dorfpolizist Martens (Wotan Wilke Möhring) seit einigen Jahren einen Mord an einem kleinen Mädchen nicht aufklären. Serienkiller Engel hat sich zwar auf die Ausblutung kleiner Jungen spezialisiert, um anschließend mit ihrem Blut Bilder zu malen, aber da Martens keine andere Spur hat, reist er in die Großstadt, um Engel zu dem Mord zu befragen. Wird es ihm gelingen, zu erfahren, ob Engel etwas mit dem Mord an dem Mädchen zu tun hat …?
Es erweist sich leider nicht als besonders geschickt, die Figurenkonstellation aus „Das Schweigen der Lämmer“, in der ein unbedarfter Polizist einen Serienkiller befragt, nahezu 1:1 zu übernehmen. In „Das Schweigen der Lämmer“ funktionierte das noch perfekt, denn in diesen Gesprächen klinkte sich Dr. Hannibal Lecter langsam, aber unaufhaltsam in das Gehirn von Clarice Starling ein.
Aber „Antikörper“ klaut diese Idee nicht nur, der Film klaut auch nicht besonders gut. Engel ist weit weniger subtil. Er will von Martens z. B. wissen: „Was denkst Du, wenn Du Deine Frau fi**st? Eine ähnlich bedrohliche Atmosphäre wie im Vorbild will und kann sich dabei nicht einstellen.
Im Verlaufe des Films lässt sich Martens immer mehr auf die dunkle Seite der Macht hinüberziehen. Der naive, um Anerkennung ringende Dorfpolizist wird dem inhaftierten Psychopathen nach und nach immer ähnlicher, stellt sich dieselben Fragen.
Hier kann der Film durch geschickte Montagetechnik das eine oder andere Mal durchaus überzeugen.
Diese Montagetechnik bremst den Film aber leider auch immer wieder aus, z. B. durch Rückblenden oder Traumsequenzen, so dass der Sog, der in den filmischen Vorbildern „Das Schweigen der Lämmer“ und „Sieben“ entstand, leider ausbleibt.
Ein großes Plus des Films hätte die realitätsnahe Schilderung des Dorflebens sein können, aber hier verschenkt der Film sein Potenzial. Die Dorfgemeinde, die sich gegen die Ermittlungen des Polizisten stellt, die Erziehungsmethoden des streng gottesgläubigen Polizisten, die ganze Atmosphäre des Dorfes wirkt nicht bedrohlich, sondern klischeehaft.
Ein weiteres interessantes Thema hätte auch die bereits angesprochene Gottesgläubigkeit werden können, aber auch hier geht der Film den falschen Weg. Statt zu versuchen, sich ernsthaft mit den Glaubensproblemen des Polizisten auseinanderzusetzen, bietet der Film oftmals allzu platte Symbolismen an. Negativhöhepunkt in dieser Hinsicht sind die (scheinbar computeranimierten?) Rehe, die am Ende des Films Vater und Sohn nähern und so das Schlimmste verhindern.
Das Drehbuch macht es den Akteuren also schon recht schwer.
Wotan Wilke Möhring als Hauptfigur Dorfpolizist Martens wirkt bemüht, kann aber den vom Drehbuch vorgesehenen Wandel hin zu seiner dunklen Seite nicht überzeugend darstellen.
Eine Zumutung ist Heinz Hoenig, der zwar einen arg klischeebeladenen Kommissar spielen muss, sich aber auch nicht um Authentizität bemüht. Er spielt im Wesentlichen sich selbst und das nicht mal besonders gut. Dabei schien es ihm großen Spaß zu machen, immer wieder die Wörter „Wi**ser“ oder „Wi**se“ zu sagen.
Hauke Diekamp, vor zwei Jahren noch ganz unschuldig der Jonathan Trotz in der Neuverfilmung vom „Fliegenden Klassenzimmer“, spielt den gar nicht mehr unschuldigen, vermeintlich missratenen Sohn von Martens. Er hat zwar den Psychopathenblick voll drauf, aber wenn im Verlaufe des Films nicht viel anderes kommt, was nicht seine Schuld, sondern die des Drehbuchs ist, nutzt sich das halt leider irgendwann auch mal ab.
Zentrum des Films ist zweifellos Andre Hennicke, der nach zwei beeindruckenden Auftritten in „Der Untergang“, vor allem aber als Dr. Robert Freisler in „Sophie Scholl“ nun schon das dritte Mal innerhalb kurzer Zeit in einer deutschen Produktion zu sehen ist. Er kann seinem Psychopathen sogar noch einige neue Facetten abgewinnen, und das trotz der starken Vorbilder und des statischen Skriptes.
Statt auf psychologische Tiefe zu setzen, versucht der Film mit einigen drastischen Szenen und rüder Sprache zu beeindrucken. Dabei sind besonders die beiden Sexszenen zu nennen, deren inhaltliche Bedeutung auch durch eine weniger expressive Art der Inszenierung zum Ausdruck gekommen wäre. Auch die Szene mit dem Igel ist völlig überflüssig und dient einzig und allein dem Zweck, zu schocken und zu provozieren. Die Szenen werden zum Selbstzweck.
Eine weitere Schwäche des Films ist der einfallslose Soundtrack, besonders die von Nadeshda Brennicke, in dem Vorgänger von „Antikörper“ - „Tattoo“ - auch schon als Darstellerin mit dabei, selbst geschriebenen und leider auch gesungenen Songs können nicht überzeugen.
Nach dem verheißungsvollen Beginn von „Antikörper“, der Jagd nach Gabriel Engel, beschränkt sich der Inhalt des Films im Wesentlichen auf die Klärung der Frage, was denn nun genau mit dem kleinen Mädchen passiert ist. Das Drehbuch bietet zwar einige Wendungen an, kann damit aber leider kaum überraschen. So ist auch der Schluss des Films leider eine Enttäuschung.
Nach „Tattoo“ ist „Antikörper“ innerhalb weniger Jahre nun der zweite Versuch, einen Serienkiller-Thriller nach amerikanischem Vorbild zu schaffen. Aber wie schon „Tattoo“ ist auch „Antikörper zu unrund inszeniert, um wirklich fesseln zu können.
5/10